OGH vom 26.07.2016, 9Ob69/15k

OGH vom 26.07.2016, 9Ob69/15k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei R***** reg. GenmbH, *****, vertreten durch Wirleitner Oberlindober Niedermayr Gursch, Rechtsanwälte in Steyr, wegen 30.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 86/15x 41, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 10 Cg 9/14i 36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.680,84 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 280,14 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

V***** war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 63 GB ***** (in weiterer Folge: EZ 63) und zur Hälfte Miteigentümer der EZ 402 GB ***** (in weiterer Folge: EZ 402), wobei mit diesem Miteigentumsanteil Wohnungseigentum an der Wohnung 2 (in weiterer Folge: W 2) untrennbar verbunden war. Zur anderen Hälfte Miteigentümerin an der EZ 402, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung 1 (W 1), war M*****.

Die Beklagte gewährte V***** Kredite. Im Grundbuch wurden aufgrund der Pfandurkunde vom zugunsten der Beklagten ob dem Miteigentumsanteil BLNr 1 des V***** an der EZ 402 als Haupteinlage und ob der EZ 63 als Nebeneinlage das Simultanpfandrecht für einen Höchstbetrag von 120.000 EUR einverleibt. Ob der EZ 63 waren weitere Pfandrechte für die Höchstbeträge von 39.000 EUR und 240.000 EUR zugunsten der Beklagten im Grundbuch einverleibt.

Zu einem späteren Zeitpunkt gewährte der Vater der Klägerin V***** ein Darlehen. Für den Vater der Klägerin wurde aufgrund der Pfandurkunde vom ob der Gesamtliegenschaft EZ 402 das Pfandrecht für die Forderung von 85.000 EUR einverleibt. Auf dem Liegenschaftsanteil BLNr 1 ging das Höchstbetragspfandrecht der Beklagten dem Pfandrecht des Vaters der Klägerin vor.

Der Vater der Klägerin verstarb am . Die Klägerin gab am die bedingte Erbantrittserklärung ab, sodass sie ab diesem Zeitpunkt für die Verlassenschaft vertretungsbefugt war. Sie wurde am als Alleinerbin eingeantwortet.

V***** zahlte das Darlehen nicht zurück, auch die Kredite wurden notleidend.

Zu Jahresbeginn 2009 rief eine Mitarbeiterin der Beklagten bei der Klägerin an und erörterte mit ihr die Möglichkeit eines freihändigen Verkaufs und die Möglichkeit, dass dadurch ein erhöhter Kaufpreis erzielt werden könne. Der Klägerin erschien dies plausibel. Weder die Klägerin noch die Mitarbeiterin der Beklagten wussten zum damaligen Zeitpunkt, wie im Fall einer Versteigerung – bei Vorliegen eines Simultanpfandrechts – die Erlöse zu verteilen sind.

Es steht nicht fest, ob die Mitarbeiterin der Beklagten in diesem Zusammenhang zur Klägerin sagte, sie werde sowieso ihren Betrag erhalten, weil das Haus ja um vieles mehr wert sei als ihre Forderung. Es steht auch nicht fest, dass die Mitarbeiterin der Beklagten im Zuge dieses Gesprächs die Klägerin aufforderte, mit der Versteigerung zu warten bzw ersuchte, eine solche nicht einzuleiten oder auf sie Druck ausübte.

Die Klägerin unterließ in weiterer Folge zunächst die Einleitung des Versteigerungsverfahrens, weil sie sich aufgrund der Ausführungen der Mitarbeiterin der Beklagten erhoffte, bei einem freihändigen Verkauf einen größeren Erlös zu erzielen. Am rief die Mitarbeiterin der Beklagten die Klägerin an und teilte ihr mit, sie solle versteigern.

Ein Jahr später, am verkaufte die Beklagte die Liegenschaft EZ 63 freihändig um 120.000 EUR. Der Erlös ging an die Beklagte. Auf dem Miteigentumsanteil BLNr 1 der Liegenschaft EZ 402 blieb das Pfandrecht der Beklagten als erstrangiges Singularpfandrecht eingetragen.

