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OGH vom 16.11.2005, 8ObA140/04b

OGH vom 16.11.2005, 8ObA140/04b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Thomas Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Mohamed J*****, 2. Okay G*****, 3. Hasan B*****, 4. Gerald H*****, 5. Manfred O*****, 6. Sükran K*****, 7. Franz M*****, 8. Nakil B*****, 9. Hannes K*****, 10. Jürgen M*****, 11. Anton S 12. Dietmar S 13. Sascha W*****, 14. Aynur S 15. Elena P*****, 16. Egon S 17. Mehmet Y*****, 18. Dejan P*****, 19. Andreas M*****, 20. Wolfgang S 21. Franz S 22. Herbert W*****, 23. Harald K*****, 24. Ognen S*****, und 25. Jovica V*****, alle vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Minichmayr ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen zu 1. 2.530 EUR brutto, zu 2. 2.660,57 EUR brutto, zu 3. 9.340,43 EUR brutto, zu 4. 4.237,69 EUR brutto und Feststellung, zu 5. 8.679,12 EUR brutto abzüglich 2.000 EUR netto und Feststellung, zu 6. 4.943,61 EUR brutto, zu 7. 9.665,68 EUR brutto, zu 8. 2.208,02 EUR brutto und Feststellung, zu 9. 2.707,53 EUR brutto und Feststellung, zu 10. 2.859,15 EUR brutto, zu 11. 6.425,14 EUR brutto, zu 12. 3.799 EUR und Feststellung, zu 13. 8.750,32 EUR brutto und 1.884,38 netto und Feststellung, zu 14. 3.438,32 EUR brutto, zu 15. 2.791,49 EUR brutto, zu 16. 3.088,49 EUR brutto, zu 17. 2.110,40 EUR brutto und Feststellung, zu 18. 2.025,06 EUR brutto, zu 19. 6.213,58 EUR brutto, zu 20. 2.851,36 EUR brutto, zu 21. 35.705,11 EUR brutto, zu 22. 3.030,65 EUR brutto und Feststellung, zu 23. 7.188,75 EUR brutto, zu 24. 5.291,83 EUR brutto und zu 25. 5.175,21 EUR brutto und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 11 Ra 94/04d-39, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Wels vom , GZ 32 Cga 14/03g-30, hinsichtlich erst- bis sechzehntklagenden Partei sowie der achtzehn- bis fünfundzwanzigstklagenden Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Handelt es sich um den Übergang eines Betriebes oder Betriebsteiles im Sinne Art 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen oder Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen vom ,

wenn ohne abgrenzbare Organisationsstruktur beim ersten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen im Zusammenwirken zwischen zwei Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen von dem ersten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen eine Büroangestellte, ein Filialleiter sowie Kundenbetreuer und der Geschäftsführer in das zweite Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen überwechseln und dort vergleichbare Tätigkeiten ausüben und mit ihnen ebenfalls im Zusammenwirken der beiden Unternehmen etwa ein Drittel der verliehenen Arbeitnehmer samt der dazugehörigen Kunden (mit unterschiedlichen Auftragsgrößen von drei verliehenen Arbeitnehmern bis fünfzig verliehenen Arbeitnehmern) teilweise bzw zur Gänze überwechseln.

II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften iSd § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung:

