VfGH vom 13.10.2007, b198/05
Sammlungsnummer
******
Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung eines Löschungs- und Auskunftsbegehrens hinsichtlich bei einem Gendarmerieposten in einer Kartei geführter personenbezogener Daten; Verkennung der Rechtslage im entscheidungswesentlichen Punkt der Frage der inneren Organisation der Behörde; Bezirkshauptmannschaft und nicht Landesgendarmeriekommando als Auftraggeberin der Datenanwendung im Sinne des Datenschutzgesetzes anzusehen und daher zutreffender Adressat des Löschungs- und Auskunftsbegehrens
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird im angefochtenen Spruchpunkt 2. aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit EUR 2.160,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Einem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck nach § 209 StGB aus 2001 ging eine Anzeige des Gendarmeriepostens Kufstein wegen des Verdachts nach § 209 StGB an die Staatsanwaltschaft Innsbruck voraus. Dem Begehren des nunmehrigen Beschwerdeführers an die Bezirkshauptmannschaft Kufstein u.a. auf Löschung der diesbezüglichen, ihn betreffenden Daten in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (KPA) und der ihn betreffenden Anzeigedaten bei der Gendarmeriedienststelle (in Protokollbuch, Indexkartei und Papier- oder Kopienakt) wurde nicht stattgegeben. Seine dagegen erhobene Beschwerde an die Datenschutzkommission hatte teilweise Erfolg. Es wurde die Löschung der Daten in der zentralen Informationssammlung angeordnet. "Im Übrigen" wurde mit Spruchpunkt 2. des Bescheides die Beschwerde abgewiesen. Diese Abweisung wurde wie folgt begründet:
"Zu den sonstigen Daten des Beschwerdeführers, die dem datenschutzrechtlichen Recht auf Löschung unterliegen (Daten, die in einer Datei verarbeitet werden oder zur Verarbeitung in einer Datei bestimmt sind, vgl. dazu die ausführlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs [VwGH] im Erkenntnis vom , Zl. 2004/06/0086-5), hat der Beschwerdeführer kein näheres Vorbringen gemacht, allerdings ist sein Beschwerdebegehren dennoch so formuliert, dass darauf kurz näher eingegangen werden muss.
Wie aus anderen Beschwerdeverfahren bekannt, in denen der Beschwerdeführervertreter zur Durchsetzung des Löschungsrechts eingeschritten ist, beziehen sich weit gefasste derartige Löschungsbegehren neben Datenanwendungen (siehe Spruchpunkt 1.) auf manuelle Dateien (Indexkartei und Protokollbücher von Gendarmeriedienststellen) und Papierakten, die regelmäßig, zumindest so nicht ausdrücklich anderes behauptet wurde, keine Dateien darstellen. Zu den Papierakten verweist die Datenschutzkommission daher auf die Ausführungen in ihrem Bescheid vom , GZ: K120.841/0001-DSK/2004 (enthalten in der Entscheidungsdatenbank der Datenschutzkommission, http://www.ris.bka.gv.at/dsk/), und das darüber ergangene, bereits zitierte Erkenntnis des VwGH (Auszüge aus den Entscheidungsgründen veröffentlicht beim zuvor zitierten Bescheid).
Hinsichtlich der manuellen Dateien für Zwecke der bis vor kurzem allgemein üblichen Aktenführung der Gendarmerie, Indexkartei und Protokollbuch, kann ebenfalls auf die bereits zitierte Entscheidung verwiesen werden. Für diese manuellen Dateien ist die Bezirkshauptmannschaft als Sicherheitsbehörde gemäß § 10 Abs 2 SPG nicht der zuständige Auftraggeber und daher auch nicht berechtigt."
1.2. Gegen den Bescheid der Datenschutzkommission, und zwar nur gegen seinen Spruchpunkt 2., richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde wegen Verletzung
"verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter personenbezogener Daten (§1 Abs 3 Z. 2 DSG 2000), des Rechts auf Achtung des Privatlebens (Art8 EMRK), auf den gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG), auf Gleichbehandlung (Art2 StGG; Art 7 B-VG) und des Rechts auf eine wirksame Beschwerde (Art13 EMRK)."
Zur Frage der "Protokollbucheintragungen und Indexkartei" wird in der Beschwerde wie folgt ausgeführt:
"Recht auf Datenlöschung (§1 Abs 3 DSG 2000; Art 8 EMRK)
Die bB [belangte Behörde] weist die Anträge des Bf [Beschwerdeführers] unter Hinweis auf ihre bisherige Rechtsprechung mit der Begründung ab, dass die BH [Bezirkshauptmannschaft] Kufstein nicht Auftraggeber der im Protokollbuch und in der Indexkartei verarbeiteten personenbezogenen Daten sei. In ihrer bisherigen Rechtsprechung hat die bB ausgeführt, dass gem. § 10 Abs 2 SPG das Landes- bzw. das Bezirksgendarmeriekommando datenschutzrechtlicher Auftraggeber solcher Daten sei. Dies folge daraus, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten in einem Protokollbuch dem 'inneren Dienst' der Gendarmerie zuzurechnen sei (vgl. Kl20.841/0001-DSK/2004 vom ).