Am beantragte die Klägerin die Zwangsversteigerung der gesamten EZ 402 zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 85.000 EUR sA. Gleichzeitig mit dem laufenden Exekutionsverfahren wurde die freihändige Verwertung der Liegenschaft betrieben. Die Pfandgläubiger vereinbarten für den Fall der freihändigen Veräußerung beider Wohnungseigentumseinheiten folgende Erlösverteilung:

aus W 2: Beklagte 100.000 EUR

aus W 1 und W 2: Klägerin 100.000 EUR

aus W 1: ein weiterer Gläubiger 15.000 EUR

Aus dem schließlich im Weg des Freihandverkaufs der W 2 des V***** erzielten Erlös von 107.500 EUR erhielten die Beklagte 100.000 EUR und die Klägerin 7.500 EUR. Die Klägerin gab dem Exekutionsgericht bekannt, dass die W 2 verkauft wurde und beantragte die Einstellung der Zwangsversteigerung bezüglich dieser Wohnung, die auch bewilligt wurde.

Die Wohnung W 1 wurde um 75.000 EUR versteigert, diesen Betrag erhielt die Klägerin.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 30.000 EUR sA. Die Beklagte habe die Klägerin wider besseres Wissen dazu veranlasst, vorerst keine Zwangsversteigerung durchzuführen. Durch die Auflösung des Simultanpfandrechts nach Verkauf der Liegenschaft EZ 63 habe die Beklagte verhindert, dass § 222 EO zur Anwendung gelangen konnte, weshalb der Klägerin ein Schaden entstanden sei. Die Beklagte habe die Klägerin als Sachverständige iSd § 1299 ABGB über die Rechtslage in die Irre geführt bzw getäuscht, sodass sie auch gemäß § 874 ABGB zum Schadenersatz verpflichtet sei. Der Beklagten sei daher auch eine Verletzung vorvertraglicher Schutz und Sorgfaltspflichten vorzuwerfen.

Die Beklagte wandte dagegen zusammengefasst ein, dass es nicht ihre Aufgabe sei, die Interessen der Klägerin wahrzunehmen, weil keine vertragliche Sonderbeziehung zu dieser bestanden habe. Sie habe keine Schädigungsabsicht gehabt. Die Klägerin hätte auch bei gleichzeitiger Versteigerung aller verpfändeten Liegenschaften keinen höheren Erlös erzielt, als sie tatsächlich erhalten habe. Für eine freihändige Verwertung der Liegenschaft EZ 402 sei das Einvernehmen aller Pfandgläubiger herzustellen gewesen, um eine für den Käufer unabdingbare Lastenfreistellung bewirken zu können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Die Klägerin hätte zwar bei einer gemeinsamen Versteigerung der Liegenschaften EZ 63 und EZ 402, BLNr 1, mehr erhalten, als sie tatsächlich bekam, weil nicht feststehe, dass die Beklagte unverhältnismäßige Befriedigung verlangt hätte. Es bestehe aber keine Sonderrechtsbeziehung zwischen Klägerin und Beklagter als Pfandgläubiger, die eine schadenersatzrechtliche Haftung gemäß § 1300 Satz 1 ABGB begründen könnte. Für eine deliktische Haftung fehle es an einem Schädigungsvorsatz der Beklagten. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe der Klägerin lediglich die Vorteile einer freihändigen Veräußerung aufgezeigt.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Richtig sei, dass der Klägerin ein Schaden entstanden sei, weil sie bei Anwendung des § 222 EO einen höheren Erlös aus der Verwertung der Liegenschaften erzielt hätte. Es bestehe jedoch zwischen der Beklagten als Simultanpfandgläubigerin und der Klägerin als Nachhypothekarin keine rechtliche Sonderbeziehung, die eine Haftung der Beklagten gemäß § 1300 Satz 1 ABGB begründen könnte. Einen für eine deliktische Haftung – etwa gemäß § 1300 Satz 2 ABGB –erforderlichen Schädigungsvorsatz der Beklagten habe die Klägerin nicht beweisen können. Es sei nach den Feststellungen auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Klägerin auf irgendeine Weise in die Irre führen wollte, sodass auch Schadenersatz wegen Arglist iSd § 874 ABGB ausscheide.

