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OGH vom 09.09.2008, 10Ob69/08g

OGH vom 09.09.2008, 10Ob69/08g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Monique S*****, geboren am , *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 21, Am Spitz 1, 1210 Wien), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 266/08y, 43 R 267/08w-U35, womit infolge Rekurses der Minderjährigen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 2 P 188/05i-U24 und U25, abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Minderjährigen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird betreffend den Zeitraum vom bis dahin abgeändert, dass insoweit die den Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse bejahenden Beschlüsse des Erstgerichts wiederhergestellt werden.

Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung betreffend die vor dem gelegenen Anspruchszeiträume aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit einstweiligen Verfügungen vom , 2 P 188/05i-U10, und vom , 2 P 188/05i-U13, hat das Erstgericht der am geborenen Monique S***** gegen ihren Vater Franz S***** und ihre Mutter Yvonne A***** jeweils einen vorläufigen Unterhalt von 105,40 EUR monatlich, jeweils ab , zugesprochen. Mit Beschlüssen je vom , 2 P 188/05i-U21 und U22, setzte das Erstgericht die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab mit 160 EUR und der Mutter ab mit 110 EUR fest. In beiden Beschlüssen sprach es aus, dass die einstweiligen Verfügungen (vom , ON U10, und vom , ON U13) mit Rechtskraft des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses als aufgehoben gelten. Die beiden Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse wurden dem Vater und der Mutter durch Hinterlegung, jeweils mit Beginn der Abholfrist , zugestellt. Die Rechtskraft der beiden Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse wurde vom Erstgericht jeweils am bestätigt.

Am bzw am stellte das Kind Anträge auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 5 UVG auf die vorläufige Unterhaltsverpflichtung des Vaters und der Mutter (ON U16 und ON U17).

Mit Beschlüssen je vom gewährte das Erstgericht Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 5 UVG in Höhe von je 105,40 EUR auf den vorläufigen Unterhaltsanspruch gegen den Vater für den Zeitraum vom bis (ON U25) und gegen die Mutter für den Zeitraum vom bis (ON U24). In der Begründung wurde jeweils ausgeführt, dass die einstweilige Verfügung mit Beschluss vom , rechtskräftig seit , aufgehoben wurde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, Folge und änderte die beiden Beschlüsse des Erstgerichts vom dahin ab, dass die Vorschussanträge des Kindes abgewiesen wurden. Da die den Vorschussanträgen zugrunde liegenden einstweiligen Verfügungen zum Zeitpunkt der Vorschussgewährung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätten, komme eine Vorschussgewährung nach § 4 Z 5 UVG nicht mehr in Betracht. Da die Vorschüsse schon aus diesem Grund zu versagen seien, erübrige sich ein weiteres Eingehen auf das Rekursvorbringen, dass die Monatsfrist erst später als vom Erstgericht angenommen abgelaufen sei und die Vorschüsse erst ab zu bewilligen gewesen wären.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, da die Entscheidungen 10 Ob 82/05i und 4 Ob 226/07z zueinander in Widerspruch stünden.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, dass die erstinstanzlichen Beschlüsse wiederhergestellt werden.

Der Bund, der Vater und die Mutter haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt (Zustellung an den Vertreter des Bundes am , an den Vater am und an die Mutter durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist ).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Die Argumentation der Minderjährigen in ihrem Revisionsrekurs lässt sich dahin zusammenfassen, dass jede einstweilige Verfügung zu befristen sei und ihre Aufhebung infolge Zeitablaufs im Regelfall nicht auf den Zeitpunkt der Bewilligung, sondern lediglich auf den Zeitpunkt des Fristablaufs (hier: Rechtskraft des Beschlusses über die Unterhaltsfestsetzung, nämlich ) zurückwirke.

Dazu hat der Senat erwogen:

1.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 Ob 82/05i (RIS-Justiz RS0104986 [T1]) ausgesprochen, dass im Gesetz eine Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 5 UVG, ohne dass der Gewährungszeitraum noch durch eine (dafür) aufrechte einstweilige Verfügung gedeckt wäre, nicht vorgesehen sei.

1.2. Dieser Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 187/07t zumindest insofern entgegengetreten, als der Vorentscheidung entnommen werden könnte, dass die einstweilige Verfügung durch ihre Aufhebung gänzlich beseitigt worden wäre: Aufhebungen oder Einschränkungen von einstweiligen Verfügungen nach § 399 Abs 1 Z 2 EO würden nämlich jeweils ab einem bestimmten Zeitpunkt nach Erlassung der einstweiligen Verfügung wirken und im Allgemeinen keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Bewilligung der einstweiligen Verfügung entfalten. Entscheidend sei, dass für den für die Vorschussgewährung nach § 4 Z 5 UVG relevanten Zeitraum ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel vorhanden gewesen sei.