Dies ist unrichtig.
Was zum 'inneren Dienst' zählt, ist im Detail unklar (Hauer-Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz2, 2001, § 10 B.2.). Das Gesetz schweigt sich darüber aus, was zum inneren Dienst gehört (§2 Abs 3 GendG 1918, § 10 Abs 2 SPG).
Auch wenn die Kanzleiführung, einschließlich der formellen Erledigung der Geschäftsstücke, wohl dem inneren Dienst zukommen mag, so kann in der Entscheidung, welche inhaltlichen (personenbezogenen) Daten im Einzelfall konkret in ein Indexkarteiblatt (Steckkarte) aufzunehmen sind und welche nicht, sowie welche allenfalls wieder zu löschen sind, keineswegs als formelle Erledigung, als bloße 'gendarmerieinterne Angelegenheit' (vgl. zu dieser Bezeichnung des 'inneren Dienstes' VfSlg. 4692/1964, , V13/64, VfSlg. 4733/1964;
bis V258/91, V262/91, VfSlg. 13.021/1992;
in Hauer-Keplinger, aa0, § 10 C.2., C.3., C.6) angesehen werden.
Auch der beispielhaften Aufzählung von Angelegenheiten des inneren Dienstes in § 1 BGK-VO (der eben nicht auf Gesetzesebene steht) ist unschwer zu entnehmen, dass mit inneren Angelegenheiten nicht solche inhaltlichen Entscheidungen über personenbezogene Daten rechtsunterworfener Verdächtiger, die nicht Angehörige der Gendarmerie sind, gemeint sein können, betreffen die dort aufgezählten Tätigkeiten doch tatsächlich eminent 'innere Angelegenheiten'.
[Die ...] Anlegung des Protokollbuchs oder der Indexkartei durch Ausfüllen mit personenbezogenen Daten eines Verdächtigen (samt Delikt) ist zutiefst meritorisches Handeln im Dienste der Strafjustiz (allenfalls auch der Sicherheitspolizei), niemals bloß eine gendarmerieinterne Angelegenheit. Die Entscheidung für Protokollbücher, Indexkarteien oder ein anderes Organisationssystem, die Auswahl von Farbe, Material, Menge und Aufbewahrungsort der Bücher wird ebenso zum inneren Dienst gehören wie die Auswahl der Farbstifte, mit denen die Bücher beschrieben werden, und tatsächlich 'gendarmerieinterne Angelegenheit' sein; das Versehen der Bücher mit personenbezogenen Daten konkreter Verdächtiger (samt Delikten) aber gehört zur kriminalpolizeilichen oder sicherheitspolizeilichen Arbeit, was schon der normale Wortsinn der Wendungen 'innerer Dienst' und 'gendarmerieinterne Angelegenheit' erkennen lässt.
Die Rechtsansicht der bB hätte auch die merkwürdig anmutende (ja geradezu absurde) Konsequenz, dass die Erhebungsakten einen anderen datenschutzrechtlichen Auftraggeber hätten als die Protokollbücher, die zu ihrer Protokollierung und Auffindung dienen. Dabei bilden die Protokollbücher mit den Erhebungsakten doch eine Einheit, eine Datei. Das eine ist ohne das andere unvollständig und nutzlos. Dafür, diese Einheit, ausgerechnet im Bereich des Datenschutzes, zu zerreißen, gibt es keinerlei Grund und keine Grundlage im Gesetz. Insb. kann ein solch absurdes Wirrwarr an Zuständigkeiten (Erhebungsakten: Bezirkshauptmannschaft; Protokollbücher: Gendarmeriekommanden) gewollt zu haben, dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, schon gar nicht mit den Wendungen 'innerer Dienst' und 'gendarmerieinterne Angelegenheit'. Die personenbezogenen Daten in Protokollbüchern gehören ebenso wenig zum 'inneren Dienst', sind ebenso wenig 'gendarmerieinterne Angelegenheit' und von den Erhebungsakten zu trennen, wie der Briefumschlag einer vom Gendarmerieposten versendeten Ladung von seinem Inhalt zu trennen und dem 'inneren Dienst' zuzurechnen ist (mit der Konsequenz, dass Vermerke auf dem Umschlag dem Gendarmeriekommando und Vermerke auf dem darin befindlichen Schreiben der Bezirkshauptmannschaft zuzurechnen sind ...).
Richtig ist, dass der VwGH die Rechtsansicht der bB teilt (, 2004/06/0086). Der VwGH begründet seine Ansicht jedoch lediglich damit, dass die Eintragungen 'bestimmungsgemäß' dazu dienen, 'den Geschäftsfall zu konkretisieren und den Akt auffinden zu können' (was der Bf ja nicht bestreitet), und 'es sich dabei um eine behördeninterne Kanzleitätigkeit' handelt. Mehr als die apodiktische Behauptung, dass es sich bei den Eintragungen um gendarmerieinterne Agenden handelt, beinhaltet diese 'Begründung' daher nicht, insb. erfolgt keine Auseinandersetzung mit den o.a. (auch dem VwGH vorgetragenen) eingehenden Argumenten. Die Rechtsansicht des VwGH bleibt daher in Wahrheit begründungslos und vermag die Argumente des Bf nicht zu entkräften.