Die Beklagte habe auch keine Aufklärungs oder Warnpflichten verletzt. Eine Verletzung vorvertraglicher Schutz und Sorgfaltspflichten könne allenfalls in Bezug auf die einzige, zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung, nämlich jene über die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung der EZ 402, Wohnung W 2, vorliegen. Es bestehe jedoch keine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entscheidung einen Einfluss haben können. Eine Warnpflicht eines Hypothekars gegenüber einem anderen scheide auch vor dem Hintergrund aus, dass der Gesetzgeber die §§ 216 ff EO als dispositives Recht gestalte und daher davon ausgehe, dass die Parteien bei Abschluss einer Vereinbarung von diesen Bestimmungen abweichen. Die Klägerin habe der Vereinbarung über die Verteilung des Verkaufserlöses bezüglich der Liegenschaft EZ 402, W 2, auch dadurch schlüssig zugestimmt, dass sie die Einstellung der Zwangsversteigerung unter Hinweis auf diesen Verkauf beantragte. Die Klägerin habe die Vereinbarung über die Verteilung des Verkaufserlöses nicht angefochten und nie behauptet, dass diese wegen eines Irrtums unwirksam wäre. Ein (auch gemeinsamer) Irrtum über die Anwendbarkeit gesetzlicher Vorschriften sei nur relevant, wenn die Parteien diese gesetzlichen Vorschriften durch Verweisung zum mittelbaren Inhalt ihrer Erklärung gemacht haben. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob/inwieweit eine als solche über Expertise im Recht der Hypotheken verfügende Bank bei (vor) Abschluss einer Vereinbarung iSd § 214 Abs 2 EO (analog) mit einem anderen (über keine solche Expertise verfügenden) Hypothekar verpflichtet ist, diesen darauf hinzuweisen, dass die Vereinbarung zu seinem Nachteil von den Grundsätzen der §§ 216 ff EO abweichen könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Eine „Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens“ liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst hätte, wäre sein Verfahren mangelhaft (RIS Justiz RS0043150; RS0043371). Davon kann hier keine Rede sein: Das Berufungsgericht hat sich ausführlich und mit nachvollziehbaren Ausführungen mit der Beweisrüge auseinandergesetzt, sodass seine Entscheidung mängelfrei ist. Mit dem Argument, dass das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung hätte durchführen müssen, richtet sich die Klägerin in Wahrheit gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die in dritter Instanz jedoch nicht mehr angefochten werden kann (zB RIS Justiz RS0112242). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS Justiz RS0043150 [T8]).

2. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage spricht die Revisionswerberin nicht an, sodass darauf nicht einzugehen ist. Sie könnte sich darüber hinaus nur dann stellen, wenn die Klägerin ihre Ansprüche auf die Verletzung der – einzigen zwischen den Parteien getroffenen – Vereinbarung über die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung der EZ 402, W 2, gestützt hätte. Das hat die Klägerin aber nicht getan, sie hat diese Vereinbarung insbesondere auch nicht angefochten. Die Klägerin führt auch in ihrer Rechtsrüge noch einmal ausdrücklich aus, dass lediglich von Relevanz sei, dass die Mitarbeiterin der Beklagten ihr einen anspruchsbegründenden falschen Rat (mit der Verwertung zuzuwarten) gegeben habe. Einen solchen „falschen Rat“ hat die Klägerin nach den für den Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, bindenden Feststellungen jedoch von der Mitarbeiterin der Beklagten nicht erhalten. Es bedarf daher auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beklagten in Bezug auf die Vereinbarung über die Verteilung des Verwertungserlöses der EZ 402, W 2, eine Verletzung vorvertraglicher Schutz und Sorgfaltspflichten vorzuwerfen wäre und den diesbezüglichen Revisionsausführungen der Klägerin.

3. Die Klägerin bestreitet in ihrer Revision nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Simultanpfandgläubiger und sein Nachhypothekar zueinander in keinem Rückgriff oder Schadenersatz auslösenden Verpflichtungsverhältnis zueinander stehen (RIS Justiz RS0003469). Sie hält vielmehr an ihrer Ansicht fest, dass die Beklagte ihr aus eigenem Interesse einen falschen Rat erteilt hätte, weshalb sie einen Schadenersatzanspruch gemäß § 1300 Satz 1 ABGB habe. Wäre die Klägerin diesem falschen Rat nicht gefolgt, hätte sie die zwangsweise Verwertung der EZ 63 („Pfandobjekt 1“) – bzw im Rahmen eines einzuleitenden Insolvenzverfahrens – beider Pfandobjekte veranlasst und dabei einen höheren Erlös erzielt, weil es mangels freihändiger Verwertung der EZ 63 nicht zur Umwandlung des Simultanpfandrechts in eine Höchstbetragshypothek gekommen wäre.

Mit diesen Ausführungen weicht die Klägerin in unzulässiger Weise von den Sachverhaltsfeststellungen ab. Es steht insbesondere nicht fest, dass die Klägerin von der Beklagten aufgefordert oder ersucht wurde, mit der Versteigerung zu warten, oder dass auf sie Druck ausgeübt worden wäre. Soweit die Revision – auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs gemäß § 874 ABGB – nicht von diesen Feststellungen ausgeht, ist sie daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS Justiz RS0035979).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00069.15K.0726.000