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OGH vom 14.03.2018, 10ObS158/17h

OGH vom 14.03.2018, 10ObS158/17h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei, Mag. B*****, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückforderung von Wochengeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 34/17m25, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 24 Cgs 114/15b22, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird im Umfang der Feststellung, der Anspruch auf Rückersatz von für die Zeit vom bis geleistetem Wochengeld im Ausmaß von 2.898,96 EUR bestehe nicht zu Recht, aufgehoben.

Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin steht in einem Dienstverhältnis zur O***** Aktiengesellschaft. Sie ist als akademisch ausgebildete Betriebswirtin im Personalwesen tätig. Aus Anlass des am eingetretenen Versicherungsfalls der Mutterschaft ging die beklagte Gebietskrankenkasse vorerst (unter Einberechnung von für das Vorjahr gebührende Bonuszahlungen und Teilzahlungen nach dem „Long Term Incentive Plan 2011“) von einem täglichen Wochengeldanspruch von 561 EUR, insgesamt somit von einem Wochengeldanspruch in Höhe von 51.051 EUR aus. Letzterer Betrag gelangte an die Klägerin zur Auszahlung.

Mit vom verpflichtete die Beklagte die Klägerin, davon 18.190,95 EUR zurückzuzahlen. Anlässlich einer Beitragsprüfung sei bekannt geworden, dass das Wochengeld nur auf Basis einer Bemessungsgrundlage von täglich 233,05 EUR gebühre. Die Verpflichtung zum Rückersatz beruhe auf § 107 ASVG.

Mit ihrer dagegen gerichteten begehrt die Klägerin die Feststellung, der Anspruch auf Rückersatz des Wochengeldes im Ausmaß von 18.190,95 EUR bestehe nicht zu Recht. Eventualiter erhob sie das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass kein 7.824,63 EUR bzw 13.585,89 EUR übersteigender Anspruch auf Rückersatz von Wochengeld bestehe. Die Bonuszahlung sei in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld einzubeziehen, ebenso der Sachbezug „Privatnutzung PKW“ in Höhe von 643,50 EUR monatlich. Ein Rückforderungstatbestand sei nicht gegeben.

Die wendete ein, nicht nur die Einberechnung des „Long Term Incentive Plan 2011– Teilbetrags“ in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld hätte zu unterbleiben gehabt, sondern auch die Einberechnung der Bonuszahlungen, weil die Klägerin beide Leistungen – unabhängig vom Beschäftigungsverbot – ohnedies erhalten habe. Es hätte ihr daher auffallen müssen, dass ihr das Wochengeld nicht in der vorerst zuerkannten Höhe gebühre. Zum PKW-Sachbezug erstattete die beklagte Partei kein Vorbringen.

Das stellte fest, dass der von der beklagten Partei erhobene Anspruch auf Rückersatz des an die klagende Partei für die Zeit von bis geleisteten Wochengeldes im Ausmaß von 18.190,95 EUR nicht zu Recht besteht.

Die ausführliche rechtliche Beurteilung des Erstgerichts lässt sich – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – dahin zusammenfassen, dass sowohl die Bonuszahlung als auch die aus dem „Long Term Incentive Plan 2011“ geleisteten Zahlungen bei der Bemessung des Wochengeldes außer Ansatz zu lassen seien, weil sie der Klägerin ungeachtet des absoluten Beschäftigungsverbots ausgezahlt worden seien. Als Arbeitsverdienst im Sinn des § 162 Abs 3 ASVG sei daher lediglich ein in den Monaten Juni bis August 2014 angefallener Gesamtbetrag von 18.292,34 EUR netto (6.115,48 EUR für Juni + 6.108,43 EUR für Juli + 6.068,43 EUR für August 2014) heranzuziehen. Dieser Betrag sei um 17 % (im Hinblick auf zwei Sonderzahlungen) zu erhöhen, sodass sich ein Betrag von 21.402,04 EUR ergebe. Ausgehend von einer Dauer des maßgeblichen Beobachtungszeitraums von 92 Kalendertagen errechne sich ein Betrag von 232,63 EUR täglich. Der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Überbezug sei daher jedenfalls in der dort genannten Höhe angefallen. Die Klägerin sei dennoch nicht zum Rückersatz verpflichtet, weil keine Rückforderungsgründe im Sinn des § 107 Abs 1 ASVG vorlägen.

