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OGH vom 23.11.2006, 8Ob110/06v

OGH vom 23.11.2006, 8Ob110/06v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Ulrich Gstrein, Rechtsanwalt in Imst, gegen die beklagten Parteien 1. Florian R*****,

2. G*****, und 3. Johann G*****, sämtliche vertreten durch Dr. Christian J. Winder und Dr. Klemens Stefan Zelger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Aufkündigung, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 484/05y-26, mit dem aus Anlass der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Imst vom , GZ 7 C 207/04h-22, das Verfahren mit Ausnahme der gerichtlichen Aufkündigung als nichtig aufgehoben und die Einwendungen der Beklagten zurückgewiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens stellen weitere Verfahrenskosten dar.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Bestandnehmerin eines in einem Fachmarktzentrum gelegenen Geschäftslokales sowie des von der Klägerin, an der Südseite rechts neben dem Haupteingang, errichteten verglasten Zubaus mit einer Gesamtfläche von ca. 73,09 m². Bestandgeber sind die Beklagten.

Mit dem am beim Bezirksgericht Imst eingebrachten Schriftsatz beantragte die Klägerin unter Aufkündigung der Bestandrechte, den Beklagten als Bestandgeber aufzutragen, das Bestandobjekt binnen 14 Tagen, gerechnet vom Kündigungstermin , von der kündigenden Partei zu übernehmen oder binnen 14 Tagen nach Zustellung bei diesem Gericht Einwendungen zu erheben. Das Bezirksgericht Imst erließ am selben Tag den beantragten Auftrag (§ 564 Abs 1 ZPO) mittels „Bewilligungsstampiglie grün" gemäß § 112 Geo. Die „Aufkündigung" wurde in der Folge am dem Erstbeklagten und schließlich am der Zweit- und dem Drittbeklagten zu eigenen Handen zugestellt. Die Einwendungen der Beklagten langten am beim Erstgericht ein. In diesen machten sie im Wesentlichen geltend, dass die behaupteten Gründe für die Lösung des Bestandvertrages gar nicht vorliegen würden. Es fand in der Folge ein umfassendes Beweisverfahren statt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da der geltend gemachte Auflösungsgrund nicht verwirklicht sei. Dagegen erhob die Klägerin Berufung.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung und das dieser vorausgegangene Verfahren mit Ausnahme der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung als nichtig auf und wies die Einwendungen gegen die gerichtliche Aufkündigung zurück. Das Berufungsgericht komme nicht umhin, aus Anlass der Berufung von Amts wegen einen Nichtigkeitsgrund aufzugreifen. Maßgeblich für das Verfahren der gerichtlichen Aufkündigung seien die Bestimmungen über das Bestandverfahren nach §§ 560 ff ZPO. Das Gericht habe über die Aufkündigung einen entsprechenden Beschluss zu fassen, welcher dem Kündigungsgegner samt einer Gleichschrift der Aufkündigung zuzustellen sei (§ 564 ZPO). Für die Erhebung der Einwendungen sei dem Kündigungsgegner gemäß § 562 Abs 1 letzter Satz ZPO eine Frist von vier Wochen zu bestimmen. Diese Frist sei, wie sich aus § 570 ZPO ergebe, eine gesetzliche Notfrist, die gemäß § 128 ZPO zwar nicht verlängert, gemäß § 129 ZPO jedoch wie jede Notfrist verkürzt werden könne; dies über Parteienvereinbarung oder Antrag. Das Erstgericht habe den Beschluss über die gerichtliche Aufkündigung so erlassen, wie er von der Klägerin beantragt worden sei und den Beklagten daher eine verkürzte Einwendungsfrist von 14 Tagen bestimmt. Diese Frist sei daher am abgelaufen. Die Einwendungen der Beklagten seien jedoch frühestens am und somit deutlich außerhalb der festgesetzten Frist, zur Post gegeben worden und wären somit gemäß § 571 Abs 3 ZPO zurückzuweisen gewesen. Die Verhandlung über verspätete Einwendungen gegen die gerichtliche Aufkündigungen bewirke die Nichtigkeit des Verfahrens und der darüber ergangenen Entscheidung.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs („Revisionsrekurs") der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben. Der Rekurs der Beklagten ist, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, zulässig: Im Bestandverfahren kommt es einer - iSd § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen erfolgten - Zurückweisung der Klage gleich, wenn durch berufungsgerichtlichen Beschluss das Verfahren in einen Stand vor wirksamer Erhebung von Einwendungen zurückversetzt wird (vgl SZ 52/125 = MietSlg XXXI/32; EvBl 1989, 215/60 = SZ 61/197; RIS-Justiz RS0043824, zuletzt 7 Ob 296/01g). Wegen Rechtsähnlichkeit ist daher auch die Voraussetzung nach § 521a Abs 1 Z 3 ZPO zu bejahen, sodass das Rechtsmittelverfahren zweiseitig ist und die Rekursfrist gemäß § 521 Abs 1 ZPO vier Wochen beträgt (7 Ob 296/01g mwN). Das demnach also jedenfalls zulässige Rechtsmittel der Beklagten ist im Sinne einer ersatzlosen Aufhebung des zweitinstanzlichen Beschlusses samt Auftrag zur Behandlung der Berufung der Klägerin auch berechtigt.

