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OGH vom 17.06.1987, 14ObA502/87

OGH vom 17.06.1987, 14ObA502/87

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.- Prof.Dr. Kuderna und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Partei und Antragsgegnerin G*** Ö*** D***, Wien 1., Teinfaltstraße 7, vertreten durch den Vorsitzenden Abgeordneter zum Bundesrat Hofrat Rudolf S***, ebendort, dieser vertreten durch Prof. Dr. Alfred S***, Zentralsekretär der G***

Ö*** D***, ebendort, gegen die Antragsgegnerin und antragstellende Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, über die gemäß dem § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsanträge folgenden

Beschluß

gefaßt:

5101. Der Antrag der antragstellenden Partei, es werde festgestellt, daß der Antragsgegnerin als Dienstgeberin von Vertragsbediensteten nicht das Recht zustehe, bei verspäteter (dh nach Entgeltfälligkeit erfolgender) Entgeltzahlung - ohne daß die Dienstgeberin oder ihre Organe ein Verschulden an der Verspätung trifft - insgesamt mehr als auf zwei Nachzahlungsmonate entfallende Dienstnehmeranteile an Sozialversicherungsbeiträgen des gesamten Nachzahlungszeitraumes von den Bezügen des betroffenen Vertragsbediensteten abzuziehen oder sonstwie gegen den Vertragsbediensteten geltend zu machen, wird abgewiesen.

2. Der Antrag der Antragsgegnerin, es werde festgestellt, daß der Antragsgegnerin als Dienstgeberin von Vertragsbediensteten gemäß dem § 60 Abs 1 ASVG das Recht zusteht, in jedem Fall einer Entgeltzahlung - demnach auch im Falle einer Entgeltzahlung für einen zurückliegenden Zeitraum (Entgeltnachzahlung) - den auf den Dienstnehmer (Versicherten) entfallenden Beitragsteil (Dienstnehmeranteil zu den ASVG-Beiträgen) vom Entgelt abzuziehen und an den zuständigen Sozialversicherungsträger abzuführen, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die antragstellende Partei und Antragsgegnerin (in Hinkunft kurz antragstellende Partei genannt) ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Abs 2 ArbVG. Die Kollektivvertragsfähigkeit wurde ihr, wie unbestritten ist, vom Obereinigungsamt im Jahr 1957 zuerkannt; diese Zuerkennung gilt gemäß dem § 165 ArbVG auch nach dem Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes weiter. Die Antragsgegnerin und antragstellende Partei (in Hinkunft kurz Antragsgegnerin genannt) ist gemäß dem § 7 ArbVG eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitgeber. Beide Parteien sind daher im Sinne des § 54 Abs 2 erster Satz ASGG als Parteien des gegenständlichen besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.

Die antragstellende Partei führt zur Begründung ihres aus dem Spruch ersichtlichen Antrages aus, etwa 300 bis 500 bei der Antragsgegnerin beschäftigte und in den Organisationsbereich der antragstellenden Partei fallende Vertragsbedienstete erhielten jährlich Entgeltnachzahlungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume. Diese Nachzahlungen erfolgten erst geraume Zeit nach dem im § 18 VBG 1948 festgelegten Fälligkeitszeitpunkt. Die häufigsten Fälle seien Vertragslehrer, die erst fünf bis sechs Monate nach ihrer zum 1. September erfolgten Anstellung einen Dienstvertrag ausgehändigt und das Entgelt für die vorangegangenen fünf bis sechs Monate ausgezahlt erhielten. In vielen anderen Fällen hätten Vertragsbedienstete einen Anspruch auf Nachzahlung von Bezugsdifferenzen, weil sie, abweichend von der in ihrem Dienstvertrag festgelegten Beschäftigungsart, eine höherwertige Tätigkeit verrichteten. Der Nachzahlungsanspruch beruhe auf einem außergerichtlichen Anerkenntnis, auf einem Vergleich oder einem Urteil und könne sich auf einen Zeitraum von zumindest drei Jahren erstrecken. Nach der Vorschrift des § 60 Abs 1 ASVG dürfe der Dienstgeber, wenn ihn ein Verschulden an der nicht gehörigen Entrichtung des auf den Versicherten entfallenden Beitragsteiles treffe, nur einen Monatsbeitrag vom Bediensteten nachfordern; treffe ihn kein Verschulden, dürfe er zwei Monatsbeiträge nachfordern. Die darüber hinausreichenden Sozialversicherungsbeiträge müsse der Dienstgeber zur Gänze, also einschließlich der Dienstnehmeranteile, selbst tragen. Die Antragsgegnerin vertrete für den Fall einer unverschuldeten nachträglichen Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen die (von der antragstellenden Partei nicht geteilte) Auffassung, in der Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG sei nur eine Ratenregelung zu erblicken; der Dienstgeber dürfe von jedem laufenden Monatsbezug so lange jeweils zwei Dienstnehmerbeiträge abziehen, bis die für den gesamten Nachzahlungszeitraum nicht entrichteten Dienstnehmerbeiträge hereingebracht seien.