Richtigerweise ist also die Bezirkshauptmannschaft Kufstein zur Löschung der in den Protokollbüchern und der Indexkartei verarbeiteten Daten und zur Mitteilung gem. § 27 Abs 4 DSG zuständig (Auftraggeber), woraus folgt, dass die bB die Anträge nicht in Verneinung dieser Zuständigkeit abweisen hätte dürfen, sondern die gerügten Verletzungen der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte (§1 Abs 3 Z. 2 DSG, Art 8 EMRK) inhaltlich zu prüfen (und festzustellen) gehabt hätte. Dadurch dass sie dies nicht getan hat und den Bf auf die Antragstellung an die dafür unzuständigen Gendarmeriekommanden verwiesen hat, hat sie selbst diese Rechte verletzt.
Recht auf den gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG)
Ist, wie dargelegt, die BH Kufstein Auftraggeber der ggst. personenbezogenen Daten im Protokollbuch und in der Indexkartei und nicht die Gendarmeriekommanden, und hat die bB über die Beschwerden des Bf wegen Grundrechtsverletzungen durch die BH Kufstein nicht inhaltlich entschieden, vielmehr den Bf an die unzuständigen Gendarmeriekommanden verwiesen, so hat die bB dadurch das Recht des Bf auf den gesetzlichen Richter verletzt. Er hat bei der zuständigen Behörde seine Anträge auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung gestellt, diese zuständige Behörde ist dem nicht nachgekommen, und die Beschwerdebehörde verweigert dies festzustellen bzw. dem abzuhelfen mit der Begründung, dass die richtigerweise zuständige Behörde nicht zuständig sei.
Im übrigen ist § 10 Abs 2 SPG, den die bB ihrer Abweisung zu Grunde legt, verfassungswidrig (Art83 Abs 2 B-VG), weil er die Zuständigkeiten nicht klar und eindeutig festlegt.
Was zum 'inneren Dienst' zählt, ist im Detail unklar (Hauer-Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz2, 2001, § 10 B.2.). Das Gesetz schweigt sich darüber aus, was zum inneren Dienst gehört (§2 Abs 3 GendG 1918, § 10 Abs 2 SPG). Dem Gesetz kann daher nicht mit der notwendigen Sicherheit entnommen werden, welche Behörde für Angelegenheiten zuständig ist, welche Angelegenheiten nun dem 'inneren Dienst' zugehören und welche nicht.
Zudem ist auch völlig unklar, für welche Angelegenheiten das Landes- und für welche das Bezirksgendarmeriekommando zuständig ist. Gerade wenn beispielsweise die Protokollbücher und die Indexkartei tatsächlich dem 'inneren Dienst' zugehören sollten, so bleibt völlig offen, ob die Führung derselben (Vervollständigen mit personenbezogenen Daten) auf einem Gendarmerieposten dem Bezirksgendarmeriekommando oder dem Landesgendarmeriekommando zuzurechnen ist.
Das festzulegen wäre gem. Art 83 Abs 2 B-VG die Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, der er aber, will man 'innere Angelegenheiten' derart extensiv auslegen, wie die bB es tut, nicht nachgekommen ist.
Folgt man also der Rechtsansicht der bB und ordnet man die Führung der Protokollbücher und der Indexkartei (Vervollständigen mit personenbezogenen Daten) auf einem Gendarmerieposten dem 'inneren Dienst' der Gendarmerie zu, so bleibt vom Gesetz (§10 Abs 2 SPG) her vollkommen unklar, ob das Landes- oder das Bezirksgendarmeriekommando datenschutzrechtlicher Auftraggeber und damit zur Auskunft, Richtigstellung und Löschung zuständig ist. Das verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Bf auf den gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG)."
1.3. Die Datenschutzkommission hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie zur Frage der Löschung der Daten von Indexkartei und Protokollbucheintragung ausführt:
"Im angefochtenen Spruchpunkt 2. des verfahrensgegenständlichen Bescheids hat die belangte Behörde das Begehren des Beschwerdeführers auf Löschung der zur Zl. B1/4094/2001-sto im Protokollbuch für das Jahr 2001 und in der Indexkartei des Gendarmeriepostens Kufstein verarbeiteten Daten (Eintragungen betreffend eine Strafanzeige wegen Verdachts eines Vergehens u.a. nach dem früheren § 209 StGB) gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Kufstein als Sicherheitsbehörde abgewiesen. Dies unter Verweis auf ihre ständige Spruchpraxis, wonach (manuelle) Dateien für Zwecke der Überwachung des Eingangs von Dienststücken und des Wiederauffindens von Akten, also Dateien zur Unterstützung von Tätigkeiten, die üblicherweise als 'Kanzleigeschäfte' bezeichnet werden, dem inneren Dienst der Gendarmerie und nicht dem Aufgabenbereich der Sicherheitsbehörde zuzurechnen seien. Hinsichtlich dieser Dateien ist die belangte Behörde in sinngemäßer Anwendung des § 58 DSG 2000 und des letzten Satzes des § 10 Abs 2 SPG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 151/2004) davon ausgegangen, dass die datenschutzrechtliche Auftraggebereigenschaft den Gendarmeriedienststellen zukomme.
