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OGH vom 11.10.2016, 10Ob67/16z

OGH vom 11.10.2016, 10Ob67/16z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Tarmann Prentner sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Ruben Steiner, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in Imst, wegen 3.700 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: 1.500 EUR) gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 78/16a 31, mit dem aus Anlass der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Imst vom , GZ 7 C 383/14z 24, sowie das diesem vorangegangene Verfahren ab Zustellung der Klage als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass der angefochtene Beschluss zu lauten hat:

„Aus Anlass der Berufung der beklagten Partei wird das angefochtene Urteil, soweit dieses nicht bereits, nämlich im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens von 2.200 EUR samt 4 % Zinsen seit , in Rechtskraft erwachsen ist, als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit zurückgewiesen.

Die Verfahrenskosten werden gegeneinander aufgehoben.“

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von 3.700 EUR sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Kläger sei ein Pferdezüchter. Er sei auf die Deckung seiner Stuten durch Zuchthengste zwingend angewiesen, um Einkünfte zu erzielen. Der Beklagte sei Halter eines bestimmten Zuchthengstes und Ansprechpartner der Deckstation in I***** gewesen. Der Kläger sei blutlinienmäßig darauf angewiesen gewesen, dass seine Stute durch diesen Zuchthengst des Beklagten gedeckt werde. „Aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers zum H*****“ habe der Kläger das Recht gehabt, seine Stute bei dem von ihm präferierten Zuchthengst decken zu lassen. „Gründe, die dieses (Mitgliedschafts )Recht ausschließen würden (Stichwort: Krankheit, Hygiene etc)“ seien nicht vorgelegen. Der Beklagte habe am in schikanöser Weise die Deckung der Stute des Klägers verhindert, weshalb dem Kläger die begehrten Schadenersatzansprüche zustünden.

Der Beklagte wandte dagegen ein, dass er Mitglied beim H***** sei. Dieser sei Eigentümer von Zuchthengsten, von denen im Jahr 2014 zwei beim Beklagten eingestellt und verfügbar gewesen seien. Die Deckung der Stute des Klägers sei aus Gründen in der Sphäre des Klägers nicht zustandegekommen.

Das Erstgericht gab mit seinem Urteil dem Klagebegehren in Höhe von 1.500 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 2.200 EUR sA ab. Im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens erwuchs seine Entscheidung unangefochten in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil aus Anlass der gegen dessen klagestattgebenden Teil erhobenen Berufung des Beklagten und das vorangegangene Verfahren als nichtig ab Zustellung der Klage auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Beide Streitteile seien bzw seien zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens dieses Streitfalls Mitglieder des H*****, daher eines Vereins gemäß § 1 Vereinsgesetz 2002 (VerG 2002, BGBl I 2002/66), gewesen. § 8 Abs 1 VerG 2002 bestimme, dass die Statuten eines Vereins vorzusehen haben, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen seien. Werde eine Klage in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis wie hier ohne Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht, so stehe ihr, sofern das Schlichtungsverfahren nicht früher beendet sei, das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. Im konkreten Fall stütze der Kläger seine Ansprüche auf ein Schuldverhältnis, das zwingend mit der Vereinszugehörigkeit verknüpft sei. Die behauptete Verletzung der Pflicht des Beklagten, seinen Zuchthengst zur Deckung der Stute des Klägers zur Verfügung zu stellen, resultiere einzig und allein aus den vereinsinternen Verpflichtungen und Berechtigungen der Züchter untereinander. Der Streit wäre ohne die Mitgliedschaft beider Parteien im genannten Verein nicht denkbar. Der Kläger habe nicht behauptet, dass die vereinsinterne Schlichtungsstelle zur Regelung des vorliegenden Streits angerufen worden wäre. Dafür gebe es auch im Verfahren keine Anhaltspunkte, sodass der Rechtsweg – zumindest temporär – ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom Beklagten nicht beantwortete Rekurs des Klägers, mit dem dieser die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Fällung einer Sachentscheidung anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Wenn das Berufungsgericht unter Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und des Urteils die Klage zurückweist, ist sein Beschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO stets, also unabhängig vom Streitwert und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, anfechtbar ( E. Kodek in Rechberger ZPO 4 § 519 Rz 8; RIS Justiz RS0043882 [T11]). Der Rekurs des Klägers ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es sich beim H***** um einen Verein iSd § 1 VerG 2002 handelt, wird vom Rekurswerber nicht in Frage gestellt. Dies gilt auch für die Ansicht des Berufungsgerichts, dass eine Schlichtungseinrichtung nach § 8 Abs 1 VerG zwingend einzurichten sei. Dass eine solche Schlichtungseinrichtung nach den Statuten des Vereins im konkreten Fall (noch) nicht bestünde (RIS Justiz RS0045138 [T8]), behauptet der Kläger auch im Rekurs nicht. Ebenso wenig bestreitet der Kläger die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, dass diese Schlichtungseinrichtung in Ansehung des hier vorliegenden Streits nach seinem Vorbringen nicht angerufen worden und eine entsprechende Entscheidung nicht ergangen sei. Der Kläger behauptet im Rekurs auch nicht, dass ihm die Anrufung der Schlichtungseinrichtung nicht zumutbar gewesen wäre. Der Oberste Gerichtshof, der ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig wird (RIS Justiz RS0123663), hat das Vorliegen dieser vom Berufungsgericht bejahten Voraussetzungen für das Fehlen der Rechtswegzulässigkeit im konkreten Fall seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