1.3. Diese Ansicht wurde in 4 Ob 226/07z und 4 Ob 155/07h unter neuerlicher Ablehnung von 10 Ob 82/05i ausdrücklich bestätigt: § 399a Abs 3 EO ordne in Bezug auf die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nicht eine unbeschränkte Rückwirkung an, sondern stelle auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Aufhebungsgrundes ab (hier: rechtskräftige Beendigung des Unterhaltsverfahrens); für die Zeit davor bleibe die einstweilige Verfügung wirksam, weil sie durch die Aufhebung gerade nicht zur Gänze „beseitigt" werde. Damit könne sie für den Zeitraum vor dem Wirksamwerden der Aufhebung weiterhin als Grundlage für eine Vorschussgewährung nach § 4 Z 5 UVG herangezogen werden.

2.1. Jede einstweilige Verfügung (genauer: die Sicherungsmaßnahme) ist gemäß § 391 Abs 1 EO zu befristen. Die Frist kann mit einem Enddatum oder einem bestimmten Ereignis begrenzt werden, so etwa mit dem Eintritt der Rechtskraft des über die Klage oder den Antrag ergehenden Urteils oder Beschlusses. Die Verfügung wird auch dann nicht von selbst und sofort unwirksam, wenn - etwa im Fall der Befristung bis zum Eintritt der Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils - das Verfahren über den Hauptanspruch beendet ist; vielmehr ist sie wegen geänderter Verhältnisse förmlich aufzuheben. Damit werden die angeordneten Sicherungsmaßnahmen rückwirkend mit dem Zeitpunkt des Ablaufs der Verfügungsfrist aufgehoben; die Wirkung der einstweiligen Verfügung wird also nicht zur Gänze und von Anfang an „beseitigt". Die gefährdete Partei könnte zum Beispiel weiterhin Exekution wegen solcher Verstöße begehren, die vor Ablauf der Frist begangen wurden und noch durch die einstweilige Verfügung verboten waren (4 Ob 96/07g; RIS-Justiz RS0122352; Konecny, Zur Wirksamkeit einstweiliger Verfügungen nach Ablauf der Verfügungsfrist, ÖBA 1997, 987 [990]; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung § 391 EO Rz 4; E. Kodek in Angst2 § 399 EO Rz 14).

2.2. Wie unter 1.2. und 1.3. ausgeführt wurde, gilt dieser Grundsatz nach der jüngeren Judikatur auch für die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO gemäß § 399a Abs 2 Z 2 iVm Abs 3 EO (RIS-Justiz RS0122352 [T2]); die gegenteilige Entscheidung 10 Ob 82/05i ist vereinzelt geblieben. Maßgeblich ist also nicht, ob die einstweilige Verfügung zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz über den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen noch formell aufrecht ist, sondern ob der Zeitraum, für den Vorschüsse begehrt und zugesprochen werden, durch einen Titel nach § 382a EO gedeckt ist, was vorliegend der Fall ist.

So wie Vorschüsse für einen begrenzten Zeitraum in der Vergangenheit eingestellt werden können, wenn die Voraussetzungen in diesem Zeitraum gefehlt haben (jüngst 10 Ob 55/08y = RIS-Justiz RS0123631), können umgekehrt Vorschüsse für eine vergangene Periode zuerkannt werden, wenn sie durch einen Titel gedeckt sind, selbst wenn der Titel zum Zeitpunkt der Gewährung erster Instanz bereits beseitigt war, diese Beseitigung allerdings nicht rückwirkend auch den Zeitraum mitumfasste, für den Vorschüsse begehrt und zugesprochen wurden.

3. Der erkennende Senat schließt sich daher der bereits in 1 Ob 187/07t, 4 Ob 226/07z und 4 Ob 155/07h vertretenen Ansicht an, weshalb die den rekursgerichtlichen Beschluss tragende Begründung nicht geteilt wird.

4. Es ist nicht weiter strittig, dass die Monatsfrist des § 4 Z 5 UVG jedenfalls so früh abgelaufen ist, dass ein Vorschussanspruch in Bezug auf den von beiden Elternteilen geschuldeten vorläufigen Unterhalt ab bestand. Deshalb sind die erstgerichtlichen Entscheidungen insoweit wiederherzustellen, als sie sich auf die Vorschussgewährung für den Zeitraum vom bis beziehen.

Hinsichtlich des vor dem gelegenen Zeitraums wird sich das Rekursgericht im fortgesetzten Verfahren mit dem weiteren Rekursvorbringen auseinanderzusetzen haben, wann die Monatsfrist des § 4 Z 5 UVG abgelaufen gewesen ist.