OGH vom 18.12.2003, 8ObA14/03x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Gerhard A*****, ÖBB-Bediensteter, *****, 2. Siegfried K*****, ÖBB-Bediensteter, *****, und 3. Leopold K*****, Instruktor, *****, sämtliche vertreten durch Dr. Alfred Hawel und DDr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, Elisabethstraße 9, 1010 Wien, vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 21.801,85), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 180/02y-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 27 Cga 23/01g-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
1) Das mit Beschluss vom , GZ 8 ObA 14/03x, unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.
2) Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.090,59 (darin enthalten EUR 348,43 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Nicht konkret bestritten bzw ausdrücklich zugestanden ist folgender Sachverhalt: Die Kläger sind seit 1983 (Erstkläger), 1971 (Zweitkläger) bzw 1967 (Drittkläger) bei den ÖBB im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigt, aber unkündbar ("Bundesbahn-Beamte"). Auf ihre Dienstverhältnisse kamen jedenfalls auch die einschlägigen Regelungen der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 (BB-PO 1966) "in ihrer jeweils geltenden Fassung" zur Anwendung. Am einigten sich Vorstand und Personalvertretung der Beklagten auf "Allgemeine Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB)". Diese traten mit in Kraft. Gemäß § 1 Abs 1 gelten die Allgemeinen Vertragsbedingungen für alle Dienstverhältnisse zu den Österreichischen Bundesbahnen. Sie finden gemäß Abs 3 in der jeweils geltenden Fassung auf das Dienstverhältnis Anwendung. Soweit in den Allgemeinen Vertragsbedingungen auf Gesetze oder andere Regelungskomplexe verwiesen wird, sind diese, sofern nichts anderes bestimmt wird, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß § 24 Abs 4 AVB ist das Unternehmen verpflichtet, von den finanziellen Leistungen aus dem Dienstverhältnis, die nach gesetzlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen vorgesehenen Abgaben und Steuern sowie die auf Grund gerichtlicher Exekution bestimmten Beträge einzubehalten. Darüber hinaus ist das Unternehmen ohne Zustimmung des ÖBB-Angestellten berechtigt, die nach den Bestimmungen dieser Vertragsbedingungen festgelegten Kürzungen und Einbehaltungen von den finanziellen Leistungen aus dem Dienstverhältnis durchzuführen und die im Rahmen der betrieblichen Pensionsvorsorge vorgesehenen Beiträge einzubehalten. Bei den Bediensteten, für die die Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 gilt, ist das Unternehmen im Sinne des § 24 Abs 4 berechtigt, auch die nach deren Bestimmungen festgelegten Kürzungen und Einbehaltungen von den finanziellen Leistungen aus dem Dienstverhältnis durchzuführen (Z 6). Durch das Eisenbahnrechtsanpassungsgesetz 1997 (EIRAG 1997), BGBl 15/1998, wurde § 21 Abs 3 BBG unter anderem dahin novelliert, dass von den aktiven Bundesbahnbeamten und den Ruhegenussempfängern zusätzlich 3 % bzw 4 % ab als Pensionssicherungsbeitrag zu leisten seien. Weiters wurde ein Abs 4 angefügt, wonach der Pensionssicherungsbeitrag für Aktive mindestens 3 %, ab 4 % beträgt, zusätzlich zu dem Pensionsbeitragssatz von 10,25 % nach dem ASVG.
Nach Aufhebung des Pensionsreformgesetzes 2000 durch den Verfassungsgerichtshof wegen eines Formfehlers änderte das inhaltsgleiche Pensionsreformgesetz 2001, BGBl 86/2001, mit Wirkung vom § 21 BBG unter anderem dahin ab, dass gemäß Abs 3a Z 2 der aktive Beamte einen monatlichen Pensionssicherungsbeitrag sowie einen Pensionssicherungsbeitrag von jeder Sonderzahlung zu entrichten hat, wobei gemäß dem letzten Satz des Abs 3b der Pensionsbeitrag 10,25 % und der Pensionssicherungsbeitrag 4,8 % beträgt. Ebenfalls mit trat das - nach Aufhebung des Pensionsreformgesetzes 2000 - mit Pensionsreformgesetz 2001 geschaffene Bundesgesetz über die Pensionsversorgung der Beamten der Österreichischen Bundesbahnen - Bundesbahn-Pensionsgesetz (BB-PG) in Kraft. Dieses Gesetz regelt gemäß seinem § 1 Abs 1 Z 1 unter anderem die Versetzung in den dauernden Ruhestand der Angestellten der Österreichischen Bundesbahnen, für die § 67 Abs 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) gilt. Nach dem letzten Satz des Abs 1 dieser Gesetzesstelle treten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen über die Versetzung in den dauernden Ruhestand und über Pensionsansprüche der in Z 1 bis 3 angeführten Personen.
Das wesentliche Vorbringen der Parteien wurde bereits ausführlich im Beschluss vom dargestellt.
Die Kläger begehrten zuletzt die Feststellung, dass auf ihre Arbeitverhältnisse die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Pensionsvorsorge der Beamten der Österreichischen Bundesbahnen - Bundesbahn - Pensionsgesetz (BB-PG), BGBl 2000/95, sowie § 21 Abs 3 lit a Z 2 und Abs 3 lit b letzter Satz 2. Halbsatz Bundesbahngesetz 1992 (BBG) idf BGBl 2000/95 weder unmittelbar noch mittelbar durch Verweis in den Allgemeinen Vertragsbedingungen der beklagten Partei zur Anwendung kommen. Sie stellten auch ein Eventualbegehren, festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, ab einen über 4 % hinausgehenden Pensionssicherungsbeitrag vom Entgelt der Kläger einzubehalten und die Klägern nach Erreichen der Anwartschaft auf Ruhegenuss auf ihren Antrag in den dauernden Ruhestand zu versetzen habe.