Das gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass der von der beklagten Partei mit 18.190,95 EUR erhobene Anspruch auf Rückersatz von Wochengeld im Ausmaß von 2.898,96 EUR nicht zu Recht bestehe; das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Die Klägerin wurde daher schuldig erkannt, der beklagten Partei 15.291,99 EUR an Wochengeld (in 23 Raten zu je 640 EUR und einer [letzten] Rate zu 571,99 EUR) zurückzuzahlen. Weiters wurde das auf Feststellung gerichtete Eventualbegehren abgewiesen.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht, die Zahlungen aus der Bonusvereinbarung und aus dem „Long Term Incentive Plan 2011“ seien bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes nicht in Ansatz zu bringen. Das Erstgericht habe aber den der Klägerin von ihrem Dienstgeber gewährten Sachbezug des Privatgebrauchs eines PKW übersehen. Dieser Sachbezug erhöhe die Steuerbemessungsgrundlage und reduziere den Netto-Auszahlungsbetrag, verschaffe der Klägerin aber gleichzeitig den Nutzen eines PKW. Naheliegenderweise sei die fiskalische Bewertung heranzuziehen, die laut den von vorgelegten Gehaltsabrechnungen mit 643,50 EUR monatlich erfolgt sei. Berücksichtige man für jeden der drei Monate den Sachbezug von 643,50 EUR errechne sich der Wochengeldtagsatz mit 253,61 EUR. Der Klägerin stehe für 141 Kalendertage daher ein Wochengeldanspruch in Höhe von 35.759,01 EUR zu. Ausgehend vom tatsächlich ausbezahlten Wochengeld von 51.051 EUR habe sie somit nur 15.291,99 EUR (und nicht 18.190,95 EUR) zu Unrecht bezogen. Mit diesem Betrag sei der Rückersatzanspruch der beklagten Partei jedenfalls beschränkt.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei die Rückforderung dieses Betrags berechtigt, weil der Klägerin als akademisch ausgebildete Betriebswirtin, die im Personalwesen berufstätig sei, bekannt sein habe müssen, dass das Wochengeld den durch die Mutterschaft erlittenen Entgeltverlust ersetzen solle. Zugleich sei ihr bewusst gewesen, dass sie trotz ihres Mutterschutzes die Bonuszahlungen für das Jahr 2013 und Teilzahlungen nach dem „Long Term Incentive Plan 2011“ ausgezahlt erhalten habe. Sie hätte daher erkennen müssen, dass das ihr gewährte Wochengeld von 561 EUR täglich eklatant (mehr als das Doppelte) von ihrem monatlichen Nettogrundgehalt abgewichen sei.

Die der beklagten Partei richtet sich gegen diese Entscheidung insoweit, als ausgesprochen wurde, dass der Anspruch auf Rückersatz von Wochengeld im Ausmaß von 2.898,96 EUR nicht zu Recht besteht.

Die Klägerin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revision ist zulässig und im Sinn des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen, der Klägerin sei der PKW zur Privatnutzung auch während des absoluten Beschäftigungsverbots zur Verfügung gestanden (sodass es durch die Hinzurechnung zur doppelten Verwertung des Sachbezugs komme), verstößt gegen das– auch im Sozialrechtsverfahren geltende – Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO (RIS-Justiz RS0042049).

2.1 Berechtigung kommt dem Revisionsvorbringen aber insofern zu, als aufgezeigt wird, das Berufungsgericht habe bei Neuerrechnung der Bemessungsgrundlage unberücksichtigt gelassen, dass der für die Bewertung der PKW-Nutzung herangezogene (fiskalische) Sachbezugswert nach der SachbezugswerteVO lohnsteuerpflichtiges Entgelt darstelle und seine – dennoch ohne gesetzliche Abzüge erfolgte – Hinzurechnung zu den Nettogehaltszahlungen zu einer § 162 Abs 3 ASVG widersprechenden „Vermengung“ von Nettogeldzahlungen und Bruttosachbezügen geführt habe.

2.2 Nach § 162 Abs 3 ASVG ist der Anspruch auf Wochengeld auf Grundlage des in den letzten drei Kalendermonaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge zu bemessen. Als gebührender Arbeitsverdienst ist jeder Geld- und Sachbezug zu verstehen, der der Klägerin im Beobachtungszeitraum zustand (RISJustiz RS0084112). Der Bruttoverdienst ist somit um die gesetzlichen Abzüge zu vermindern.

2.3 Die Verwendung eines vom Dienstgeber überlassenen PKW für private Zwecke ist als Sachbezug zu werten (§ 4 Abs 1 SachbezugswerteV, BGBl II 2001/416 idgF). Bei der Ermittlung des Werts des Sachbezugs wurden vom Obersten Gerichtshof wiederholt die amtlichen Sachbezugswerte - also die fiskalische Bewertung – als brauchbare Orientierungshilfe für eine Bewertung der Privatnutzung des vom Arbeitnehmer für dienstliche Zwecke benötigten Fahrzeugs angesehen (9 ObA 220/93; 9 ObA 25/16s, DRdA 2017/39, 375 [Weiß]). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein vom Dienstgeber bisher verrechneter Wert des Sachbezugs den Gegebenheiten entspricht und daher einen realen Einkommensbestandteil bildet (1 Ob 143/02i). Dementsprechend konnte das Berufungsgericht auch im vorliegenden Fall den mit 643,50 EUR in den Gehaltsabrechnungen aufscheinenden Wert nach der SachbezugswerteV als Äquivalent ansehen.

2.4 Da es sich bei dem Äquivalent für die Nutzung des PKW für private Zwecke aber um Entgelt handelt, unterliegt dieses der Lohnsteuer und der Sozialversicherung, wobei die steuerliche Privilegierung nach der SachbezugswerteV entfällt (9 ObA 25/16s; Körber, Die Privatnutzung von Dienstfahrzeugen, ZAS 2005, 67 [71]).

3. Damit kommt dem Vorbringen der Revisionswerberin Berechtigung zu, der vom Berufungsgericht neu ermittelte Wochengeldtagsatz von 253,61 EUR sei jedenfalls zu hoch, weil das Berufungsgericht den (fiskalischen) Sachbezugswert von 643,50 EUR als „Bruttosachbezug“ ohne Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge den Nettogeldbezügen hinzugeschlagen habe.

4. Das Berufungsurteil ist daher zur neuerlichen Entscheidung aufzuheben.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00158.17H.0314.000

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