Die Antragsgegnerin beantragte in ihrer gemäß dem § 54 Abs 3 erster Satz ASGG erstatteten Stellungnahme die Abweisung dieses Feststellungsantrages. Die Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG sei eine Schutzvorschrift zugunsten der Dienstnehmer. Der auf die Dienstnehmer entfallende, ebenfalls vom Dienstgeber geschuldete Teil der Sozialversicherungsbeiträge solle aus Anlaß der Auszahlung des Arbeitsentgelts vom Dienstgeber einbehalten und nicht erst anläßlich späterer Entgeltzahlungen eingefordert werden. Ein späteres Einfordern sei nur dann zulässig, wenn die nachträgliche Entrichtung durch den Dienstgeber nicht verschuldet worden sei. In einem solchen Fall dürfe dem Dienstnehmer bei einer Entgeltzahlung nicht mehr an Beiträgen abgezogen werden, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfalle. Der Dienstgeber dürfe daher bei einer Entgeltzahlung für einen (laufenden) Beitragszeitraum zusätzlich zu dem laufenden Dienstnehmerbeitragsteil nur einen weiteren Beitragsteil zur Abdeckung einer Beitragsnachforderung einbehalten. Aus dem Schutzzweck der Norm ergebe sich allerdings, daß das im § 60 Abs 1 erster Satz ASVG normierte Abzugsrecht uneingeschränkt ausgeübt werden könne, wenn an den Dienstnehmer eine Entgeltzahlung für einen zeitlich zurückliegenden Zeitraum erfolge, sofern nicht (andere) Gründe vorliegen, die das Einbehalten von Dienstnehmerbeiträgen verbieten, wie etwa eine zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer darüber getroffene Vereinbarung. In der Praxis komme es immer wieder zu Entgeltnachzahlungen. In all diesen - vom Dienstgeber vielfach nicht verschuldeten und unvermeidbaren - Fällen sei es mit dem Schutzzweck des § 60 Abs 1 ASVG durchaus vereinbar, daß die auf den gesamten Nachzahlungsbetrag entfallenden Dienstnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge einbehalten werden. Diese Bestimmung habe nicht etwa eine Pönalfunktion; derartige Funktionen kämen den Bestimmungen der §§ 59 Abs 1 und 113 ASVG über die Zahlung von Verzugszinsen und Beitragszuschlägen zu.

Für die Auffassung der Antragsgegnerin spreche auch die im § 61 Abs 1 ASVG getroffene Regelung, wonach der Landeshauptmann (richtig: der Versicherungsträger) bei Säumigkeit des Dienstgebers mit der Beitragsentrichtung anordnen könne, daß die bei diesem Dienstgeber beschäftigten Dienstnehmer ihren Beitragsteil selbst zu entrichten haben. Wenn in einem derartigen Fall an einen Dienstnehmer eine Entgeltnachzahlung zu erfolgen hätte, müßte der Dienstnehmer (und nicht der Dienstgeber) die auf ihn entfallenden Anteile für den gesamten zurückliegenden Zeitraum entrichten. Daraus sei zu folgern, daß ein Dienstgeber, der die Sozialversicherungsbeiträge immer pünktlich entrichtet habe, für den Fall einer Nachzahlung nicht eine Last tragen müsse, die selbst einen säumigen Dienstgeber nicht treffe. Die Antragsgegnerin wäre nach der Auffassung der antragstellenden Partei im Falle einer nachträglichen Entrichtung von Beiträgen nicht berechtigt, die nachträglich festgestellte Beitragslast sukzessive abzudecken. Der Dienstgeber sei jedoch gemäß dem § 60 Abs 1 dritter Satz ASVG selbst im Falle der Notwendigkeit, unverschuldeterweise nachträglich vorgeschriebene Beiträge einfordern zu müssen, berechtigt, bei laufender Lohnzahlung jeweils einen zusätzlichen Beitragsteil, der auf einen Lohnzahlungszeitraum entfalle, vom Entgelt abzuziehen. Auf dieses Recht habe die antragstellende Partei nicht Bedacht genommen.

Die Antragsgegnerin stellte ihrerseits den aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungsantrag.

Die antragstellende Partei beantragte die Abweisung dieses Feststellungsantrages, weil dieser nicht darauf Bedacht nehme, daß die Anwendung des § 60 Abs 1 ASVG die Klärung der - im ASVG nicht geregelten - Entgeltfälligkeit voraussetze. Für das Abzugsrecht des § 60 Abs 1 ASVG für zurückliegende Zeiträume komme es entscheidend darauf an, in welchem Zeitpunkt die Entgeltnachzahlung fällig geworden sei.