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den Spruchpunkt 2. des Bescheids der belangten Behörde, zu dessen Begründung die Auftraggebereigenschaft hinsichtlich des Protokollbuchs und der Indexkartei des Gendarmeriedienstpostens Kufstein den Gendarmeriedienststellen und nicht der Bezirkshauptmannschaft Kufstein zuerkannt wurde, in mehreren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (Art8 EMRK, § 1 Abs 3 Z. 1 und 2 DSG 2000, Art 83 Abs 2 B-VG, Art 13 EMRK, Art 2 StGG) als verletzt.
Die belangte Behörde übersieht keineswegs, dass die eingangs dargestellte Auslegung von § 10 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idF vor BGBl. I Nr. 151/2004, vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. B1158/03-11, als bedenklich qualifiziert wurde. Die belangte Behörde sieht sich daher veranlasst, im vorliegenden Beschwerdefall ihre Rechtsmeinung neuerlich und mit eingehenderer Begründung als im bekämpften Bescheid darzulegen:
Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. B1158/03-11 unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ausgeführt hat (Entscheidungsgründe, Punkt 2.3.2.), ist 'ein willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage (zu sehen), aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit zu einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (z.B. VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002)'.
Es ist daher festzuhalten, dass, um Willkür zu begründen, nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ein materieller Rechtsirrtum oder ein Verfahrensmangel von solch entscheidender Schwere vorliegen muss, dass dieser gleichsam aus der Sphäre des einfachen Gesetzesrechts, in der gemäß Art 130 B-VG der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung berufen ist, bis in die Verfassungssphäre emporragt und in diese eingreift. Es muss sich demnach um einen eklatanten und bedeutungsvollen Rechtsirrtum (oder ein völliges Außer-Acht-Lassen der Verfahrensvorschriften) handeln, der die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts betrifft. Ein Willkür erzeugender Rechtsirrtum ist somit immer gleichzeitig auch ein Rechtsirrtum bei der Auslegung von Gesetzesrecht auf einfachgesetzlicher Stufe, zu dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof berufen ist ('Grobprüfung': VfGH - 'Feinprüfung': VwGH, vgl. die Ausführungen in Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 (2000) Rz 1216f).
Im vorliegenden Fall wurde die fragliche Auslegung des einfachen Gesetzesrechts durch die belangte Behörde in einem parallelen Beschwerdeverfahren bereits vom Verwaltungsgerichtshof überprüft. Mit Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0065-11, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dabei verwies der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf sein Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2005/06/0140-8, in dem hinsichtlich der Frage der Auftraggeberschaft für das Protokollbuch eines Gendarmeriepostens wiederum auf das VwGH-Erkenntnis vom , Zl. 2004/06/0169, verwiesen wird, in dem es - Rechtssatz 1 im Rechtsinformationssystem des Bundes, http://www.ris.bka.gv.at/vwgh/, abgerufen am - wie folgt heißt:
'Nach dem E vom , Zl. 2004/06/0086, ist das Protokollbuch (eines Gendarmeriepostens) dem 'inneren Dienst' zuzuordnen. Die Eintragungen im Protokollbuch dienen bestimmungsgemäß dazu, den Geschäftsfall zu konkretisieren, um den Akt auffinden zu können. Es handelt sich dabei um eine behördeninterne Kanzleitätigkeit. Nichts anderes gilt für die Indexkarte, die (als eine Art Namensverzeichnis mit Betreffen) mit dem Protokollbuch bestimmungsgemäß Teil eines 'Aktenauffindungssystems' ist (Hinweis E vom , Zl. 2004/06/0018).'
Nach der, wie an Hand der mehrfachen Zitierungen und des publizierten Rechtssatzes erkennbar, bereits gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, die für die belangte Behörde gemäß § 63 Abs 1 VwGG zumindest indirekt so weit bindend ist, als gegenteilige Gesetzesauslegung den ggst. Bescheid anfechtbar machen würde, gehört die Führung eines Protokollbuchs oder einer Indexkartei zum 'inneren Dienst'; Auftraggeber eines bei einer Gendarmeriedienststelle geführten Protokollbuchs wäre demnach gemäß § 10 Abs 2 SPG (in der hier relevanten Fassung) das zuständige Gendarmeriekommando. Nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs in einem Parallelfall (Erk. B1158/03-11 vom ) hat die bel. Behörde 'in der Frage der Abgrenzung des Bereichs der inneren Organisation - also in einem wesentlichen Punkt - die Rechtslage grundlegend verkannt. Sie hat die in diesem Zusammenhang entscheidenden datenschutzrechtlichen Ansprüche von außerhalb der Organisation stehenden Personen nicht entsprechend berücksichtigt...'. Auftraggeber sei daher die Sicherheitsbehörde (Bezirkshauptmannschaft).