2.1 § 8 Abs 1 VerG 2002 normiert, dass die Statuten eines Vereins für die Austragung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis eine Schlichtungseinrichtung vorzusehen haben. Sofern es zu keiner früheren Beendigung des Schlichtungsverfahrens kommt, steht der ordentliche Rechtsweg sechs Monate ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung offen.

2.2 Die Nichteinhaltung des vereinsinternen Instanzenzugs bei Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis begründet nach nunmehr herrschender Rechtsprechung (vorläufig/befristet/temporär) Unzulässigkeit des Rechtswegs und ist daher vom Gericht auch ohne entsprechenden Einwand der Parteien von Amts wegen zu prüfen und aufzugreifen (RIS Justiz RS0124983, RS0122426, RS0114603 [T3]).

2.3 Für die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs ist nach allgemeinen Grundsätzen in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend (RIS Justiz RS0045584 [T1]; RS0045718 [T1]). „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ iSd § 8 Abs 1 VerG 2002 sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder Vereinsmitgliedern untereinander, sofern diese mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stehen (RIS Justiz RS0119982 [T15], RS0122425 [T6]).

2.4 Zu prüfen ist daher, ob sich der geltend gemachte Anspruch auf die Verletzung von Pflichten aus dem Vereinsverhältnis stützt, die Mitgliedschaft im Verein daher denknotwendige Voraussetzung für das Bestehen des Anspruchs ist, oder ob ein vom Vereinsverhältnis unabhängiger Anspruch geltend gemacht wird, der in gleicher Weise auch von einem Nichtmitglied erhoben werden könnte (RIS Justiz RS0119982 [T20], RS0122425 [T11]). Dass die Mitgliedschaft während des Streits aufrecht ist, bildet keine Voraussetzung für das Schlichtungsverfahren (5 Ob 251/15w mwH). Unter den Begriff „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ fallen daher insbesondere auch Streitigkeiten zwischen (ehemaligen) Vereinsmitgliedern, soweit sie sich aus deren Mitgliedschaft im oder deren Tätigkeit für den Verein herleiten (vgl 6 Ob 219/04f, 6 Ob 194/09m).