Der Oberste Gerichtshof forderte gemäß dem § 54 Abs 3 zweiter Satz ASGG die Ämter aller neun Landesregierungen auf, zu dem Feststellungsantrag der antragstellenden Partei Stellung zu nehmen. Dieser Aufforderung sind mit Ausnahme der Ämter der B*** L*** und der K*** L*** alle übrigen Ämter der Landesregierungen nachgekommen. In allen Schriftsätzen wurde gegen den Feststellungsantrag der antragstellenden Partei Stellung genommen und der Auffassung der Antragsgegnerin beigepflichtet. Das A*** DER T*** L*** schloß sich der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin unter Hinweis auf deren Ausführungen in einer (allerdings einen anders gelagerten Fall betreffenden) Revisionsbeantwortung im Verfahren zu 3 Cr 94/85 des ehemaligen Arbeitsgerichtes Linz (14 Ob 181, 182/86) an.

Das A*** DER N*** L*** erblickte den Sinngehalt der Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG in der Bewahrung des Arbeitnehmers vor der Härte zu großer einmaliger Abzüge. Die Auffassung der antragstellenden Partei hätte zur Folge, daß ein schuldloser Dienstgeber Dienstnehmeranteile tragen müßte, wogegen der Dienstnehmer selbst für den Fall einer von ihm verschuldeten verspäteten Auszahlung einen Vorteil gewänne. Der im Feststellungsantrag verwendete Begriff der "Nachzahlungsmonate" stehe in Widerspruch zu dem im Gesetz enthaltenen Begriff der "Lohnzahlungszeiträume".

Das A*** DER W*** L*** verwies in seiner Stellungnahme auf die vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , Zl. 128/65, vorgenommenen Beschränkung auf eine bloße Wortinterpretation. Der Gerichtshof habe sich jedoch mit dem Sinn der Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG, der im Schutz vor einer übergroßen Belastung des Dienstnehmers durch den Abzug von mehr als zwei Dienstnehmeranteilen von einer Entgeltzahlung bestehe, nicht auseinandergesetzt. Eine Beschränkung des Einbehaltungsrechts des Dienstgebers bei nachträglicher, unverschuldeter Beitragsentrichtung sei nach der Gesetzeslage der Reichsversicherungsordnung unbekannt gewesen. Ein Grund für die Annahme, der Gesetzgeber des ASVG habe den an der Nachentrichtung von Beiträgen schuldlosen Dienstgeber nur auf den Abzug von Beiträgen für zwei Lohnzahlungszeiträume beschränken und die darüber hinausreichenden Beiträge auf den Dienstgeber überwälzen wollen, könne nicht gefunden werden. Aus dem § 61 ASVG ergebe sich, daß auch im Falle der Nachzahlung von Bezügen der Versicherte (Dienstnehmer) unter den Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle alle auf ihn entfallenden Anteile ohne jede Beschränkung für den zurückliegenden Zeitraum zu entrichten habe. Es sei unwahrscheinlich, daß der Gesetzgeber bei der Differenzierung zwischen einer vom Dienstgeber verschuldeten und einer von ihm unverschuldeten verspäteten Beitragsentrichtung nur zwischen der Nachzahlung von einem Monatsbeitrag und der von zwei Monatsbeiträgen unterscheiden hätte wollen. Viel mehr begründet sei die Annahme, der Gesetzgeber habe den Dienstnehmer bei jeder einzelnen Entgeltzahlung vor einer zwei Lohnzahlungszeiträume übersteigenden Beitragslast bewahren wollen.

