OGH vom 14.04.2011, 11Os13/11p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan L***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom , GZ 7 Hv 113/09y 58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem Renate T***** betreffenden Abschöpfungserkenntnis aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
G r ü n d e :
Mit dem angefochtenen Urteil das auch ein gemäß § 20 „Abs 1 Z 1“ (richtig: Abs 4) StGB idF BGBl I 2002/134 gefälltes Abschöpfungserkenntnis betreffend die Haftungsbeteiligte Renate T***** enthält wurde Stefan L***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 und 148 zweiter Fall StGB (A) sowie des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (B) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit (zur Gänze) bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Danach hat er zusammengefasst und soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Relevanz in Eisenstadt
A) in den Jahren 2000 bis 2005 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und (betreffend die Schuldsprüche A 1 bis 3 US 20) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Verfügungsberechtigte der Vereine A***** (1, 2, 4, 5, 6, 8) und A***** (7) sowie der B***** AG (3) durch Täuschung über Tatsachen unter teilweiser Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden (Rechnungen, Förderunterlagen, Zahlungsanweisungen und Überweisungsbelege) zu Handlungen, nämlich zur Vornahme von Überweisungen auf seine Bankkonten bzw Konten Dritter verleitet, die diese oder andere in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten;
B) in den Jahren 2006 und 2007 die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch dem Verein A***** einen 3.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem er in den im Spruch aufgelisteten Fällen die ihm unter „der Bedingung, nur vom Vorstand genehmigte Subventionszusagen durchzuführen, übergebenen TAN Codes zu selbständigen Anweisungen mittels Online Banking“ auf seine Bankkonten bzw das Konto eines Dritten verwendete.
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) mit Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 11 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO, die fehlschlägt.
Die das gänzliche „Absehen vom Strafvollzug“ bei gleichzeitiger Verhängung einer dreijährigen Freiheitsstrafe kritisierende Sanktionsrüge vernachlässigt nämlich die durch § 41 Abs 3 StGB erweiterte Anwendungsmöglichkeit des § 43 Abs 1 StGB auf Fälle, in denen auf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei, aber nicht mehr als fünf Jahren erkannt wird und legt solcherart nicht dar, weshalb das Schöffengericht seinen Ermessensspielraum bei der Sanktionsfindung überschritten haben soll (vgl RIS Justiz RS0099985; Jerabek , WK StPO § 493 Rz 3; Fabrizy , StPO 10 § 281 Rz 77). Der Nichtigkeitsgrund des dritten Falls der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO stellt im Übrigen nicht darauf ab, ob eine vom erkennenden Gericht ausgesprochene Unrechtsfolge tat und tätergerecht oder unvertretbar und unangemessen ist, sondern darauf, ob gegen Bestimmungen über die Strafbemessung in unvertretbarer Weise verstoßen wurde, das heißt, ob das Gericht nach dem Inhalt des Urteils zu der ohne Überschreitung seiner Strafbefugnis ausgesprochenen Sanktion aus Erwägungen gelangte, die den anzuwendenden Strafbemessungsvorschriften widersprechen (RIS Justiz RS0099892, RS0101597; zuletzt 12 Os 177/09k mwN). Im Hinblick darauf, dass das Fehlen einer Begründung einer solchen Ermessensentscheidung im Regelfall (zu einem besonderen Ausnahmefall siehe Jerabek , WK StPO § 493 Rz 4 und in WK 2 § 43 Rz 28) zu keiner Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO führt (RIS Justiz RS0117723; Ratz , WK StPO § 281 Rz 681, 691; Jerabek , WK StPO § 493 Rz 4 und in WK 2 § 43 Rz 24; fallbezogen anders noch 15 Os 55/06m, 11 Os 4/06g [jedoch unter jeweiliger Berufung auf die Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO verneinende E 11 Os 85/03]) geht aber auch der Einwand ins Leere, das Erstgericht habe seinen Strafausspruch nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 41 Abs 3 StGB gestützt.
Das Argument, die Ausnahmebestimmung des § 41 Abs 3 StGB sei „hier ohnehin unanwendbar“, stellt schließlich ein Berufungsvorbringen dar (RIS Justiz RS0091319, RS0091303; vgl auch Fabrizy , StGB 10 § 41 Rz 7; Flora in WK² § 41 Rz 28).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der (bislang [formell] unausgeführt gebliebenen) Berufung (§ 285i StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit betreffend das Abschöpfungserkenntnis (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO; vgl RIS Justiz RS0114233; Fuchs/Tipold , WK StPO § 443 Rz 60 ff), das bei nachteiliger Wirkung gegenüber einem in der Hauptverhandlung und im Rechtsmittelverfahren die Rechte eines Angeklagten genießenden (§ 64 Abs 1 zweiter Satz StPO) Haftungsbeteiligten in analoger Anwendung des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO zum Gegenstand amtswegiger Verfügungen gemacht werden kann:
Die Abschöpfung der Bereicherung bei einem Dritten, der durch oder für die mit Strafe bedrohte Handlung einen Vermögensvorteil erlangt hat, setzt nach der hier anzuwendenden Bestimmung des § 20 Abs 4 StGB idF BGBl I 2002/134 eine unmittelbare und unrechtmäßige Bereicherung dieser Person voraus. Die dazu getroffene Feststellung des Erstgerichts, wonach „der Restbetrag (…) auf dem Konto“ der Renate T***** verblieb, „um ihr die 'Aufwendungen' für das Zurverfügungstellen des Kontos zu ersetzen“ (US 17), reicht für eine abschließende rechtliche Beurteilung der genannten Abschöpfungsvoraussetzungen nicht aus.
Diese Nichtigkeit war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil nur die Staatsanwaltschaft Berufung zum Nachteil des Angeklagten erhoben hat. Dem Berufungsgericht ist in einem solchen Fall zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung einer die Vermögensmaßnahme beteffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zugunsten des Angeklagten nicht möglich (vgl 14 Os 83/10b, EvBl LS 2010/162, 973; 14 Os 59/10y; Ratz , WK StPO § 294 Rz 10 sowie § 295 Rz 7 und 14).
Im neuen Rechtsgang wegen der demgemäß vorbehaltenen (vgl § 443 Abs 2 StPO), gesondert zu treffenden Entscheidung über die Abschöpfung der Bereicherung wird das erkennende Gericht (§ 445 Abs 2 StPO) zudem zu beachten haben, dass die Durchführung der Hauptverhandlung und die Fällung des auch zuzustellenden Urteils in Abwesenheit der Haftungsbeteiligten (§ 64 Abs 1 StPO) gemäß § 444 Abs 1 StPO deren ordnungsgemäße Ladung (§ 221 Abs 2 StPO siehe dazu Fuchs/Tipold , WK StPO § 444 Rz 27) voraussetzt.