3.1 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch im Vereinsverhältnis der Streitteile begründet sind, ist nach dem maßgeblichen Vorbringen des Klägers in der Klage zutreffend. Der Kläger leitet seinen Anspruch, nämlich sein behauptetes Recht auf Deckung seiner Stute durch einen vom Beklagten gehaltenen Zuchthengst, in der Klage ausdrücklich aus seiner Mitgliedschaft zum Verein ab und führt überdies aus, dass keine Gründe vorlägen, die dieses Mitgliedschafts recht ausschlössen. Wenn das Berufungsgericht ausgehend von diesem Tatsachenvorbringen des Klägers eine Vereinsstreitigkeit im dargelegten Sinn annimmt, so liegt darin keine – vom Kläger im Rekurs als „vorgreifende Beweiswürdigung“ des Berufungsgerichts bezeichnete – Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.

3.2 Der Behauptung des Rekurswerbers, Grundlage für den vom Kläger behaupteten Anspruch sei ein Vertragsverhältnis der Streitteile, liegt kein entsprechendes Vorbringen in der Klage zugrunde. Der Kläger wirft dort dem Beklagten im Gegenteil vor, eine Verpflichtung verletzt zu haben, mit ihm erst einen Vertrag über die Deckung seiner Stute abzuschließen.

3.3 Auch dem Argument des Rekurswerbers, dass jedermann unabhängig von der Vereinsmitgliedschaft den behaupteten Anspruch gegenüber dem Beklagten gegen Zahlung der Kosten und Taxen für die Deckung erheben hätte können, kommt keine Berechtigung zu. Der Kläger behauptet ja in der Klage ein „Mitgliedschaftsrecht“, also ein Recht aus der Vereinsmitgliedschaft , als Grundlage seines Anspruchs. Nach dem Klagevorbringen besteht die behauptete Verpflichtung (!) des Beklagten, den von ihm gehaltenen Zuchthengst für die Deckung einer Stute zur Verfügung zu stellen, daher gerade nicht gegenüber jedermann, sondern nur gegenüber dem Kläger als Vereinsmitglied. Das Vorbringen in der Klage enthält keinen Hinweis, aus dem sich eine solche – auf einen dem Schuldrecht im allgemeinen fremden und nur ausnahmsweise bestehenden „Kontrahierungszwang“ (vgl RIS Justiz RS0113652 ua) hinauslaufende – Verpflichtung des Beklagten gegenüber jedermann ergäbe. Das Klagevorbringen, wonach der Kläger „blutlinienmäßig“ auf die Deckung seiner Stute durch einen bestimmten Zuchthengst des Beklagten angewiesen gewesen sei, ändert nichts daran, dass der Kläger die behauptete Verpflichtung des Beklagten, ihm diesen Zuchthengst zur Verfügung zu stellen, mit seinem Recht als Vereinsmitglied begründet.

3.4 Auch die Behauptung des Rekurswerbers, der von ihm geltend gemachte Anspruch habe seine Grundlage in § 1320 ABGB, weil der Kläger den Beklagten als Halter des Zuchthengstes in Anspruch genommen habe, findet im Klagevorbringen keine Grundlage. Der Kläger hat insbesondere keinen durch den Zuchthengst des Beklagten unmittelbar verursachten (vgl RIS Justiz RS0030526) Schaden iSd § 1320 ABGB geltend gemacht (beispielsweise einen vom Hengst ohne Wissen und Willen des Beklagten vollzogenen Deckakt, vgl RIS Justiz RS0106809).

4. Weitere Gründe, aus denen sich die Unrichtigkeit der bekämpften Entscheidung ergeben könnten, legt der Rekurswerber nicht dar. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben. Da das Urteil des Erstgerichts im Umfang der Abweisung eines Teilklagebegehrens von 2.200 EUR sA unangefochten in Rechtskraft erwuchs, konnte sich die Entscheidung des Berufungsgerichts nur mehr auf den im Rechtsmittelverfahren noch zu behandelnden Teil des Klagebegehrens beziehen, was im Spruch in der Hauptsache zu verdeutlichen war.

Der Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00067.16Z.1011.000