Infolge der rückwirkenden Anrechnung von Vordienstzeiten komme es ohne Verschulden des Dienstgebers - in den meisten Fällen wegen verspäteter oder ergänzungsbedürftiger Vorlage von Unterlagen durch den Dienstnehmer - zu Nachzahlungen. Die Auffassung der antragstellenden Partei hätte zur Folge, daß der Dienstgeber die zwei Lohnzahlungszeiträume übersteigenden Dienstnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen selbst tragen müßte. Es sei kein Grund ersichtlich, der Bestimmung des § 60 Abs 1 dritter Satz ASVG einen solchen Sinn beizulegen. Eine nachträgliche Entrichtung von Dienstnehmeranteilen nach dem § 60 Abs 1 zweiter und dritter Satz ASVG liege nur dann vor, wenn der Dienstgeber bei einer Entgeltzahlung von seinem Recht auf Abzug des Dienstnehmeranteiles nicht Gebrauch gemacht habe, sondern dies zu einem späteren Zeitpunkt nachhole. Eine nach dem Schutzzweck zu vermeidende übergroße Belastung der Dienstnehmer durch die Entrichtung von Dienstnehmeranteilen trete dann nicht auf, wenn diese Anteile von gleichzeitig ausgezahlten Bezugsnachzahlungen einbehalten werden. Das A*** DER O*** L*** vertrat unter Berufung auf die von ihm zitierte und näher dargelegte Literatur die Auffassung, durch die Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG solle keine Verschiebung der Beitragslast, sondern nur eine Regelung des Abzugsrechtes des Dienstgebers in Form einer "Ratenzahlung" erfolgen. Der Dienstgeber solle nicht daran gehindert werden, die gesamten Dienstnehmerbeiträge vom Arbeitsentgelt abzuziehen. Es wäre unverständlich, würde der Gesetzgeber den Dienstgeber für einen unverschuldeten Umstand dadurch bestrafen, daß er ihm auch die auf den Dienstnehmer entfallenden Beiträge auflastet. Ein derart auszulegendes Gesetz wäre wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig. Der Gesetzgeber könne von dem der gesetzlichen Regelung der Sozialversicherung zugrundeliegenden Ordnungsprinzip der Aufteilung der Beitragslast zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern nur dann abgehen, wenn hiefür sachliche Gründe vorlägen. Eine vom Dienstgeber nicht verschuldete verspätete Entgeltzahlung sei aber kein sachlicher Grund. Der Dienstgeber würde dadurch schlechter gestellt als der Dienstnehmer, weil ihm allein das Risiko einer unverschuldeten verspäteten Beitragszahlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund aufgebürdet würde. In den Fällen einer vom Dienstnehmer verschuldeten Unmöglichkeit des rechtzeitigen Einbehaltens der Dienstnehmerbeiträge wäre eine derartige Auslegung des § 60 Abs 1 ASVG geradezu exzessiv gleichheitswidrig. Der Grundsatz einer im Zweifel gebotenen verfassungskonformen Auslegung führe daher ebenfalls zur fehlenden Berechtigung des Feststellungsantrages. Das A*** DER S*** L*** führte in seinem Schriftsatz aus, die Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG habe den Zweck, den Lohnanspruch vor einer empfindlichen, allenfalls die Existenz des Versicherten gefährdenden Belastung zu schützen. Dieser Schutzzweck treffe auf eine Entgeltnachzahlung nicht zu, weil durch den Abzug der entfallenden Dienstnehmeranteile keine ungebührliche Lohnbelastung und keine Schmälerung eines fortlaufenden Lohneinkommens eintrete. Besonders im Bereich des öffentlichen Dienstrechts könnten Anspruchsberechtigungen oft erst nach längeren Ermittlungsverfahren festgestellt werden. Es könne aber nicht die Absicht des Gesetzgebers sein, in diesen Fällen den Abzug des Dienstnehmeranteils einzuschränken; es müsse nur verhindert werden, daß eine unter Umständen hohe Summe auf einmal abgezogen werde. Das A*** DER S*** L*** vertrat ebenfalls die Auffassung, die Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG sei in dem Sinn zu verstehen, daß der Dienstnehmer nicht durch einmalige Abzüge zu stark belastet werde. Die Auffassung der antragstellenden Partei würde dazu führen, daß der schuldlose Dienstgeber Dienstnehmeranteile sogar dann zu tragen habe, wenn das Verschulden an einer verspäteten Entgeltzahlung den Dienstnehmer treffe.

Schließlich erblickte auch das A*** DER V***

L*** den Schutzzweck des § 60 Abs 1 ASVG in der Vermeidung einer für den Dienstnehmer unzumutbaren Belastung im Falle einer nachträglichen Entrichtung von Dienstnehmeranteilen. Eine solche Gefahr bestehe bei Bezugsnachzahlungen nicht, weil der Abzug der Dienstnehmeranteile in diesen Fällen die laufenden Bezüge nicht schmälere.

Der Oberste Gerichtshof hat auf der Grundlage des behaupteten Sachverhalts (§ 54 Abs 4 erster Satz ASGG) über die Feststellungsanträge erwogen:

Beide Feststellungsanträge haben eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach dem § 50 ASGG zum Gegenstand, die schon ihrem Wesen nach für mindestens drei Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Beiden Feststellungsanträgen liegt (unbeschadet der noch zu erörternden inhaltlichen Unterschiede) im wesentlichen die Frage zugrunde, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, bei verspäteter Entgeltzahlung die gesamten Dienstnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen für den gesamten Nachzahlungszeitraum einzubehalten. Wenn auch diese Frage im § 60 Abs 1 ASVG und daher im Bereich des Sozialversicherungsrechts geregelt ist, so ergeben sich aus der Beantwortung dieser Frage unmittelbare Rückwirkungen auf das Ausmaß der vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu erbringenden Entgeltzahlungen, weil im Falle des Einbehaltens des Dienstnehmeranteils das an den Dienstnehmer auszuzahlende (Netto-)Entgelt niedriger ist als wenn ein Abzug nicht erfolgen darf. Rechtsstreitigeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über das Ausmaß des dem Arbeitnehmer zustehenden Entgelts stehen jedoch im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und sind daher Arbeitsrechtssachen nach dem § 50 Abs 1 Z 1 ASGG. Die allgemeinen Voraussetzungen eines Feststellungsantrages im Sinne des § 54 Abs 2 ASGG sind somit in bezug auf beide Feststellungsanträge erfüllt. Auf das Fehlen von Sachverhaltsbehauptungen im Feststellungsantrag der Antragsgegnerin wird noch eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Beiden Feststellungsanträgen fehlt die Berechtigung.