I. Sachverhalt:

Bereits seit dem Jahre 1976 bestand ein Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen, das zuletzt vom nunmehrigen gewerberechtlichen Geschäftsführer der beklagten Partei als Geschäftsführer geleitet wurde. Dieser ist mit der Geschäftsführerin der Beklagten verheiratet, die ebenfalls in diesem erstgenannten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen zu Bürotätigkeiten angestellt war. Über Wunsch eines der Hauptkunden dieses alten Unternehmens erarbeitete sie im Jahr 2001 ein industriebezogenes Konzept, wobei sie dabei auch von ihrem Ehegatten unterstützt wurde. Die finanziellen Schwierigkeiten des alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens waren bereits bekannt. Als das neue Konzept Zustimmung des Kunden fand, kamen die Ehegatten im Zusammenwirken mit diesem Kunden auch überein, dieses Konzept über ein neu zugründendes Unternehmen auszuführen, da im alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen Änderungen der Struktur nur schwer möglich waren. Dieses neue Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen - die beklagte Partei - wurde Anfang 2002 gegründet und die Ehegatten übernahmen die Funktion des gewerberechtlich bzw des handelsrechtlichen Geschäftsführers, fällen aber Entscheidungen einvernehmlich. Wegen des Bedarfs des genannten Hauptkunden wiesen sie den dafür zuständigen Filialleiter des alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens an, vierzig der an diesen Hauptkunden verliehenen Arbeitnehmer auf einen ehestmöglichen Wechsel zur Beklagten anzusprechen, was auch erfolgte. Eine Änderung der Tätigkeit der Arbeitnehmer bei dem Kunden trat dabei nicht ein. Es wurden nur die Beschäftigungsverhältnisse zum alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen mit beendet und mit bei der Beklagten begründet. Auch weitere Kunden wurden so übernommen, wobei die Anzahl der Arbeitnehmer teilweise nur drei oder vier, teilweise aber auch neun Arbeiter umfasste. Auch ein Filialleiter sowie Kundenbetreuer wechselte zur Beklagten. Insgesamt hat die Beklagte etwa ein Drittel der beim alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer noch vor der Eröffnung des Konkurses des alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen übernommen, darunter auch die klagenden Parteien.

II. Zum Vorbringen der Parteien:

Die klagenden Parteien begehren von der Beklagten die Zahlung von offenen Entgeltansprüchen gegenüber dem alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen, die dieses nicht mehr befriedigt hat. Einige begehren auch die Feststellung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses für die Berechnung ihrer Ansprüche. Sie stützen dies zusammengefasst darauf, dass es sich um einen Betriebsübergang handle und dementsprechend die Beklagte als „Betriebsübernehmer" auch für die alten Ansprüche hafte und die alten Dienstzeiten mit zu berücksichtigen habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass gar kein Betriebsübergang vorliege und sie keine vertraglichen Vereinbarungen mit dem alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen getroffen habe. Der Wechsel der Kläger zu ihrem Unternehmen sei in der Branche der Arbeitskräfteüberlasser in üblicher Art und Weise erfolgt. Ein abgrenzbarer Betrieb oder „Betriebsteil", den die Beklagte übernommen habe, liege nicht vor.

III. Der bisherige Verfahrensverlauf:

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren dem Grunde nach statt. Es ging davon aus, dass das Vorliegen eines Betriebsübergangs nach § 3 Abs 1 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes zu bejahen sei und die Beklagte dementsprechend für die offenen Ansprüche hafte und die bisherigen Dienstzeiten mit zu berücksichtigen habe. Es handle sich um einen Betriebsteilübergang, bei dem die Beklagte wesentliche Kunden übernommen habe und die Arbeitnehmer ohne wesentliche Unterbrechung eine ähnliche Tätigkeit fortgesetzt hätten und teilweise sogar die selben Büroräumlichkeiten benützt worden seien.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Zweck des § 3 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, aber auch der Richtlinie 77/187/EWG sei es, die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnis unabhängig von einem Inhaberwechsel zu gewährleisten, indem dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt werde, sein Arbeitsverhältnis mit dem neuen Inhaber zu den gleichen Bedingungen fortzusetzen. Insgesamt seien 60 Arbeitnehmer von der früheren Arbeitskräfteüberlassungsgesellschaft zur beklagten Gesellschaft gewechselt und hätten ihre Tätigkeit ohne Unterbrechung und ohne Änderung beim bisherigen Beschäftiger weiterverrichtet, wobei auch diese Kunden im Wesentlichen zur Beklagten gewechselt seien. Durch das Einstellen von Teilen der Belegschaft und den Eintritt in die Kundenbeziehung seien die wesentlichen Kriterien für das Vorliegen eines Betriebsübergangs erfüllt. Es sei vom Vorliegen eines Betriebsteiles auszugehen. Sei doch einer der wesentlichsten Kunden, bei dem fünfzig der früher insgesamt hundertachtzig beim alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer tätig gewesen seien, mit der überwiegenden Anzahl der dort beschäftigten Leiharbeitnehmer zur Beklagten gewechselt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht im Hinblick auf die Bedeutung der Frage, ob der Wechsel von mehreren Dienstnehmern im Arbeitskräfteüberlassungsgewerbe bei gleichzeitigem Wechsel des Beschäftigerbetriebes einen Betriebsteilübergang darstelle, als zulässig.