Der VfGH hat im selben Erkenntnis zunächst selbst ausgeführt, dass 'generelle Regelungen zur Ordnung des Aktenbestandes und damit auch solche über das Anlegen von Karteien nach bestimmten Ordnungskriterien zur Auffindung von Akten - wie andere Regelungen über den Geschäftsgang innerhalb einer Behörde auch - dem Bereich der inneren Organisation zuzuordnen' sind. Dass die generelle Regelung des 'Kanzleiwesens' somit eine Angelegenheit der inneren Organisation ist, scheint außer Streit zu stehen. Diese Sichtweise findet sich auch in den Geschäftseinteilungen etwa der Bundesministerien oder der Ämter der Landesregierungen, in welchen die Zuständigkeit zur Regelung des Kanzleiwesens regelmäßig jener Stelle vorbehalten ist, die für die innere Organisation der Dienststelle verantwortlich ist.
Wenn daher § 10 Abs 2 SPG davon spricht, dass die Kommanden, 'soweit sie für den inneren Dienst automationsunterstützt Daten verarbeiten, Auftraggeber ... sind', scheint es keineswegs unvertretbar, daraus zu schließen, dass sie Auftraggeber für die bei ihnen geführten Kanzleiinformationssysteme und sonstigen Kanzleibehelfe sind.
Im zitierten Erkenntnis B1158/03-11 ging der VfGH von dieser Zuordnung der Kanzleigeschäfte in einem Sonderfall dann ab, wenn ein konkreter Name mit entsprechenden weiteren Angaben in das Protokollbuch oder in die Indexkartei aufgenommen wird. 'Hier hat der Gesetzgeber subjektive Rechtspositionen geschaffen. Damit erweist sich aber die Bezirkshauptmannschaft Mödling als zutreffender Adressat der Löschungs- und Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers.'
Der VfGH scheint somit eine Aufsplittung der Kanzleigeschäfte hinsichtlich ihrer Zuordnung zu verlangen, indem sie zwar grundsätzlich zum 'inneren Dienst' zu rechnen sind, sobald jedoch personenbezogene Daten in den Indices festgehalten werden, seien diese Aufzeichnungen nicht mehr 'innerer Dienst'.
Die Begründung für die wesentliche Bedeutung einer solchen Differenzierung in der Zuordnung der Kanzleigeschäfte muss wohl aus den vorgängigen Ausführungen des VfGH im zitierten Erkenntnis entnommen werden, wonach die Lehre zwischen 'äußerer und innerer Organisationsgewalt' unterscheide, 'wobei der Grundgedanke der Abgrenzung der Umstand ist, ob die Rechtssphäre des Normunterworfenen gestaltet wird: Ist dies der Fall, liegt kein Fall der inneren Organisation mehr vor'. 'Für die äußere Organisation sind ausreichend determinierte gesetzliche Grundlagen erforderlich', während 'die Regelung der 'inneren Organisation' grundsätzlich keines Gesetzes bedarf sondern allein durch verwaltungsinterne Akte erfolgen kann.'
Die Unterscheidung ist daher offensichtlich insofern bedeutungsvoll, als in einem der 'inneren Organisation' zugerechneten Bereich keine gesetzlichen Regelungen über die Wahrung von Rechtspositionen Außenstehender notwendig sind. Daraus wird offenbar wiederum gefolgert, dass in diesem Bereich Rechtspositionen Dritter nicht berührt sein dürfen. Schon an dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass diese logische Schlussfolgerung dann nicht zwingend erscheint, wenn in einem Bereich, der zwar als 'innerer Dienst' bezeichnet wird, die Rechtspositionen von außenstehenden Dritten gesetzlich aber in der gleichen Weise abgesichert wurden, in der sie auch sonst - im Bereich der 'äußeren Organisation' - abgesichert sind.
Der VfGH gründet den Vorwurf der Willkür letztlich darauf, dass sich aus der falschen Zurechnung aller Kanzleigeschäfte zum 'inneren Dienst' die Gefahr eines Rechtsschutzdefizits für betroffene Dritte ergebe, woraus auch erklärlich wäre, dass diese falsche Zuordnung von solcher Bedeutung ist, dass sie 'in die Verfassungssphäre hinaufreicht'.
