OGH vom 16.02.2021, 11Os13/21b (11Os14/21z, 11Os15/21x, 11Os16/21v)

OGH vom 16.02.2021, 11Os13/21b (11Os14/21z, 11Os15/21x, 11Os16/21v)

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in der Strafsache gegen Manuel L***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, AZ 72 Hv 134/20s des Landesgerichts Klagenfurt, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom , AZ 9 Bs 6/21g (ON 44 der HvAkten), sowie gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. Oktober, 14. Oktober und (ON 14, 19 und 40 der HvAkten) nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGHGeo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

Manuel L***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz wendet, abgewiesen, im Übrigen zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Das Landesgericht Klagenfurt verhängte mit Beschluss vom (ON 14) über Manuel L***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Verdunkelungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 StPO sowie der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b, lit c StPO und setzte diese nach Durchführung einer Haftverhandlung mit Beschluss vom aus denselben Haftgründen fort (ON 19). Der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde des Angeklagten gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom , AZ 9 Bs 359/20t (ON 29), nicht Folge. Mit Beschluss vom (ON 40) wurde die Untersuchungshaft erneut (aus [nur mehr] dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b, lit c StPO) fortgesetzt.

[2] Mit Entscheidung vom wies das Oberlandesgericht Graz den gegen die Anklageschrift vom (ON 34) erhobenen Einspruch ab, gab am selben Tag der Beschwerde des Angeklagten (ON 41) gegen den Haftfortsetzungsbeschluss vom nicht Folge und setzte iSd § 214 Abs 3 StPO die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b, lit c StPO fort.

[3] Dabei ging das Oberlandesgericht – im Übrigen in Übereinstimmung mit der zur gleichen Zeit rechtswirksam gewordenen Anklageschrift – vom dringenden Verdacht (§ 173 Abs 1 erster Satz StPO) aus (s BS 6), L***** habe von Anfang 2020 bis Ende August 2020 in K***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem anderen überlassen, indem er zumindest 1.180 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 31,9 %, somit einer Reinsubstanz von 376,42 Gramm Kokainbase, gewinnbringend an Christoph F***** verkaufte, wobei sein Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war sowie den daran geknüpften Additionseffekt, die Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und die Überschreitung der fünfzehnfachen Grenzmenge mitumfasste.

[4] In rechtlicher Hinsicht bejahte das Oberlandesgericht den dringenden Verdacht des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die (fristgerecht erhobene) Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten.

[6] 1./ Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren kann die Begründung des dringenden Tatverdachts (nur) in sinngemäßer Anwendung des § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO bekämpft werden (RIS-Justiz RS0110146). Analoge Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO kommt dagegen nicht in Betracht, womit infolge Subsidiarität zur Verfahrensrüge (Z 4) auch eine Aufklärungsrüge analog der Z 5a ausscheidet (RIS-Justiz RS0122321).

[7] Indem die Beschwerde den Tatsachenannahmen des Beschwerdegerichts (ohne gebotene Auseinandersetzung mit dessen Argumentation in ihrer Gesamtheit [BS 6 bis 8; RIS-Justiz RS0116504, RS0119370]) nur eigene Erwägungen zur Glaubwürdigkeit des F***** und zur – ihrer Ansicht nach gänzlich fehlenden – Beweistauglichkeit der Angaben der Zeugen Jasmin H*****, Marc K*****, Tanja P***** und Marina R***** entgegenhält (RIS-Justiz RS0112012), das Unterbleiben einer Gegenüberstellung des Beschwerdeführers mit dem Zeugen K***** kritisiert sowie das Fehlen diverser der Anklage zugrunde gelegter Beweismittel (so etwa weiterer Vernehmungsprotokolle der Zeugen F***** und H***** sowie des Aktes AZ 80 Hv 138/20p des Landesgerichts Klagenfurt) behauptet, verlässt sie diesen Anfechtungsrahmen. Schließlich hat das Beschwerdegericht neben den Aussagen der genannten Zeugen und deren Glaubhaftigkeit, der Sicherstellung von Suchtgiftverpackungsmaterial mit Kokainanhaftungen sowie eines höheren Bargeldbetrags in „szenetypischer Stückelung“ in der Wohnung des Angeklagten auch den laut Beschwerde „ganz besonders auffallenden“ Umstand, wonach die Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten keine (weiteren) belastenden Umstände zutage gefördert habe, berücksichtigt; zu letzterem führte es insoweit formal einwandfrei aus, dass dies für sich in concreto nichts am bestehenden dringenden Tatverdacht ändert (BS 7 f).

[8] Der Erörterung der weiteren, gegen die Annahme von Tatbegehungsgefahr gerichteten Beschwerde ist voranzustellen, dass eine unrichtige Beurteilung eines Haftgrundes nur dann vorliegt, wenn die Prognose willkürlich getroffen wurde, also mit anderen Worten unvertretbar war (RIS-Justiz RS0117806).

[9] Ausgehend von diesen Kriterien erweisen sich die Erwägungen des Oberlandesgerichts (BS 8), wonach Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b, lit c StPO
– trotz der an sich guten finanziellen Lage des Angeklagten – mit Blick auf dessen drei einschlägige Vorstrafen, das inkriminierte Überlassen von Suchtgift in einer insgesamt die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge über einen langen Zeitraum in einer Vielzahl von Angriffen (wöchentliche Übergaben) sowie den (solcherart zu finanzierenden) „extravaganten Lebensstil“ des Beschwerdeführers anzunehmen sei, als einwandfrei. Dass bei dieser Prognose einzelne aus Sicht des Beschwerdeführers allenfalls erörterungsbedürftige Umstände nicht in der von ihm gewünschten Weise gewichtet wurden, kann nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden (RIS-Justiz RS0117806 [T11]).

[10] Das Vorbringen der Grundrechtsbeschwerde, dass die bisherige Dauer der Untersuchungshaft von „vier“ Monaten ausreichend „erzieherische Wirkung“ dahin entfaltet habe, dass der Angeklagte „gleichartige Taten wie die zur Anklage gebrachten […] nicht mehr begehen“ werde, und daher die Untersuchungshaft zu beenden sei, ist mit Blick auf die insoweit mangelnde Ausschöpfung des (horizontalen) Instanzenzugs (vgl RIS-Justiz RS0114487) unbeachtlich.

[11] Der Angeklagte wurde daher – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts richtet, abzuweisen war.

[12] 2./ Insofern sich die Grundrechtsbeschwerde explizit auch gegen die (erstinstanzlichen) Beschlüsse des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. Oktober, 14. Oktober und (ON 14, 19 und 40) wendet, war sie als unzulässig zurückzuweisen, weil Gegenstand des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens allein die im Instanzenzug vorgesehene Entscheidung des Oberlandesgerichts ist (§ 1 Abs 1 GRBG; RIS-Justiz RS0061031 [T3]; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 46 f).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00013.21B.0216.000

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