Zum Feststellungsantrag der antragstellenden Partei:

Der Abzug des Versichertenbeitrages (Dienstnehmeranteiles) an den Sozialversicherungsbeiträgen vom Entgelt wird im § 60 ASVG geregelt. Nach dem Abs 1 dieser Bestimmung ist der Dienstgeber berechtigt, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil vom Entgelt in barem abzuziehen. Dieses Recht muß bei sonstigem Verlust spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrages nächstfolgenden Entgeltzahlung ausgeübt werden, es sei denn, daß die nachträgliche Entrichtung der vollen Beiträge oder eines Teiles dieser vom Dienstgeber nicht verschuldet ist. Im Falle der nachträglichen Entrichtung der Beiträge ohne Verschulden des Dienstgebers dürfen dem Versicherten bei einer Entgeltzahlung nicht mehr Beiträge abgezogen werden, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallen.

Der Gesetzgeber unterscheidet sohin zwischen einer vom Dienstgeber verschuldeten und einer von ihm nicht verschuldeten verspäteten Beitragsentrichtung. Im erstgenannten Fall darf der Dienstgeber das Abzugsrecht bei sonstigem Verlust spätestens im Zuge der auf die Fälligkeit des Beitrages nächstfolgenden Entgeltzahlung ausüben, im zweitgenannten, dem Feststellungsantrag der antragstellenden Partei allein zugrundeliegenden Fall bleibt zwar sein Abzugsrecht bestehen, doch darf dem Dienstnehmer pro Entgeltzahlung nicht mehr an Beiträgen abgezogen werden, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfällt. Diese Regelung wirft unter anderem auch die dem Feststellungsantrag der antragstellenden Partei ausschließlich zugrundeliegende Frage auf, ob der Dienstgeber im Falle einer von ihm nicht verschuldeten nachträglichen Entgeltzahlung die auf den gesamten Nachzahlungszeitraum entfallenden Dienstnehmeranteile oder nur die auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallenden Beitragsanteile vom Nachzahlungsbetrag abziehen darf. Die Fragen einer vom Dienstgeber verschuldeten Beitragsnachentrichtung und einer wenngleich unverschuldeten, aber nicht mit einer Entgeltnachzahlung im Zusammenhang stehenden Beitragsnachentrichtung (der Dienstgeber hat zwar das Arbeitsentgelt an den Dienstnehmer gezahlt, hat aber den Dienstnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen zur Gänze oder zum Teil nicht einbehalten) wurden nicht gestellt und ergeben sich auch nicht aus dem von der antragstellenden Partei behaupteten Sachverhalt.