Nun wird keineswegs bestritten, dass eine solche 'verfassungsrelevante' Konsequenz sich aus der Zuordnung einer Angelegenheit zur inneren Organisation in vielen Fällen ergeben kann. Doch ist die belangte Behörde - und offensichtlich auch der Verwaltungsgerichtshof - der Auffassung, dass im vorliegenden Fall gerade diese Konsequenz aus der - einheitlichen - Zuordnung der Kanzleigeschäfte zu den 'Angelegenheiten des inneren Dienstes im Sinne des § 10 Abs 2 SPG' im Hinblick auf den datenschutzrechtlichen Rechtsschutz vermieden werden kann und daher bei genau dieser Problemstellung eine verfassungsrelevante - weil den Rechtsschutz wesentlich beeinträchtigende - Dimension nicht vorliegt:
Zunächst ist zu bedenken, dass seit alters her Kanzleiindices regelmäßig auch den Namen der Verfahrenspartei(en) als Betreff enthalten, weil dies ein äußerst geeignetes Suchkriterium für das Wiederauffinden von Aktenstücken ist und somit die Verwendung personenbezogener Daten aus einem effizienten Kanzleiwesen nicht wegzudenken ist. Diese Art der Verwendung personenbezogener Daten ist untrennbar und akzessorisch mit der Führung von Kanzleigeschäften verbunden. Daher wäre auch die Einschränkung des Begriffs 'Kanzleigeschäfte' (als Teil des inneren Dienstes) auf die Verbuchung von Geschäftsfällen ohne Verwendung von Namen von Verfahrensparteien ein Begriffsverständnis, das der Tradition österreichischer Verwaltungsführung widerspricht. In allen Dienststellen der öffentlichen Verwaltung, die für mehrere Organe als Hilfsapparat tätig werden, wie z.B in einem Amt einer Landesregierung, würde nun eine Aufsplittung der Verantwortlichkeit für die Führung eines Kanzleiinformationssystems je nach dem, ob ein Geschäftsfall einen Personenbezug aufweist, der im Index zum Tragen kommt, oder keinen Personenbezug zu außenstehenden Dritten hat, zu erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten führen, die mit den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit schwer in Einklang zu bringen wären. Dies gilt umso mehr für den heute üblichen Einsatz von elektronischen Aktenverwaltungssystemen, die nur unter einer einheitlichen Verantwortlichkeit für eine Dienststelle (oder vielmehr meist für ein ganzes Bündel gleichartiger Dienststellen) geplant und realisiert werden können.
Abgesehen von diesen Erwägungen aus dem Blickwinkel der Zweckmäßigkeit der Gestaltung der öffentlichen Verwaltung, ist aber das gewichtige Argument der allfälligen Gefährdung einer angemessenen Wahrung der Rechtspositionen von Betroffenen durch Zurechnung einer Angelegenheit zur 'inneren Organisation' hinsichtlich der Wahrung datenschutzrechtlicher Rechtspositionen im vorliegenden Fall nicht durchschlagend: Für die Wahrung datenschutzrechtlicher Rechtspositionen ist im beschwerdegegenständlichen Fall dadurch in bestmöglicher Weise vorgesorgt, dass durch Gesetz, und zwar durch § 10 Abs 2 SPG, dem jeweils zuständigen Kommando die Eigenschaft des datenschutzrechtlichen Auftraggebers für Datenanwendungen des inneren Dienstes ausdrücklich zugeschrieben wird. Hiedurch wird nochmals ausdrücklich gesetzlich bestätigt, dass im Bereich des inneren Dienstes der Kommanden das exakt gleiche Datenschutzniveau wie außerhalb des 'inneren Dienstes' vorzusorgen ist - was im übrigen auch ohne eine derartige Anordnung im SPG schon allein aufgrund des DSG 2000 der Fall wäre. Für die Rechte des Betroffenen ist daher in jedem Fall bestmöglich vorgesorgt - es ist gleichgültig, ob die datenschutzrechtliche Auftraggebereigenschaft einem (Polizei)Kommando oder der Sicherheitsbehörde zukommt, da beide aufgrund der für den Bereich der äußeren wie der inneren Organisation gleichermaßen geltenden gesetzlichen Vorschriften des DSG 2000 die gleichen datenschutzrechtlichen Pflichten haben und beide nach demselben Verfahren vorzugehen haben. So hat auch die Erfüllung eines an einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs gerichteten Löschungsbegehrens nicht etwa durch förmlichen Rechtsakt (Bescheid) zu erfolgen, sondern immer nur durch faktisches Handeln des Auftraggebers (Löschen oder Nicht-Löschen) und Mitteilung an den Betroffenen. Diese vorgeschriebene Vorgangsweise setzt daher auch keine Behördeneigenschaft beim Auftraggeber voraus. Sie kann von einem Kommando in gleicher Weise vorgenommen werden wie von einer Sicherheitsbehörde.
Im Übrigen würde sich die Auftraggebereigenschaft der BH Kufstein für das Protokollbuch des Gendarmeriepostens Kufstein auch dann nicht ergeben, wenn die Zurechenbarkeit der Führung eines Kanzleiindex hinsichtlich der Aufnahme personenbezogener Daten zum 'inneren Dienst' verneint würde. Diesfalls würden nämlich hinsichtlich der Datenverwendung in Kanzleiindices die allgemeinen Bestimmungen des DSG 2000 zum Tragen kommen, wonach als 'Auftraggeber' im Sinne des § 4 Z 4 DSG 2000 derjenige anzusehen ist, der die Entscheidung getroffen hat, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten. Die Entscheidung, dass und welche Daten in den Kanzleiindex des Gendarmeriepostens eingetragen werden, hat nicht die Bezirkshauptmannschaft Kufstein getroffen sondern der Gendarmerieposten Kufstein selbst, wenn auch unter der Weisungsgewalt übergeordneter Stellen. Die Weisungsgewalt allein bewirkt jedoch nicht, dass der Weisungsberechtigte selbst zum Auftraggeber aller Datenanwendungen eines Weisungsverpflichteten wird - die Eigenschaft des 'Auftraggebers' für eine bestimmte Datenanwendung steht immer nur dem unmittelbar Verfügungsberechtigten zu und nicht etwa nur obersten Organen.