IV. Das dem Obersten Gerichtshof vorgelegte Rechtsmittel:

Die von der Beklagten erhobenen Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Die Beklagte releviert vor allem, dass kein Betriebsteilübergang vorliege, jedenfalls nicht erörtert sei, ob die konkreten Kläger davon umfasst seien. Es fehle an einer Umschreibung des „Betriebsteiles ". Es könne nur eine Haftung für Dienstnehmer vorliegen, die in einem „Betriebsteil" übergegangen seien. Der einzelne Leiharbeitnehmer könne nicht als „Betriebsteil" betrachtet werden. Die vom Berufungsgericht angenommene Haftung würde zur wirtschaftlichen Vernichtung des neuen Arbeitgebers führen, obwohl dieser teilweise nur für kurze Zeit über die Arbeitskräfte verfügt habe. Nur der Übergang einer „auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit" könne die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auslösen. An einer solchen „organisatorischen" Einheit fehle es hier aber.

V. Zu den Vorlagefragen:

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 3 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) bestimmt, dass dann, wenn ein Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übergeht, dieser als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Als eine Rechtsfolge daraus ergibt sich auch die Haftung des „Erwerbers" als neuen Arbeitgeber für die aus dem Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Übergangs noch offenen Ansprüche (vgl in diesem Sinn etwa = SZ 72/180 oder = SZ 74/106 uva).

Entscheidend ist damit, ob hier von einem „Betriebsteilübergang" iSd § 3 AVRAG auszugehen ist. Diese Bestimmung ist nun nach stRsp des Obersten Gerichtshofes im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zur Richtlinie 77/187/EWG betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer bei Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen bzw der nunmehrigen Richtlinie 2001/23/EG (im Folgenden: Betriebsübergangsrichtlinie) auszulegen (vgl uva).

Art 1 Abs 1 der Betriebsübergangsrichtlinie ordnet ua Folgendes an:

a) diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.

b) vorbehaltlich a) und der nachstehenden Bestimmung dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihrer Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit .

Nach Art 3 Abs 1 der Betriebsübergangsrichtlinie gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrages oder Arbeitsverhältnisses aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über. Die Mitgliedstaaten können eine gesamtschuldnerische Haftung vorsehen.

Als Zweck dieser Richtlinie wurde vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften festgehalten, dass die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel zu gewährleisten ist, in dem dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, sein Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Inhaber zu den gleichen Bedingungen fortzusetzen (vgl dazu zuletzt etwa mwN; etwa Oy Liikenne, Slg 1998, 5141, Rz 19 uva).

Nach dieser bisherigen Rechtsprechung sowohl des Obersten Gerichtshofes als auch des Europäischen Gerichtshofes wurde stets besonderes Gewicht auf die Wahrung der Identität der Einheit , die von einem Inhaber auf den anderen übergegangen ist, gelegt (vgl auch dazu OGH 8 ObA 122/03d zum Übergang zwischen den Betreibern einer „Spitalsküche" mwN; etwa C-234/98m ua; Slg 1999 I-8643 Rz 23).

Hingegen wurde auf die rechtliche Beziehung zwischen dem „Veräußerer" und dem „Erwerber" regelmäßig nicht abgestellt (vgl zum Übergang zwischen den Betreibern einer „Spitalsküche" mwN zum Übergang des Pachtverhältnisses , Moelle Kro, Slg 1987 5465; Rs 324/86, Daddys Dance Hall, Slg 1988 357; zur Auftrags(neu)vergabe , Christel Schmidt, Slg 1994 I-1311; , Ayse Süzen, Slg 1997 I-1259; , Rs C-229/96 und C-74/97, Vidal ua, Slg 1998 I-8179, ua, Hidalgo ua, Slg 1998 I-8237; zur Weitergabe eines Subauftrages , Allen ua, Slg 1999 I-8643; Zum Subventionsübergang , Redmond Stichting, Slg 1992 I-3189; zum Übergang einer Vertriebsberechtigung und C-172/94, Merckx ua, Slg 1996 I-1253; allgemein auch OGH RIS-Justiz RS0110832 mit zahlreichen weiteren Nachweisen etwa in SZ 71/216 mwN).

