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OGH vom 04.10.2011, 10Ob70/11h

OGH vom 04.10.2011, 10Ob70/11h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mittlerweile volljährigen Kinder 1. E***** und 2. S***** sowie der minderjährigen Kinder 3. R*****, und 4. C*****, beide vertreten durch die Mutter G*****, diese vertreten durch Dr. Ulrike Bauer und Mag. Michael Rebasso, Rechtsanwälte in Wien, infolge Revisionsrekurses des Vaters Mag. H*****, vertreten durch Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 557/08t 1020, womit infolge Rekurses der Mutter der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 2 P 88/07t 879, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Erklärung, den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. R***** sowie die weiteren Mitglieder des Obersten Gerichtshofs Univ. Prof. Dr. B***** und Dr. S***** wegen Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Zwischen den Eltern der vier oben angeführten Kinder die beiden Kinder E***** und S***** sind mittlerweile volljährig geworden wird seit vielen Jahren ein außergewöhnlich heftiger Obsorgestreit geführt.

Das Rekursgericht wies mit Beschluss vom (ON 838) unter anderem den Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Erstgerichts vom (ON 700) betreffend die Beschlusspunkte 1 bis 17, 19 bis 36, 39 bis 52 (Obsorge und Besuchsrecht) als verspätet zurück.

Mit Beschluss vom (ON 879) bewilligte das Erstgericht dem Vater die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist gegen seinen Beschluss ON 700.

Den von der Mutter dagegen erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht mit Beschluss vom (ON 1020), soweit es die inzwischen volljährig gewordenen Kinder E***** und S***** betrifft, zurück. Hinsichtlich der beiden noch minderjährigen Kinder R***** und C***** gab das Rekursgericht dem Rekurs der Mutter hingegen Folge und änderte den Beschluss dahin ab, dass der Antrag des Vaters auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist gegen den Beschluss ON 700 zurückgewiesen wird. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 21 AußStrG unter anderem dann ausgeschlossen sei, wenn der aus der Versäumung einer Frist entstehende Rechtsnachteil durch ein Rechtsmittel oder einen neuen Antrag abgewendet werden könne. Da dem Vater bisher noch kein Besuchsrecht eingeräumt worden sei, bestehe sein durch die Versäumung der Frist zur Rekurserhebung entstandener Rechtsnachteil in der (vorläufigen) Aufrechterhaltung dieses Zustands bis zur Entscheidung über seinen neuerlichen Besuchsrechtsantrag. Ein Eingriff in bestehende Rechte liege daher nicht vor. Eine Wiedereinsetzung sei damit gesetzlich ausgeschlossen, zumal sich seither wesentliche Sachverhaltsänderungen (die beiden älteren Kinder seien mittlerweile volljährig; die beiden jüngeren Kinder seien nun auch in einem Alter, in dem ihren Wünschen eine größere Bedeutung zukomme) ergeben hätten und eine Beurteilung des Obsorge und Besuchsrechtsantrags des Vaters aufgrund der aktuellen Gegebenheiten zu erfolgen habe. Da somit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 21 AußStrG nicht vorlägen, komme auch der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO gegen die Bewilligung einer Wiedereinsetzung nicht zum Tragen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 62 AußStrG zulässig sei, weil zu der geschilderten erheblichen Rechtsfrage noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der am dem Obersten Gerichtshof vorgelegte ordentliche Revisionsrekurs des Vaters verbunden mit einer Ablehnung von Richtern des Obersten Gerichtshofs wegen angeblicher Befangenheit (ON 1043) mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben, in eventu den Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Mutter beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung (ON 1050), dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zum Ablehnungsantrag:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber lehnt in seinem Rechtsmittel den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. R***** sowie Univ. Prof. Dr. Peter (gemeint offensichtlich: M*****) B***** und Senatspräsident iR Dr. S***** wegen angeblicher Befangenheit ab. Dieser Ablehnungsantrag geht schon deshalb ins Leere, weil Vizepräsident Dr. R***** und Hofrat Univ. Prof. Dr. M***** B***** dem für die Entscheidung im vorliegenden Fall zuständigen Senat 10 des Obersten Gerichtshofs nicht angehören und auch Senatspräsident iR Dr. S***** diesem Senat nicht mehr angehört. Es erübrigt sich daher die im Übrigen nicht näher konkretisierte Ablehnungserklärung dem für Ablehnungen zuständigen Senat des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung vorzulegen. Die Ablehnungserklärung war somit zurückzuweisen.

2. Zum Rechtsmittel:

Auch das weitere Vorbringen des Revisionsrekurswerbers, die Entscheidung des Rekursgerichts sei nichtig, weil er die Mitglieder des Rekurssenats wegen Befangenheit abgelehnt habe, ist aufgrund der Aktenlage nicht nachvollziehbar. Es hat nämlich der Ablehnungssenat des Rekursgerichts mit Beschluss vom , GZ 32 Nc 20/08z 3, den diesbezüglichen Ablehnungsantrag des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Wien gab mit Beschluss vom , AZ 12 R 132/10k, dem vom Vater dagegen erhobenen Rekurs keine Folge. Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt daher nicht vor.