Der Gesetzgeber kann im Übrigen auch nicht verpflichtet werden, eine bestimmte Terminologie der Lehre zu übernehmen. Das Sicherheitspolizeigesetz trifft in § 10 Abs 2 (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 151/2004) gesetzliche Regelungen für die automationsunterstützte Verarbeitung von Daten 'für Angelegenheiten des inneren Dienstes der Landes- und Bezirksgendarmeriekommanden' und legt fest, wer die zum Schutz des Betroffenen geschaffenen Pflichten eines Auftraggebers nach dem DSG 2000 hinsichtlich solcher Datenverarbeitungen wahrzunehmen hat. Damit weist aber § 10 Abs 2 SPG ohnehin einen gesetzlichen Determinierungsgrad auf, der selbst bei Zurechnung einzelner Kanzleigeschäfte (- die die Verwendung personenbezogenen Daten umfassen -) zu den Angelegenheiten der 'äußeren Organisation' (im Sinne der Lehre) als ausreichend gelten muss.
Damit verliert aber die Frage der Zurechnung der Kanzleigeschäfte der Polizei- und Gendarmeriekommanden zum 'inneren Dienst im Sinne § 10 SPG' hinsichtlich der Verwendung personenbezogener Daten ihre rechtliche Brisanz: Die Zurechnung einer Angelegenheit zur 'inneren Organisation' (im Sinne der Lehre) ist ja nur dann von Bedeutung, wenn daran die Konsequenz geknüpft wird, dass kein gesetzlicher Rechtsschutz vorgesehen wird und behauptet wird, dass die Regelung durch interne Vorschrift ausreichend sei. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da hinsichtlich der Zulässigkeit der Datenverwendung für Kanzleigeschäfte der Kommanden gemäß SPG die gesetzlichen Vorschriften des Datenschutzgesetzes in vollem Umfang Anwendung finden und die Kommanden als Auftraggeber alle Pflichten des DSG 2000 für Auftraggeber umzusetzen haben.
Die Zurechnung der Führung der Kanzleigeschäfte des Gendarmeriepostens Kufstein zum 'inneren Dienst im Sinne des § 10 Abs 2 SPG' muss daher nicht jene rechtlichen Konsequenzen haben, die den VfGH sonst veranlasst haben mögen, die Zurechnung einer Angelegenheit zur inneren Organisation als so wesentlich für die Rechtsstellung von Betroffenen anzusehen, dass eine fehlerhafte Zurechnung aufgrund Interpretation einfachgesetzlicher Vorschriften 'bis in die Verfassungssphäre emporragt und in diese eingreift.'
Die belangte Behörde vertritt daher nach wie vor die Auffassung, durch die Zurechnung der Auftraggebereigenschaft für Kanzleigeschäfte an den Gendarmerieposten Kufstein nicht im Sinne der mehrfach zitierten 'Gleichheitsformeln' in einer der Gesetzlosigkeit nahe kommenden Weise Willkür geübt zu haben, sondern vielmehr (im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses VfSlg. 15487) die einfachgesetzlichen Bestimmungen der §§4 Z. 4, 27 DSG 2000 und der §§10 Abs 2 und 13 SPG in einer vertretbaren, in die Rechtspositionen von Betroffenen nicht nachteilig eingreifenden Weise interpretiert zu haben."
Unter "Schlussfolgerungen" wird in der Gegenschrift zu diesem Thema noch darlegt:
"Die belangte Behörde erlaubt sich, zusammenfassend noch einmal zu dem zentralen Beschwerdepunkt der Frage der Auftraggebereigenschaft für die Führung eines 'Protokollbuches' oder 'Aktenindex' (zur Überwachung des Eingangs der Geschäftsstücke und zum Wiederauffinden der Akten) Folgendes festzuhalten:
Die belangte Behörde hat die Rechtsansicht vertreten, dass die Auftraggebereigenschaft für den gesamten Inhalt der bei einem Bezirksgendarmeriekommando geführten Kanzleiindices gemäß § 10 Abs 2 SPG (idF vor der Nov. BGBl I Nr 151/2004) diesem zukommt. Diese Rechtsansicht wird in jüngster Zeit auch vom VwGH in gefestigter Rechtsprechung (vgl. v.a. Erk. vom , Zl. 2004/06/0169) vertreten. Im Hinblick auf Art 129 iVm Art 131 B-VG geht die belangte Behörde davon aus, dass diese Auslegung eines Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof nicht als objektive Willkür wegen gehäufter Verkennung der Rechtslage im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zum Gleichheitssatz verstanden werden kann. Die belangte Behörde legt vielmehr zugrunde, dass das Erk. des VfGH B1158/03 im Wesentlichen auf eine mangelhafte Begründung seitens der belangten Behörde für ihre Rechtsansicht zurückzuführen ist, ein Versäumnis, das nunmehr - unter Einbeziehung der eingehenden Begründung des Verwaltungsgerichtshofs für diese Rechtsauffassung - nachzuholen versucht wurde.
Eine Interpretation von § 10 Abs 2 letzter Satz SPG (in der beschwerdegegenständlichen Fassung) dahingehend, dass die Verwendung von personenbezogenen Daten von außerhalb der Organisation stehenden Personen von der Zuordnung zum Sachgebiet 'innerer Dienst' quasi per definitionem ausgenommen wäre, weil durch diese Verwendung subjektive Rechtspositionen gestaltet werden, steht im Falle des 'Kanzleiwesens' im Widerspruch zu dem seit Jahrhunderten üblichen Verständnis dieses Begriffes.
