OGH vom 03.10.2006, 10ObS158/06t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf aus dem Kreis der Arbeitgeber und Rudolf Schallhofer aus dem Kreis der Arbeitnehmer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Pfarrcaritas A*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuschuss nach Entgeltfortzahlung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 50/06v-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 24 Cgs 56/05a-7, mit Maßgabe bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 147,07 (darin EUR 24,51 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die klagende Pfarrcaritas betreibt (als Körperschaft öffentlichen Rechts) einen Kindergarten. Dort ist die bei der beklagten Unfallversicherung versicherte Michaela S***** als Dienstnehmerin beschäftigt; von bis war sie jedoch krankheitsbedingt arbeitsverhindert. Die Klägerin leistete Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG.
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG für die Arbeitsverhinderung der genannten Dienstnehmerin mit der Begründung ab, dass kein „Unternehmen" im Sinn des § 53b ASVG gegeben sei.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin gemäß § 53b Abs 1 ASVG für ihre Dienstnehmerin aufgrund deren Arbeitsverhinderung „einen Zuschuss zur Entgeltfortzahlung" binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen, ohne hiefür einen Betrag ziffernmäßig festzusetzen.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass das Klagebegehren, wonach die beklagte Partei schuldig sei, der Klägerin für die Arbeitsverhinderung ihrer Dienstnehmerin Michaela S***** für die Zeit von bis zu gewähren, „dem Grunde nach zu Recht" bestehe, und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Gesetzeswortlaut biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts, sofern sie Dienstgeber seien, von der Zuschussregelung ausgenommen sein sollten. Die Klägerin besorge als Körperschaft öffentlichen Rechts einer gesetzlich anerkannten Kirche und Religionsgemeinschaft keinerlei staatliche Aufgaben und sei daher eine Körperschaft öffentlichen Rechts sui generis. Dies spiele aber für die Frage der Zuschussberechtigung [ohnehin] keine Rolle, da nach dem Gesetzeswortlaut selbst Körperschaften öffentlichen Recht mit Hoheitsfunktionen in die Zuschussregelung fielen, sofern sie Dienstgebereigenschaft im Sinn des ASVG hätten (10 ObS 86/06d). Auch wenn im Sozialversicherungsrecht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung nicht gelte, habe bei der strittigen Zuschussregelung der Gesetzgeber eine Abgrenzung lediglich in Bezug auf eine bestimmte Arbeitnehmeranzahl vorgenommen und damit zum Ausdruck gebracht, dass sämtliche Arbeitgeber, die diese Größe nicht überschritten, in den Genuss des Entgeltfortzahlungszuschusses kommen sollen.
Rechtliche Beurteilung
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Frage, ob eine Einrichtung der katholischen Kirche, die im staatlichen Bereich die Rechtspersönlichkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts genieße, zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 53b ASVG gehöre, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klageabweisenden Sinn. Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass Streitigkeiten über Zuschüsse gemäß § 53b ASVG Leistungssachen sind, die im Weg der sukzessiven Kompetenz den Arbeits- und Sozialgerichten zur Beurteilung zugewiesen sind (10 ObS 58/06m uva; zuletzt: 10 ObS 138/06a). Dass die Klägerin als Dienstnehmerin iSd § 53b ASVG zu qualifizieren ist und dass sie als solche weniger als 51 Dienstnehmer beschäftigt, zieht die Revision ausdrücklich nicht in Zweifel. Auch die Revisionswerberin beruft sich zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels ausschließlich darauf, dass der vom Berufungsgericht angesprochenen Frage, ob eine Einrichtung der katholischen Kirche, die im staatlichen Bereich die Rechtspersönlichkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts genieße, nach § 53b ASVG anspruchsberechtigt sei, über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seinen Entscheidungen 10 ObS 86/06d, 10 ObS 98/06v, 10 ObS 127/06h und (zuletzt:) 10 ObS 138/06v näher ausgeführt hat, soll in § 53b ASVG zum Ausdruck gebracht werden, dass der Dienstgeber ein Unternehmen führt, in dem weniger als 51 Dienstnehmer beschäftigt werden. § 53b wurde nach den Gesetzesmaterialien mit der Intention, eine Begünstigung von Klein- und Mittelunternehmen vorzusehen, in das ASVG eingefügt. Der „KMU-Begriff" des § 53b ASVG orientiert sich somit an der Dienstnehmerzahl des jeweiligen Dienstgebers in seinem Unternehmen. Für eine weitergehende Einschränkung der Anspruchsberechtigung - zB für eine Herausnahme von Gebietskörperschaften (oder sonstige Körperschaften öffentlichen Rechts) als Dienstgebern - bietet der Gesetzeswortlaut keinen Anhaltspunkt (RIS-Justiz RS0120891). In den zitierten Entscheidungen - insbesondere in den beiden zuletzt ergangenen - ist der Senat auf die von der beklagten Partei auch im vorliegenden Rechtsmittel aus der Verwendung des Wortes „Unternehmen" abgeleiteten Argumente, die angeblich für eine restriktive Auslegung im Sinne eines „engen Unternehmensbegriffs" (und damit „generell" dagegen, dass der Betrieb einer Kirche oder Gemeinde bzw sonstiger Körperschaften öffentlichen Rechts dem Unternehmensbegriff des § 53b ASVG unterfallen) sprechen sollen, im Einzelnen eingegangen:
Nach der diesbezüglichen Beurteilung steht die Ansicht der beklagten Partei, juristische Personen des öffentlichen Rechtes - und damit auch Kirchen und Religionsgemeinschaften, die als Körperschaften öffentlichen Rechtes anerkannt sind - seien generell vom Anwendungsbereich des § 53b ASVG ausgenommen, weil die Verfolgung gewerblicher oder wirtschaftlicher Belange im Gegensatz zu einem privatrechtlichen Unternehmen nicht im Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten stehe, aber im Widerspruch zu dem [dort näher] referierten weiten Verständnis des Begriffes „Unternehmen" (10 ObS 138/06a mwN). Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die vorliegende Revision daher - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) - nicht zulässig. Es entspricht nämlich der Rechtsprechung des Senates, dass eine Körperschaft öffentlichen Rechts, eine katholische Pfarre oder ein Frauenorden, der ein Mädchenheim führt, ebenfalls zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 53b ASVG gehören (10 ObS 98/06v und 10 ObS 138/06a).
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Die Bemessungsgrundlage beträgt EUR 161,07. In der Revisionsbeantwortung des Klägers wurde auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.