Grundsätzlich wurde bei Prüfung des Vorliegens eines Betriebsüberganges vorweg darauf abgestellt, ob eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung gegeben ist (vgl dazu OGH SZ 70/219 oder SZ 71/216 aber auch , Ayse Süzen Slg 1997 I-1259 Rz 13 uva).

In weiterer Folge wurde dann geprüft, ob die wirtschaftliche Einheit auf den neuen Betreiber übergegangen ist.

Zur Beurteilung dieses „Überganges" der „Einheit" auf einen neuen Inhaber wurde auf

1. die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs,

2. den Übergang der wesentlichen materiellen und immateriellen Betriebsmitteln,

3. den Übergang von wesentlichen Teilen der Belegschaft,

4. den Übergang von Kunden und Kundenbeziehungen,

5. den Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und

6. die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit abgestellt und letztlich eine Gesamtbewertung durchgeführt (vgl etwa EuGH Rechtssache Ayse Süzen Rz 14 oder OGH SZ 71/116 uva).

Die Annahme eines Betriebsübergangs im Sinne der Richtlinie und des § 3 AVRAG hat verschiedene Rechtsfolgen. Einerseits entsteht daraus das Recht der in den jeweiligen Betrieben oder Betriebsteilen beim alten Arbeitgeber tätigen Arbeitnehmer ihr Arbeitsverhältnis beim Erwerber fortzusetzen. Andererseits entstehen aber auch Vorgaben hinsichtlich des Inhaltes des fortzusetzenden Arbeitsverhältnisses und der Haftung für die offenen Arbeitnehmeransprüche.

Aus den bisher entschiedenen Fällen lässt sich im Sinne der oben dargestellten Judikatur das Erfordernis ableiten, die Annahme des Betriebsübergangs - als „zweiten" Schritt - auch stark auf die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes und damit auch auf die jeweils nach der Art des Betriebes wesentlichen Betriebsmittel abzustellen.

Von den bisher entschiedenen Fällen unterscheidet sich nun der vorliegende Fall im Zusammenhang mit der Prüfung des Vorliegens eines „Betriebsteilübergangs" bei einem Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen. Haben Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen doch beinahe definitionsgemäß kaum Arbeitnehmer in ihrem „eigenen Betrieb" im Sinne einer organisatorischen Einheit beschäftigt, sondern sind diese Arbeitnehmer eben an andere Arbeitgeber als Beschäftiger (entleihende Unternehmen) überlassen. Diese Entleiher integrieren die betreffenden Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation der Entleiherunternehmen nach deren Bedürfnissen. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer des Arbeitskräfteüberlasssungsunternehmens ist also nicht in deren eigenen Betrieb, sondern in Betriebe anderer Beschäftiger integriert.

Die Betriebsübergangsrichtlinie nimmt insoweit spezifisch auf die Leiharbeitsverhältnisse Bezug als sie ausdrücklich festlegt, dass diese von ihrer Anwendung nicht nur deshalb ausgeschlossen werden dürfen, weil es sich beim dem übertragenen Unternehmen, Betrieb- oder Betriebsteil um ein Verleiherunternehmen handelt (Art 2 Abs 2 lit c der RL). Dass diese auch gemeinschaftsrechtlich als spezifische Problemstellung erfasst werden, zeigt sich auch aus der Richtlinie 91/383/EWG des Rates zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverhältnissen oder Leiharbeitnehmern oder den Richtlinienvorschlag der Kommission für eine Richtlinie über die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern (vgl Komm [2002] 701 endg; 2002/0072 [COD]).