Die ... beschriebene Interpretation ist auch zur Wahrung der datenschutzrechtlichen Rechtspositionen von außenstehenden Betroffenen keineswegs erforderlich:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | sie bringt keine Verbesserung der Rechtsposition des Betroffenen mit sich, da die Auftraggeberpflichten durch das DSG 2000 umfassend und für alle Auftraggeber gleich geregelt sind, sodass es für den Betroffenen keinerlei Vorteil darstellt, wenn eine Sicherheitsbehörde Auftraggeber ist und nicht eine Gendarmeriedienststelle, |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | sie ist vielmehr voraussichtlich sogar hinderlich, da Betroffene vor der Durchsetzung ihrer Auskunfts-, Richtigstellungs- und Löschungsrechte komplizierte Erwägungen über materielle Zuständigkeiten anstellen müssten und sich nicht mehr einfach an jene Stelle wenden könnten, wo die Daten sichtbar verwendet werden, |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | sie macht das Kanzleiwesen praktisch kaum vollziehbar, da es angesichts der weitgehenden Unvermeidlichkeit der Verwendung von personenbezogenen Daten regelmäßig eine Vielzahl von Auftraggebern mit unterschiedlichsten Organisationsvorstellungen gäbe, die möglicherweise sogar miteinander unvereinbar sein könnten." |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen: |
2.1. Der angefochtene Spruchpunkt 2. bildet einen selbstständigen Teil des Bescheides der Datenschutzkommission. Die Beschwerde - auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor - ist zulässig.
2.2. Die Datenschutzkommission hat die Bezirkshauptmannschaft Kufstein als datenschutzrechtlichen Auftraggeber der Daten des Beschwerdeführers in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (KPA) gesehen und dem Löschungsbegehren stattgegeben. Nicht jedoch hat sie die Bezirkshauptmannschaft Kufstein als Auftraggeber betreffend die Daten des Beschwerdeführers in Indexkartei und Protokollbuch der Gendarmeriedienststelle angenommen. Sie hat deshalb das Löschungsbegehren abgewiesen.
Der Verfassungsgerichtshof hat - beginnend mit seiner Entscheidung vom , B1158/03 (VfSlg. 17.716/2005) - in seither ständiger Judikatur (VfSlg. 17.747/2006, 17.748/2006) die Auftraggeberschaft der Bezirkshauptmannschaft für personenbezogene Daten bejaht, die nach Anzeigen bei der zugeordneten Gendarmeriedienststelle verblieben sind. Er hat dazu in seiner Entscheidung VfSlg. 17.716/2005 ausgeführt.
"Generelle Regelungen zur Ordnung des Aktenbestandes und damit auch solche über das Anlegen von Karteien nach bestimmten Ordnungskriterien zur Auffindung von Akten sind - wie andere Regelungen über den Geschäftsgang innerhalb einer Behörde auch - dem Bereich der inneren Organisation zuzuordnen (vgl. zB auch Pernthaler, Raumordnung und Verfassung, 2. Bd., 1978, S 182ff.). Wird jedoch ein konkreter Name mit entsprechenden weiteren Angaben in das Protokoll(buch) oder in die Indexkartei aufgenommen, so kann keinesfalls mehr von einer Angelegenheit des inneren Dienstes gesprochen werden. Hier hat der Gesetzgeber subjektive Rechtspositionen der Betroffenen geschaffen (vgl. Adamovich-Funk-Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, 2. Bd., 1998, S 116). Damit erweist sich aber die Bezirkshauptmannschaft [...] als zutreffender Adressat der Löschungs- und Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers."
Der Gerichtshof kam in diesen Fällen mit folgender Begründung wegen Verletzung des Gleichheitssatzes zu einer aufhebenden Entscheidung:
"Die Behörde hat in der Frage der Abgrenzung des Bereichs der inneren Organisation - also in einem wesentlichen Punkt - die Rechtslage grundlegend verkannt. Sie hat die in diesem Zusammenhang entscheidenden datenschutzrechtlichen Ansprüche von außerhalb der Organisation stehenden Personen nicht entsprechend berücksichtigt und in ihre Erledigung die kriminalpolizeilichen Aspekte der Datenverarbeitung nicht aufgenommen."
Der Gerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von seiner Auffassung, was unter innerem Dienst zu verstehen ist, abzugehen. Auch im vorliegenden Fall hat die Behörde die Rechtslage in demselben wesentlichen Punkt verkannt.
2.3. Der Beschwerdeführer wurde damit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weshalb dieser im (allein) angefochtenen Spruchpunkt 2. aufzuheben war.
Wegen Untrennbarkeit des (Bescheid)Spruchpunktes 2. braucht zur in Beschwerde und Gegenschrift auch angesprochenen Frage der Löschung des Papier- oder Kopienaktes nicht Stellung genommen werden. Es wird freilich auf VfSlg. 17.745/2005 und verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von EUR 360,-
enthalten.
4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.