OGH vom 19.01.2016, 10ObS157/15h

OGH vom 19.01.2016, 10ObS157/15h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Parteien 1. C*****, und 2. B*****, beide *****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter Straße 65, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag.Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, über die Revision der zweitklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 79/15a 63, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 46 Cgs 111/11m, 46 Cgs 112/11h 58, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das als ordentliche Revision zu behandelnde Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die zweitklagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht sprach der Zweitklägerin für die Folgen des Arbeitsunfalls vom eine 50%ige Versehrtenrente für den Zeitraum vom bis und eine 40%ige Versehrtenrente seit jeweils in der gesetzlichen Höhe zu.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Zweitklägerin auch eine Zusatzrente für Schwerversehrte im Ausmaß von 20 % für den Zeitraum bis zu gewähren. Es ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob im Fall des Vorliegens einer verminderten Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens 50 vH neben der Versehrtenrente auch die Zusatzrente für Schwerversehrte (§ 205a ASVG) zum Grund des Anspruchs gehöre.

In ihrem als „außerordentliche Revision“ bezeichneten, jedoch nach dem Ausspruch des Berufungsgerichts als ordentliche Revision zu behandelnden Rechtsmittel (RIS Justiz RS0036258) beantragt die Zweitklägerin wegen (ausschließlich) geltend gemachter Verfahrensmängel die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

1. Se lbst wenn das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS Justiz RS0102059).

2.1 Auch in Sozialrechtssachen können angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0043061). Dies betrifft hier insbesondere den Vorwurf des Verstoßes gegen die Pflicht zur amtswegigen Beweisaufnahme nach § 87 Abs 1 ASGG (RIS Justiz RS0043061 [T10]). Das Berufungsgericht hat sich mit der diesbezüglichen Mängelrüge inhaltlich auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, warum es die behaupteten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens als nicht gegeben erachtet. Ob ein behaupteter Verfahrensmangel vom Berufungsgericht zu Recht verneint wurde, ist vom Revisionsgericht auch in Sozialrechtssachen nicht mehr zu prüfen. Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei mangelhaft geblieben (10 ObS 54/14k mwN). Dass tragende Grundsätze des Verfahrensrechts (wie etwa der Unmittelbarkeitsgrundsatz) missachtet worden wären, zeigt die Revisionswerberin nicht auf (RIS Justiz RS0041365).

2.2 Der Oberste Gerichtshof ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig (RIS Justiz RS0123663), eine Unrichtigkeit der Beweiswürdigung kann nicht mit Revision geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0069246). Ein Sachverständigengutachten ist in dritter Instanz nur bei einem Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen Gesetze des sprachlichen Ausdrucks bekämpfbar (RIS Justiz RS0043404). Derartige Verstöße macht die Revisionswerberin nicht geltend. Ob weitere Gutachten einzuholen gewesen wären, ist eine Frage der nicht revisiblen Beweiswürdigung (RIS Justiz RS0043414).

3. Die Revision war daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen,

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Zweitklägerin, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00157.15H.0119.000