OGH vom 24.05.2016, 8Ob111/15d

OGH vom 24.05.2016, 8Ob111/15d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. U***** F*****, vertreten durch Mag. Markus Adam, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J***** H*****, vertreten durch Dr. Werner Heißig, Rechtsanwalt in Wien, 2. Verlassenschaft nach T***** H*****, vertreten durch die erbserklärte Erbin E***** T*****, diese vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederherstellung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 36 R 7/15v 17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 8 C 731/13h 9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, der Erstbeklagte und die Vertreterin der zweitbeklagten Verlassenschaft sind Geschwister. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die uneingeschränkte Wiederherstellung eines gepflasterten Servitutswegs, der von der im Miteigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft zu jener der Klägerin führt, sowie die Unterlassung künftiger Störungen.

Der Erstbeklagte hatte im Zuge der Verlegung von Leitungen den bisherigen Plattenweg abgebrochen und eigenmächtig auf einen anderen Bereich der Liegenschaft der Beklagten verlegt. Die Zweitbeklagte hatte diesen Aktivitäten des Erstbeklagten nicht zugestimmt und keinen eigenen Beitrag dazu geleistet. Auch im erstinstanzlichen Verfahren hat die Vertreterin der Zweitbeklagten erklärt, mit dem Verhalten des Erstbeklagten nicht einverstanden zu sein.

Das Erstgericht gab dem gegen den Erstbeklagten gerichteten Klagebegehren überwiegend statt und wies es gegenüber der Zweitbeklagten zur Gänze ab.

Die Zweitbeklagte (gemeint offenbar: die erklärte Erbin) habe im Gegensatz zum Erstbeklagten in das Servitutsrecht der Klägerin nicht eingegriffen. Der Umstand, dass sie zu 15/100 Miteigentümerin der Liegenschaft sei, rechtfertige es noch nicht, sie „mit einer Klage zu überziehen“.

Das Berufungsgericht gab den Rechtsmitteln der Klägerin und des Erstbeklagten keine Folge.

Bei einer auf die Abwehr von Eingriffen in das Servitutsrecht gerichteten Klage sei grundsätzlich jeder, auch ein Dritter, passiv legitimiert, der den Dienstbarkeitsberechtigten an der Ausübung seines Rechts hindere oder ihn darin störe. Das Klagebegehren sei nicht auf die Feststellung einer bestrittenen Dienstbarkeit oder deren Einverleibung gerichtet, sondern lediglich auf die Beseitigung einer Störung und Unterlassung künftiger Zuwiderhandlung. In einem solchen Fall seien die Miteigentümer der dienenden Liegenschaft keine einheitliche Streitpartei und keine notwendigen Streitgenossen. Da die Zweitbeklagte an dem Eingriff in das Servitutsrecht der Klägerin nicht beteiligt gewesen sei und auch nicht fest stehe, dass sie die vom Erstbeklagten ausgehende Störung verhindern hätte können, habe das Erstgericht das gegen sie gerichtete Klagebegehren zu Recht abgewiesen.

Über Antrag der Klägerin erklärte das Berufungsgericht (unter dislozierter Nachholung des Bewertungsausspruchs mit über 5.000 EUR, aber weniger als 30.000 EUR) die ordentliche Revision gemäß § 508 ZPO für zulässig. Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob ein Wiederherstellungsbegehren des in seinen Rechten verletzten Servitutsberechtigten auch gegen einen Miteigentümer des dienenden Grundstücks allein gerichtet werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die nur mehr gegen die Abweisung des Klagebegehrens gegenüber der Zweitbeklagten gerichtete Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Bereits in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 4 Ob 245/00h (RIS-Justiz RS0114280) hat der Oberste Gerichtshof unter Verweis auf einhellige Rechtsprechung und Lehre festgehalten, dass die konfessorische Klage als Feststellungsklage sowie als Klage auf Einverleibung nur gegen alle Eigentümer des angeblich dienstbaren Grundstücks erhoben werden kann, als Leistungsklage hingegen (mit den – wahlweise oder kumulativ gestellten – Begehren auf Beseitigung der Beeinträchtigung, Unterlassung künftiger Störungen und Ersatz des verursachten Schadens) auch gegen dritte Störer oder – wenn die Beeinträchtigung nur von diesem ausgeht – gegen einen einzelnen Miteigentümer der dienenden Liegenschaft. Es trifft daher nicht zu, dass die genannte Entscheidung sich ausschließlich auf Unterlassungsansprüche bezogen habe. Ebenso wurde in der Entscheidung 1 Ob 191/09h die alleinige Passivlegitimation des tatsächlichen Störers (dort: eines Vorerben) für ein auf Wiederherstellung der ungestörten Benützbarkeit des Servitutswegs gerichtetes Leistungsbegehren bejaht.

Der die Ausübung der Servitut Störende ist, egal ob Miteigentümer oder Dritter, für die auf Unterlassung und Wiederherstellung des Servitutswegs gerichtete Klage dann allein passiv legitimiert, wenn das Ergebnis der Entscheidung nicht rechtlich zwingend gegen beide Beklagte gleich lauten muss und eine divergierende Entscheidung nicht zu unlösbaren rechtlichen Verwicklungen führen würde.

Diese Voraussetzungen haben die Vorinstanzen hier aber zu Recht bejaht.

Gemäß § 482 ABGB ist der Eigentümer der dienstbaren Sache in der Regel nicht verpflichtet, selbst etwas zu tun, sondern nur, die unbehinderte Ausübung der Dienstbarkeit durch den Berechtigten zu dulden. Eine von dieser dispositiven Gesetzeslage abweichende vertragliche Regelung wurde im Verfahren nicht behauptet.

Aus dem bloßen Miteigentum der Zweitbeklagten an der dienenden Liegenschaft kann die von der Klägerin begehrte Leistungspflicht daher nicht abgeleitet werden. Soweit die Revision argumentiert, die Zweitbeklagte sei als mittelbare Störerin passiv legitimiert, weil sie dem Handeln des Erstbeklagten nicht entgegengewirkt habe, setzt sie sich über die bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen hinweg. Fest steht, dass die Zweitbeklagte (genauer: die Vertreterin der ruhenden Verlassenschaft, die nicht auf der dienenden Liegenschaft wohnt) erst nachträglich von der eigenmächtigen Verlegung des Servitutswegs durch den Erstbeklagten Kenntnis erlangt hat. Es bleibt daher unverständlich, wie sie die Störung nach Ansicht der Klägerin vorhersehen und ihr entgegentreten hätte können.

Der Erstbeklagte ist als unmittelbarer Störer rechtskräftig zur Unterlassung und zum Schadenersatz durch Naturalrestitution in Form der Wiedererrichtung des Wegs verpflichtet. Für eine allfällige exekutive Durchsetzung dieser Verpflichtung ist es aber nicht erforderlich, dass die Klägerin einen gleichlautenden Titel auch gegen die Zweitbeklagte erwirkt. Es wird vielmehr Sache des Erstbeklagten sein, im Innenverhältnis zur Miteigentümerin die Voraussetzungen für die Erfüllung des Urteils zu schaffen.

Soweit die Revision mit der Möglichkeit argumentiert, dass sich die Beklagte der Wiedererrichtung des Wegs entgegen ihren aus der Servitut entspringenden Pflichten widersetzen könnte, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot. Davon abgesehen könnte eine solche Befürchtung, sofern begründet, allenfalls ein auf Duldung der Wiedererrichtung lautendes Klagebegehren rechtfertigen, aber nicht das erhobene Leistungs- und Unterlassungsbegehren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00111.15D.0524.000