Für das Verfahren der gerichtlichen Aufkündigung sind die §§ 560 ff ZPO maßgeblich. Im gegenständlichen Fall ist insbesondere auf die Bestimmung des § 562 ZPO einzugehen. Nach Abs 1 letzter Satz dieser Bestimmung ist zur Anbringung von Einwendungen (gegen die gerichtliche Aufkündigung) eine Frist von vier Wochen zu bestimmen. § 570 ZPO legt fest, dass diese Frist nicht verlängert werden kann. Nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre handelt es sich bei der Einwendungsfrist von 4 Wochen um eine prozessuale Notfrist (vgl Lovrek in Fasching/Konecny2 IV/1 § 562 Rz 55; Frauenberger in Rechberger ZPO2 § 562 Rz 3 mwN).

Damit stellt sich die Frage, inwieweit die in § 129 ZPO vorgesehene Möglichkeit der Fristverkürzung auch auf diese Frist zur Anwendung gelangen kann.

§ 129 ZPO lautet wie folgt:

§ 129. (1) Alle Fristen können durch Vereinbarung der Parteien

abgekürzt werden. Die Vereinbarung muss, um für das Gericht wirksam zu sein, urkundlich nachgewiesen werden.

(2) Das Gericht kann richterliche und gesetzliche Fristen auf Antrag nur einer der Parteien abkürzen, wenn Umstände glaubhaft gemacht werden, welche eine solche Abkürzung zur Abwendung drohender erheblicher Nachtheile geboten erscheinen lassen und wenn zugleich der Partei, für deren Handeln die Frist bestimmt ist, die Vornahme der bezüglichen Prozesshandlung während der abgekürzten Frist ohne Schwierigkeit möglich ist."

(Hervorhebung nicht im Text)

Bereits die Formulierung des Gesetzestextes lässt darauf schließen, dass es sich um ein Verfahren handeln muss, an dem bereits „beide" Parteien beteiligt sind. Dies ist aber bei der Aufkündigung vor deren Zustellung grundsätzlich nicht vorgesehen. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob dann, wenn ein eigener Antrag auf Fristverkürzung gestellt wird, auch hier eine solche Verkürzung erfolgen könnte (vgl in diesem Sinne offenbar Buchegger in Fasching/Konecny II2 § 129 Rz 4), da hier ein solcher gesonderter Antrag ohnehin nicht gestellt wurde. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - die andere Partei am Verfahren bis zur Erlassung der gerichtlichen Aufkündigung nicht beteiligt ist, kann die Verkürzung nicht wirksam vorgenommen werden. Außerdem gestattet § 129 ZPO eine Fristverkürzung auf Antrag nur dann, wenn Umstände glaubhaft gemacht werden, die eine Abkürzung geboten erscheinen lassen (vgl § 129 Abs 2 ZPO). Nichts dergleichen wurde hingegen im gegenständlichen Verfahren von der Klägerin vorgebracht oder bescheinigt.

In Stattgebung des Rekurses der Beklagten war daher der Beschluss des Berufungsgerichtes ersatzlos aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur Entscheidung über die Berufung der Klägerin zurückzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 52 ZPO.