Sie brachten - soweit dies im Revisionsverfahren noch relevant ist - zusammengefasst verfassungsrechtliche Bedenken gegen die mit der Pensionsreform vorgenommenen gesetzlichen Änderungen vor. Die Beklagte wendete ein, dass die Dienstverhältnisse ihrer Mitarbeiter derart gestaltet seien, dass Vertragsschablonen durch die mit den Dienstnehmern vereinbarten "Jeweilsklauseln" dynamisch auf die Dienstverhältnisse wirkten. Die Änderung des Bundesbahngesetzes 1992 und die Schaffung des BB-PG habe die zwischen den Parteien geltenden Vertragsschablonen verdrängt. Eingriffe in die Privatautonomie seien insofern nicht verfassungswidrig. Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Zur Darstellung der Begründung der Vorinstanzen wird auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofes in in dieser Rechtssache vom verwiesen.
Die von den Klägern gegen dieses Urteil erhobene Revision ist schon gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens wird auf die Begründung des Beschlusses in dieser Rechtssache vom , mit dem ein Antrag auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen des BB-PG an den Verfassungsgerichtshof gestellt wurde, verwiesen. Hier ist nur noch festzuhalten, dass nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes die Dienstvorschriften wie Dienstordnung, Bundesbahnpensionsordnung, Disziplinarordnung und Besoldungsordnung nur Vertragsschablonen darstellen, die mit dem Abschluss der jeweiligen Einzeldienstverträge rechtlich wirksam werden (RIS-Justiz RS0052622; RS0054759; RS0071251; RS0052693; RS0052649; VfSlg 8132). Die im Bundesgesetzblatt kundgemachten Dienstvorschriften hatten demnach keinen normativen Charakter (VfGHSlg 12.313; 14.075; 15.535 ua).
Der im Verleihungsschreiben enthaltene ausdrückliche Hinweis, dass auf das Dienstverhältnis die DO (= Dienstordnung) in ihrer jeweiligen Fassung sowie die sonstigen für die Beamten der Österreichischen Bundesbahnen jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung finden, wird durch die widerspruchslose Annahme Inhalt des Arbeitsvertrags (ArbSlg 8580; DRdA 1991, 246; ArbSlg 11.883; RIS-Justiz RS0052618). Der "Änderungsvorbehalt" im Sinne dieser "Jeweilsklausel" wurde vom Obersten Gerichtshof dahin interpretiert, dass davon eine Änderung nach billigem Ermessen erfasst sei, selbst wenn es zu einer
zumutbaren Verschlechterung komme (9 ObA 77/00i = DRdA 2001/28
[Resch] = ZAS 2001/16 [Posch]).
Gegenstand der rechtlichen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof ist im Ergebnis ausschließlich die von den Klägern relevierte Verfassungswidrigkeit des Bundesbahn-Pensionsgesetzes sowie der durch das Pensionsreformgesetz 2001 eingefügten Bestimmungen des § 21 Abs 3a Z 2 und Abs 3b letzter Satz Bundesbahngesetz 1992. Dass gegen die letztgenannten Bestimmungen des BBG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen hat der Oberste Gerichtshof bereits in dem wiederholt genannten Beschluss vom ausführlich begründet dargelegt. Sonst relevieren die Kläger im Wesentlichen, dass sie durch die in Rede stehenden Bestimmungen des BB-PG in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nach Art 5 StGG bzw Art 1 1. ZP MRK verletzt worden seien, weil es sich um eine unzulässige Enteignung, zumindest aber um einen unverhältnismäßigen Eigentumseingriff handle.
Durchaus ähnliche Bedenken artikulierte der Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrats im Sinn des Art 140 Abs 1 B-VG, mit dem die Aufhebung des BB-PG, § 1 BB-PG bzw von Teilen davon begehrt wurde (G 298/02 des VfGH). Auch unter Berücksichtigung der von den Klägern und dem Drittelantrag des Nationalrats eingebrachten Bedenken hat der Oberste Gerichtshof mit seinem Beschluss vom in diesem Verfahren einen Antrag gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG), BGBl I 86/2001 gestellt. Im Einzelnen ist dazu sowie zur Präjudizialität dieser Bestimmungen und zur Darstellung der Bedenken (vgl insbes S 29 bis 45 dieses Beschlusses) auf diesen Beschluss zu verweisen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom zu G 298/02-16 ua unter anderem diesen Antrag abgewiesen. Zur Begründung ist auf diese den Parteien bekannte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen (vgl inbes S 68 bis 77). Da im Rahmen des Revisionsverfahrens nur noch die allfällige Verfassungswidrigkeit der bekämpften Gesetzesbestimmungen zu beurteilen war, der Verfassungsgerichtshof aber die dagegen erhobenen Bedenken als nicht berechtigt angesehen hat, war der Revision der Kläger nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich jener der Teilnahme an dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und des Kostenbestimmungsantrages gründet sich auf die §§ 2 ASGG iVm 50 und 41 ZPO. Der Kostenbestimmungsantrag war aber nur nach TP I zu honorieren (vgl RATG T I Z 1 lit d).