OGH vom 21.12.2010, 10Ob69/10k

OGH vom 21.12.2010, 10Ob69/10k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj L*****, geboren am , vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie Rechtsvertretung für den 10. Bezirk, 1100 Wien, Van der Nüll Gasse 20), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 96/10p 32, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 6 PU 333/09t 13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts als Teilbeschluss zu lauten hat:

„Der Antrag der Minderjährigen auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses für die Zeit vom bis wird abgewiesen.“

Im Übrigen, also hinsichtlich des Zeitraums ab , werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichts vom wurde der Minderjährigen gemäß § 382a EO beginnend mit ein vorläufiger monatlicher Unterhaltsbetrag in Höhe von 122,09 EUR zuerkannt und der Vater der Minderjährigen zur Bezahlung dieser Beträge am Ersten eines jeden Monats im Voraus verpflichtet. Diese einstweilige Verfügung wurde dem Vater am zugestellt.

Am beantragte die Minderjährige, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, auf der Grundlage der einstweiligen Verfügung vom die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in Titelhöhe.

Das Erstgericht gewährte der Minderjährigen mit Beschluss vom Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für den Zeitraum vom bis . Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Unterhaltsschuldner nach der am eingetretenen Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbetrag nicht zur Gänze geleistet habe und gegen ihn am eine Forderungs und Fahrnisexekution beantragt worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Im vorliegenden Fall sei die Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels am eingetreten. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am wäre der Unterhaltsbeitrag für Jänner 2010 bereits fällig gewesen und sei vom Unterhaltsschuldner nicht geleistet worden, weshalb die Voraussetzungen für die Bewilligung des Unterhaltsvorschusses ab vorlägen.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, dass zu § 3 Z 2 UVG idF FamRÄG 2009 im Zusammenhang mit der hier strittigen Frage des Beginns des Anspruchszeitraums für die Unterhaltsvorschussgewährung keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass der Unterhaltsvorschussantrag des Kindes abgewiesen werde, in eventu Unterhaltsvorschüsse erst ab zugesprochen werden.

Der Jugendwohlfahrtsträger beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen bzw ihm keine Folge zu geben. Weitere Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Frage der Auslegung der Bestimmung des § 3 Z 2 UVG idF FamRÄG 2009 abgewichen ist, und zum Teil im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die in § 3 Z 2 UVG idF FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, enthaltene Wortfolge „wenn … der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet“ dahin zu verstehen, dass der dem Eintritt der Vollstreckbarkeit folgende Fälligkeitstermin erfolglos verstreichen muss, damit ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nach den §§ 3 Z 2, 4 Z 1 UVG entsteht (vgl 10 Ob 38/10a, 10 Ob 39/10y, 10 Ob 52/10k uva; RIS Justiz RS0126137, RS0126138). Wird vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil an diesem dem Eintritt der Vollstreckbarkeit folgenden Monatsersten der fällige Unterhaltsbeitrag nicht geleistet, steht der Unterhaltsvorschuss monatsbezogen ab diesem Monatsersten zu. Da die Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels im vorliegenden Fall am eingetreten ist (vgl RIS Justiz RS0123159 = 10 Ob 4/08y), konnte ein Verzug mit der Zahlung des nach Eintritt der Vollstreckbarkeit fälligen laufenden Unterhalts frühestens im Februar 2010 eintreten, weshalb auch die Anspruchsvoraussetzungen frühestens ab vorliegen können. Eine Unterhaltsvorschussgewährung für den Monat Jänner 2010 kommt somit nicht in Betracht. Insoweit erweist sich daher das Begehren der Minderjährigen entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen als nicht berechtigt.

Es trifft nun zwar zu, dass zum Zeitpunkt des Vorschussantrags () noch nicht absehbar sein konnte, ob der Unterhaltsschuldner mit der für Februar 2010 fällig werdenden Unterhaltszahlung überhaupt säumig wird. Maßgeblicher Stichtag für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung ist im Unterhaltsvorschussverfahren jedoch das Datum der Entscheidung erster Instanz (RIS Justiz RS0076052 [T5]). Im vorliegenden Fall erfolgte die Beschlussfassung durch das Erstgericht am . Zu diesem Zeitpunkt war der Unterhaltstitel vollstreckbar und es war auch der laufende Unterhalt für Februar 2010 bereits fällig. Auch wenn nach § 11 Abs 1 UVG Unterhaltsvorschüsse nur auf Antrag zu gewähren sind, hat das Gericht im Rahmen der allgemeinen Anleitungs und Belehrungspflicht (§ 14 AußStrG) auch gegenüber einem gesetzlichen Vertreter des Kindes die Verpflichtung, die Verbesserung eines ungenügenden Sachantrags zu veranlassen (vgl 10 Ob 40/10w mwN). Auch im vorliegenden Fall hätte der Jugendwohlfahrtsträger vom Erstgericht angeleitet werden müssen, den für die Beurteilung des Antrags auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG erforderlichen Sachverhalt vollständig zu behaupten. Da eine solche Anleitung unterblieb, ist eine verlässliche Beurteilung des Anspruchs der Minderjährigen auf Unterhaltsvorschüsse ab derzeit noch nicht möglich (vgl 10 Ob 40/10w ua).

Es waren daher in Stattgebung des Revisionsrekurses die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Umfang aufzuheben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren den Vertreter der Minderjährigen zur vollständigen Behauptung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts (nicht vollständige Leistung des laufenden Unterhalts ab ) anzuleiten und sodann allenfalls zu klären und festzustellen haben, ob der Unterhaltsschuldner den nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels laufenden Unterhaltsbeitrag zur Gänze geleistet hat oder nicht. Auf dieser Grundlage wird das Erstgericht neuerlich über den Vorschussantrag der Minderjährigen für den Zeitraum ab zu entscheiden haben.