In der Sache selbst wendet sich der Revisionsrekurswerber gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichts, der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO komme im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung und der Revisionsrekurswerber könne zur Abwendung des durch die Versäumung der Rekursfrist entstandenen Rechtsnachteils einen neuen Antrag einbringen. Dabei übersehe das Rekursgericht, dass es sich bei der Einbringung eines neuen Antrags nicht mehr um dieselbe Rechtssache handeln würde, da sich die Verhältnisse seither geändert hätten und seine Anträge auf Besuchsrecht oder Obsorge bezüglich der mittlerweile volljährig gewordenen beiden älteren Kinder hinfällig geworden sei.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

1. Nach § 21 AußStrG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgenommen § 154 ZPO über den Kostenersatz sinngemäß im Außerstreitverfahren anzuwenden, wenn der aus der Versäumung einer Frist oder Tagsatzung entstehende Rechtsnachteil nicht durch ein Rechtsmittel oder einen neuen Antrag abgewendet werden kann. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen § 17 AußStrG aF. § 146 ZPO, der die Voraussetzungen festlegt, unter denen Wiedereinsetzung begehrt werden kann (Versäumung einer Tagsatzung oder einer befristeten Prozesshandlung durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis, die den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hat), wird somit im Außerstreitverfahren um eine weitere Voraussetzung ergänzt. Es darf nämlich der sich aus der Versäumung ergebende Nachteil weder durch ein Rechtsmittel noch durch einen neuen Antrag abgewendet werden können. Es ist daher die Wiedereinsetzung im Außerstreitverfahren ausgeschlossen, wenn ein versäumtes Vorbringen im Rekurs als Neuerung nachgetragen werden kann oder ein neuer Antrag gestellt werden kann (vgl Fucik/Kloiber , AußStrG § 21 Rz 1).

1.1 Der Wiedereinsetzungsantrag ist somit ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen, wenn eine Wiedereinsetzung überhaupt unzulässig ist, wenn der Antrag verspätet eingebracht wurde, wenn die versäumte Prozesshandlung noch unmittelbar nachgeholt werden kann oder wenn der Rechtsnachteil durch ein Rechtsmittel oder einen neuen Antrag abgewendet werden kann.

1.2 Der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung wird somit im Außerstreitverfahren in der Praxis deswegen wenig Bedeutung erlangen, weil im Verfahren mit Untersuchungsmaxime Versäumungsfolgen ohnedies weitgehend ausgeschlossen sind, im Außerstreitverfahren kein so strenges Neuerungsverbot herrscht wie im Zivilprozess und weil das Versäumte in der Regel im Rechtsmittel oder in einem neuen Antrag ohne Rechtsnachteil nachgetragen werden kann (vgl RV 224 BlgNR 22. GP 36).

2. Für das Rechtsmittelverfahren gelten die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes (§§ 45 ff, §§ 62 ff) sowie kraft Verweis auch § 153 ZPO, sodass gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung in der Regel kein Rechtsmittel zulässig ist (vgl Rechberger in Rechberger , AußStrG § 21 Rz 4). Der Rechtsmittelausschluss nach § 153 ZPO ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn der die Wiedereinsetzung bewilligende Beschluss des Erstgerichts unzulässig ist etwa wenn die Bewilligung antragslos, gegen die Versäumung einer materiellrechtlichen Frist oder im Exekutions bzw Insolvenzverfahren erfolgte bzw ohne gesetzliche Grundlage bewilligt wurde ( Deixler Hübner in Fasching/Konecny ² § 153 ZPO Rz 5 mwN; RIS Justiz RS0107387). Das Rekursrecht bezieht sich in diesem Fall nur auf die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags, nicht aber auf seine materiellrechtliche Berechtigung (vgl 8 Ob 524/95, SZ 68/227).

3. Zutreffend hat das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass bei Beurteilung der Frage, worin der durch die Säumnis herbeigeführte Rechtsnachteil liegt, bei Streitigkeiten über Obsorge und Besuchsrecht der Status der Obsorge bzw Besuchsrechtsregelung vor der Fällung des Beschlusses, mit dem der entsprechende Obsorge bzw Besuchsrechtsantrag abgewiesen wurde, dem Zustand nach Fällung dieser Entscheidung gegenüberzustellen ist.

3.1 Im gegenständlichen Fall besteht der durch die Säumnis verursachte Rechtsnachteil des Revisionsrekurswerbers nicht in einem Eingriff in bestehende Rechte. Es steht ihm betreffend die beiden noch minderjährigen Kinder die Stellung weiterer Besuchsrechts-und Obsorgeanträge offen, durch die erneut eine Entscheidung in der Sache selbst erreicht werden kann. Durch eine neuerliche Antragstellung kann somit der aus der Säumnis resultierende Rechtsnachteil weitgehend abgewendet werden, zumal im bereits anhängigen Besuchsrechts und Obsorgeverfahren auch von den Rechtsmittelgerichten neue Entwicklungen und wesentliche Sachverhaltsänderungen berücksichtigt werden müssen, soweit die Entscheidung das Wohl eines Pflegebefohlenen betrifft (vgl RIS Justiz RS0122192). Durch die Möglichkeit einer neuen Antragstellung im Obsorge und Besuchsrechtsverfahren durch den Revisionsrekurswerber ist einer der beiden erwähnten Ausschlusstatbestände des § 21 AußStrG, wonach der sich aus der Versäumung ergebende Nachteil nicht durch einen neuen Antrag abgewendet werden kann, erfüllt, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 21 AußStrG nicht vorliegen. Soweit der Revisionsrekurswerber in diesem Zusammenhang Befürchtungen wegen einer langen Verfahrensdauer bis zur Entscheidung über seinen neuen Antrag äußert, ist darauf hinzuweisen, dass die lange Verfahrensdauer in der Vergangenheit in erster Linie auf ein entsprechendes exzessives Antrags und Rechtsmittelverhalten des Revisionsrekurswerbers selbst zurückzuführen ist.

3.2 Da somit das Erstgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen den erwähnten Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 21 AußStrG, also ohne gesetzliche Grundlage, bewilligt hat, kam nach ebenfalls zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichts auch der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO nicht zum Tragen.

Dem Revisionsrekurs musste somit insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.