Hier geht es nun um die Frage, wie die für andere Unternehmen entwickelten Prüfungsmechanismen, die sehr stark auf das Vorliegen einer organisatorischen Einheit im Sinne eines eigenen „Betriebes" oder „Betriebsteiles" abstellen, auch auf Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen übertragen werden können. Selbst von Reinigungsunternehmen oder Bewachungsbetrieben unterscheiden sich die Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen noch dadurch wesentlich, dass die überlassenen Arbeitnehmer im Beschäftigerbetrieb ja für keinen definierten Zweck - der dann der Abgrenzung des „Betriebsteiles dienen könnte - eingesetzt werden (Reinigungsauftrag, Bewachungsauftrag), sondern dort nach der Einschätzung des Entleiher ja in unterschiedlichsten Funktionen tätig werden können (vgl zu den Reinigungsunternehmen EuGH Rs Ayse Süzen und Rs Vidal; zu Bewachungsunternehmen EuGH Rs Hidalgo).

Auch im vorliegenden Fall zeigt sich, dass eine klare Gliederung des Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens nicht festgestellt wurde und die wesentlichen Betriebsmittel, die wohl in den Leiharbeitnehmern, den Kundenbeziehungen und den Verwaltungskenntnissen zu sehen sind, nur in schwer abgrenzbaren Teilen - völlig unterschiedliche Kundengrößen, bei denen auch nicht alle Arbeitnehmer überwechselten - durch das neue Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen übernommen wurden.

Wesentlich für einen Betriebsübergang spricht hier das Zusammenwirken zwischen dem alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen und dem neuen Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen, was offensichtlich dazu geführt hat, dass das neue Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen (dessen Führungspersönlichkeiten hier überdies mit jenen des alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen weitgehend ident sind) mit durchaus erheblichen Teilen der „Betriebsmittel" des alten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen eine im Wesentlichen idente Tätigkeit beginnen konnte.

Zu fragen ist daher, wie und ob das „zweiaktige Prüfungsschema" - Vorliegen einer organisatorischen Einheit beim alten Arbeitgeber/Vorliegen einer organisatorischen Einheit mit im Wesentlichen identen „Betriebsmitteln und Erscheinungsbild" beim neuen Betriebsinhaber - übertragen werden kann.

Denkbar schiene es auf den jeweiligen Entleiherbetrieb abzustellen. Allerdings kann, wenn dort mehrere Arbeitnehmer überlassen werden, eine einheitliche „Betriebsstruktur" im bisherigen Sinn, in der diese überlassenen Arbeitnehmer integriert wären (Reinigungsbereich; Bewachungsbereich) mangels einheitlichem Betriebszweck kaum gefunden werden, weil die überlassenen Arbeitnehmer ja in unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt werden können. Überspitzt formuliert würde der einzelne Arbeitnehmer zum „Betriebsteil":

Denkbar und - nach Meinung des vorlegenden Gerichtes vorzuziehen - wäre es dem strukturellen Unterschied bei der Beurteilung von Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen mangels Fehlens der überwiegenden Bedeutung einer eigenen Betriebsorganisation dadurch Rechnung zu tragen, dass stärker auf die wesentlichen Betriebsmittel (insbesondere die Arbeitnehmer und die Kundenbeziehungen) selbst - und nicht auf deren organisatorische Zusammenfassung - abgestellt würde. Damit wären dann Fälle, in denen der neue - vom Betriebszweck her idente - Betrieb sich im Wesentlichen aus den Betriebsmitteln des alten Betriebes im Zusammenwirken mit diesem rekrutiert als Betriebsübergang anzusehen, weil ein Teil der Betriebsmittel des alten Betriebes im Zusammenwirken der beiden Betriebsinhaber als neuer Betrieb organisiert und ausgegliedert wurde.

Bei einer solchen Betrachtung, hätten dann zwar die anderen Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Übernahme in diesen neuen Betrieb, hinsichtlich der übernommenen Arbeitnehmer wären aber die bisherigen Arbeitsbedingungen zu beachten und würde eine Haftung für die offenen Ansprüche eintreten.

VI. Zur Verpflichtung zur Vorlage und Aussetzung:

Bei den hier die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betreffenden Fragen kann nicht davon ausgegangen werden, dass kein Raum für vernünftige Zweifel verbleibt, sodass der Oberste Gerichtshof verpflichtet ist, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten (vgl dazu etwa Schima in Mayer EU und EG Vertrag Art 234 Rz 111 ff mwN etwa CILFIT, Slg 1982, 3415; Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren², 116 mwN).

Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.