Der Oberste Gerichtshof hat zu dieser Frage bisher - soweit zu übersehen - nur in der Entscheidung Arb 8418 Stellung genommen. (Der Entscheidung Arb 7376 lag der Fall einer vom Dienstgeber verschuldeten verspäteten Beitragsentrichtung zugrunde; in der Entscheidung 14 Ob 181, 182/86 mußte zu dieser Frage nicht Stellung genommen werden, weil im Hinblick auf die Fälligkeit der damaligen Entgeltnachzahlung eine Überschreitung des für den Abzug zur Verfügung stehenden Lohnzahlungszeitraumes nicht vorlag.) Er vertrat darin die Auffassung, die Bestimmungen des § 60 Abs 1 zweiter und dritter Satz ASVG seien auch in jenen Fällen anzuwenden, in denen die Beitragsnachentrichtung mit der Leistung eines zu niedrigen Entgelts und demzufolge auch mit der Nachzahlung des Differenzbetrages in unmittelbarem Zusammenhang stehe, so daß nur die Beitragsanteile für zwei Lohnzahlungszeiträume und nicht für den gesamten, darüber hinausreichenden Entgeltnachzahlungszeitraum abgezogen werden dürften. Der Oberste Gerichtshof begründete diese Auffassung nicht näher, sondern schloß sich der die gleiche Rechtsfrage behandelnden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 128/65, an. In dieser Entscheidung vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, weder in der Bestimmung des § 60 Abs 1 ASVG noch in den Gesetzesmaterialien seien hinreichende Anhaltspunkte dafür zu finden, daß die in der genannten Gesetzesstelle enthaltene Beschränkung des Abzugsrechtes des Dienstgebers bezüglich der Dienstnehmeranteile auf laufende Entgeltzahlungen und nicht auf einmalige Entgeltnachzahlungen anzuwenden sei. Der Gesetzgeber habe im zweiten und dritten Satz des § 60 Abs 1 ASVG gerade jene Fälle ins Auge gefaßt, in denen Beiträge nachentrichtet werden. Es bestehe daher keine Veranlassung, diese gesetzlichen Regelungen in den Fällen in Zweifel zu ziehen, in denen die nachträgliche Beitragsentrichtung mit der Leistung eines zu niedrigen Entgelts und demzufolge auch mit der Nachzahlung des Entgeltdifferenzbetrages in unmittelbarem Zusammenhang stehe. In der Literatur vertritt Krejci (Das Sozialversicherungsverhältnis, Wien 1977, 152 ff) die Auffassung, eine Änderung der Beitragspflicht des Dienstnehmers durch die Regeln über das Abzugsrecht des Dienstgebers (§ 60 Abs 1 ASVG) sei aus dem Gesetz nicht ableitbar. Das Abzugsrecht erleichtere lediglich die durch die Aufteilung der Beitragslast einerseits und die alleinige Beitragsschuldnerschaft des Dienstgebers andererseits entstandene Problematik, auf welche Art und Weise der Dienstgeber vom Dienstnehmer jene Beträge erhalte, die er für ihn als Beitragsschuldner auch der materiell dem Dienstnehmer auferlegten Beitragspflicht gezahlt habe. Sinn und Zweck der im § 60 Abs 1 ASVG vorgenommenen Einschränkungen des Abzugsrechts erforderten überdies keinerlei Anpassungen der Beitragspflicht des Dienstnehmers. Im Falle einer schuldhaft herbeigeführten Beitragsnachzahlung werde ein Fehlverhalten des Dienstgebers sanktioniert; bei einer - vom Dienstgeber - unverschuldeten Beitragsnachentrichtung solle verhindert werden, daß der Dienstnehmer durch Abzüge des Diecstgebers über Gebühr belastet werde. Die notwendige Beitragsnachentrichtung solle im Wege des Abzugsrechts das Arbeitseinkommen nicht in einem zu hohen Maße schmälern; der Dienstgeber solle vielmehr die nachentrichteten Dienstnehmeranteile auf Raten abziehen. In beiden Fallgruppen stehe aber ausschließlich die Einschränkung bzw. der Verlust der Möglichkeit zur Diskussion, den Dienstnehmerbeitrag ohne Einvernehmen mit dem Dienstnehmer vom Entgelt einbehalten zu dürfen, nicht aber der Anspruch auf Erstattung des für den Dienstnehmer eingezahlten Beitragsanteiles als solcher. Der Ausschluß eines solchen Anspruchs könne aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden. Dieses enthalte vielmehr einerseits eine klare Regelung über die Aufteilung der Beitragslast - der Beitragsschuldnerschaft des Dienstgebers liege nur eine Vereinfachung der Beitragsentrichtung zugrunde - und sehe andererseits im Abzugsrecht eine besonders effektive Möglichkeit der Durchsetzung des Erstattungsanspruchs des Dienstgebers vor. Der Erstattungsanspruch sei Voraussetzung für die Regel des § 60 Abs 2 ASVG. Der Dienstgeber zahle die Dienstnehmeranteile (an den Sozialversicherungsträger) als formell eigene Schuld; sie sei materiell aber eine Schuld des Dienstnehmers.

Schrammel stimmt diesen Auffassungen im wesentlichen zu (Zuwendungen Dritter als beitragspflichtiges Entgelt, in Schrammel, Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung, Wien 1985, 93 ff). Die Bestimmungen des § 60 Abs 1 ASVG verminderten nicht die materielle Beitragslast, sondern räumten dem Dienstgeber lediglich das Recht ein, ohne Einvernehmen mit dem Dienstnehmer Teile des Entgelts einzubehalten. Im Falle einer verspäteten Beitragsentrichtung solle das Arbeitsentgelt nicht ungebührlich geschmälert werden. Die materielle Beitragslast bestehe jedenfalls bei einer vom Dienstgeber nicht verschuldeten nachträglichen Beitragsentrichtung unabhängig vom Lohnabzugsverfahren. Solange das Arbeitsverhältnis bestehe und Entgelt gezahlt werde, könne der Dienstgeber den gesamten auf den Dienstnehmer entfallenden Beitragsteil im Wege des Lohnabzugsverfahrens einbehalten; es sei ihm nur verwehrt, den Dienstnehmeranteil in einem vom laufenden Entgelt abzuziehen. Könne das Lohnabzugsverfahren etwa infolge vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses aus Verschulden des Dienstnehmers nicht mehr durchgeführt werden, wäre es nicht gerechtfertigt, den Dienstgeber nunmehr auch im Innenverhältnis den noch nicht abgezogenen Dienstnehmeranteil tragen zu lassen. Die Regeln über das Lohnabzugsverfahren gewännen nur dann Sinn, wenn man von einem davon unabhängigen Erstattungsanspruch des Dienstgebers ausgehe, durch den die materielle Beitragslast so verteilt werde, wie dies durch den § 60 Abs 1 letzter Satz ASVG intendiert sei. In dieses Konzept passe auch die Bestimmung des § 61 ASVG. Schrank (Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht - Gesamtdarstellung für die Praxis des Arbeitgebers 164) bejaht ebenfalls die Berechtigung des Arbeitgebers, in den Fällen einer von ihm nicht verschuldeten Beitragsnachentrichtung die gesamten Dienstnehmeranteile vom Entgelt einzubehalten. Da das Abzugsrecht des Dienstgebers auf zwei Lohnzahlungszeiträume beschränkt sei, dürfe er den Abzug nur in Raten durchführen.

Der Oberste Gerichtshof vermag nach eingehender Prüfung der Rechtslage die in seiner - oben wiedergegebenen - Entscheidung Arb 8418 im Anschluß an den Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung nicht aufrecht zu erhalten.

Vor dem Inkrafttreten des ASVG bestimmte die für den Bereich der Krankenversicherung geltende Vorschrift des § 395 Abs 1 RVO, daß Abzüge, die für eine Lohnzeit unterblieben sind, nur bei der Lohnzahlung für die nächste Lohnzeit nachgeholt werden dürfen, wenn nicht die Beiträge ohne Verschulden des Arbeitgebers verspätet entrichtet worden sind. Für den Geltungsbereich der Invalidenversicherung waren im § 1433 RVO und für den Geltungsbereich des Angestelltenversicherungsgesetzes in dessen § 183 Abs 3 analoge Bestimmungen vorgesehen. Für die Fälle einer unverschuldeten verspäteten Beitragsnachentrichtung war eine Einschränkung des Abzugsrechts des Dienstgebers, wie dies der Gesetzgeber des ASVG im § 60 Abs 1, zweiter und dritter Satz vorgenommen hat, nicht vorgesehen.

Gegen die Auffassung der antragstellenden Partei, wonach im Falle einer vom Dienstgeber unverschuldeten Entgeltnachzahlung dem Dienstnehmer insgesamt nur die auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallenden Dienstnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen abgezogen werden dürfen, so daß (und das ist die Konsequenz dieser Auffassung) die darüber hinausreichende Beitragsschuld des Dienstnehmers erlösche und der Dienstgeber insoweit der alleinige Beitragsschuldner sei, spricht zunächst, daß eine solche Änderung der Aufteilung der Beitragslast zwischen dem Dienstgeber (Dienstgeberanteil) und dem Dienstnehmer (Dienstnehmeranteil) dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnommen werden kann. Die Bestimmung des § 60 ASVG regelt, wie sich sowohl aus ihrer Überschrift als auch aus ihrem Wortlaut ergibt, den Abzug des Versichertenbeitrages vom Entgelt, also das Abzugsrecht des Dienstgebers hinsichtlich der Dienstnehmeranteile. Hätte der Gesetzgeber für den Fall einer unverschuldeten Entgeltnachzahlung und einer dadurch ausgelösten Beitragsnachentrichtung die grundsätzliche Aufteilung der Beitragslast ändern wollen, hätte er dies im Gesetz sicherlich zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz zum zweiten Satz des § 60 Abs 1 hat der Gesetzgeber im dritten Satz nicht einmal den Verlust des Abzugsrechts angeordnet, der für den Fall einer vom Dienstgeber verschuldeten Beitragsnachentrichtung unter den im zweiten Satz genannten Voraussetzungen ausdrücklich eintritt. Dazu kommt, daß die im dritten Satz normierte Einschränkung des Abzugsrechts des Dienstgebers für "eine Entgeltzahlung" gilt. Dem Dienstnehmer darf daher pro Entgeltzahlung nicht mehr an Beiträgen abgezogen werden, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfällt (Krejci aaO 151). Hiebei sind der laufende Lohnzahlungszeitraum und die hiefür zu entrichtenden Beiträge mitzuzählen, so daß bei jeder (einzelnen) Entgeltzahlung nur der Beitrag für eine rückständige Lohnzahlung abgezogen werden darf (Teschner - Fürböck, ASVG, FN 3 zu § 60; Krejci aaO 152 FN 15; SozSi 1956, 22).

Gegen die Auffassung der antragstellenden Partei spricht ferner die Bestimmung des § 61 ASVG. Danach kann der Versicherungsträger widerruflich anordnen, daß Dienstgeber, die mit der Entrichtung von Beiträgen in Rückstand sind, nur ihren Beitragsteil entrichten. Die von ihnen beschäftigten Versicherten haben ihren Beitragsteil an den Zahltagen selbst zu entrichten. Aus dieser Bestimmung folgt, daß die Beitragsschuld der Dienstnehmer selbst im Falle der Säumigkeit des Dienstgebers auf Grund einer solchen - für die Zukunft wirksamen (Schrammel aaO 94) - Anordnung des Versicherungsträgers ausschließlich vom Dienstnehmer zu erfüllen ist. Das Abzugsrecht des Dienstgebers (§ 60 Abs 1 ASVG) erlischt, so daß auch die Einschränkungsvorschriften des dritten Satzes dieser Bestimmung nicht mehr angewendet werden können. Der Dienstnehmer, der auf Grund einer solchen Anordnung seinen Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen selbst zu entrichten hat, muß auch im Falle einer Entgeltnachzahlung die darauf entfallenden Anteile ohne jede Einschränkung zur Gänze abführen. Es wäre nun nicht einzusehen, daß der Dienstnehmer, der unter Umständen selbst die Entgeltnachzahlung und damit auch die Beitragsnachentrichtung verursacht oder sogar verschuldet hat, im Falle einer Beschränkung des Abzugsrechts des Dienstgebers im Sinne der von der antragstellenden Partei vertretenen Auffassung besser gestellt wäre als jener Dienstnehmer, der auf Grund einer nach dem § 61 ASVG getroffenen Anordnung seine Anteile für den gesamten Nachzahlungsbetrag ungeachtet der "chronischen" Säumigkeit seines Dienstgebers ohne jede Einschränkung zur Gänze selbst entrichten muß.

Aus dem in den §§ 60 und 61 ASVG geregelten Modell der Beitrags(nach)entrichtung läßt sich deutlich die Absicht des Gesetzgebers erkennen, im Falle einer vom Dienstgeber unverschuldeten Beitragsnachentrichtung nicht eine Änderung der Beitragslast und der Beitragsschuldnerschaft herbeizuführen, sondern vielmehr nur das Abzugsrecht derart zu regeln, daß der Dienstnehmer durch die notwendig gewordene Beitragsnachentrichtung auf einmal nicht allzusehr belastet wird. Wenn der Dienstgeber zwar das Entgelt an den Dienstnehmer gezahlt, die Dienstnehmeranteile aber nicht oder nicht im vollen gesetzlichen Ausmaß einbehalten hat, darf er diese Beitragsanteile nur insoweit einbehalten, als sie gemeinsam mit dem auf das laufende Arbeitsentgelt entfallenden Anteil das Ausmaß der Dienstnehmeranteile für zwei Lohnzahlungszeiträume nicht übersteigen. Wenn hingegen der Dienstgeber auch das Entgelt an den Dienstnehmer, ohne daß ihn daran ein Verschulden trifft, nicht gezahlt und die darauf entfallenden Dienstnehmeranteile daher nicht einbehalten hat, darf er bei der Nachzahlung dieses Entgelts die gesamten auf dieses Entgelt entfallenden Dienstnehmeranteile einbehalten. die dem oben erörterten Schutzzweck des § 60 Abs 1 ASVG zuwiderlaufende Gefahr einer im Verhältnis zum laufenden Abzug größeren Belastung besteht nämlich hier nicht, weil der Dienstnehmer das gesamte Arbeitsentgelt für den Nachzahlungszeitraum erhält. Ein zu seinen Ungunsten ausschlagender Unterschied in der durch die Abzüge der Beiträge herbeigeführten Belastung entsteht nicht, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen auf ihn die gleichen sind wie beim laufenden Abzug der Dienstnehmeranteile vom laufenden Entgelt. Da somit eine Beschränkung der Antragsgegnerin im Sinne des dritten Satzes des § 60 Abs 1 ASVG im Falle einer von ihr nicht verschuldeten Entgeltnachzahlung nicht besteht, fehlt dem auf die Feststellung einer derartigen Beschränkung gerichteten Antrag der antragstellenden Partei die Berechtigung.

Zum Antrag der Antragsgegnerin:

Der aus dem Spruch ersichtliche Feststellungsantrag der Antragsgegnerin erschöpft sich nicht in der Negation des Feststellungsantrages der antragstellenden Partei; sein Inhalt reicht über diesen Antrag insoweit hinaus, als die Feststellung des Rechtes der Antragsgegnerin begehrt wird, in jedem Fall einer Entgeltzahlung, demnach auch im Falle einer Entgeltnachzahlung, den Dienstnehmeranteil abzuziehen und an den Sozialversicherungsträger abzuführen. Dieser Antrag erstreckt sich daher (abweichend vom Feststellungsantrag der antragstellenden Partei) auch auf den Fall, daß den Dienstgeber an der Beitragsnachentrichtung ein Verschulden trifft. Abgesehen davon, daß es die Antragsgegnerin unterlassen hat, einen - von namentlich bestimmten Personen unabhängigen - Sachverhalt zu behaupten, auf dessen Grundlage der Oberste Gerichtshof aber zu entscheiden hat (§ 54 Abs 4 erster Satz ASGG), fehlt dem Feststellungsantrag auch deshalb die Berechtigung, weil das Abzugsrecht des Dienstgebers von der Frage seines etwaigen Verschuldens abhängig ist. Trifft ihn nämlich an der verspäteten Beitragsentrichtung (Entgeltnachzahlung) ein Verschulden, darf der Dienstgeber sein Abzugsrecht bei sonstigem Verlust nur spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrages nächstfolgenden Entgeltzahlung ausüben. Da die Antragsgegnerin auf den Fall eines solchen Verschuldens in ihrem Antrag nicht Bedacht genommen, sondern die Feststellung eines mit dem Gesetz insoweit nicht übereinstimmenden Abzugsrechtes ohne jede Einschränkung begehrt hat, mußte der Feststellungsantrag abgewiesen werden. Aus diesem Grund erübrigte sich die Erteilung eines Verbesserungsauftrages in bezug auf die fehlenden Sachverhaltsbehauptungen.