OGH vom 28.11.2017, 9Ob68/17s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden, gegen die beklagten Parteien 1. T***** GmbH, 2. Dr. M*****, beide vertreten durch Vavrovsky-Schrott Rechtsanwälte GesbR in Salzburg, wegen 9.449,04 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 69/17d-49, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 16 C 6/15h-45, nicht Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.032,91 EUR (darin enthalten 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a ZPO) – nachträglichen Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts unzulässig.
1. Nach ständiger Rechtsprechung haftet der Arzt für die nachteiligen Folgen eines lege artis erfolgten Eingriffs, wenn der Patient bei ausreichender Aufklärung in die Behandlung nicht eingewilligt hätte (RIS-Justiz RS0026783). Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten dabei in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überschauen (RIS-Justiz RS0026413). Gerade über typische, mit einer Operation verbundene Gefahren ist aufzuklären, auch wenn diese nicht häufig, aber speziell mit dem geplanten Eingriff verbunden sind (RIS-Justiz RS0026581; vgl auch RS0026340). Auch insoweit besteht aber eine Aufklärungspflicht nur, soweit diese Risken erheblich und geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0026340 [T1]; RS0026313 [T7]).
Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0026763 [T2]; RS0026529).
2. Nach § 173 Abs 1 ABGB kann die Einwilligung in medizinische Behandlungen das einsichts- und urteilsfähige Kind nur selbst erteilen. Im Zweifel wird das Vorliegen dieser Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen vermutet. Willigt ein einsichts- und urteilsfähiges minderjähriges Kind in eine Behandlung ein, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, so darf die Behandlung nur vorgenommen werden, wenn auch die Person zustimmt, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege und Erziehung betraut ist (§ 173 Abs 2 ABGB).
Im vorliegenden Fall stellte eine Operation der bei einem Unfall durchtrennten Daumenbeugesehne des Klägers die einzige Behandlungsmöglichkeit dar. Der zum damaligen Zeitpunkt sechzehnjährige Kläger wurde nach den Feststellungen entsprechend den medizinischen Erfordernissen vollständig, darunter über mögliche bleibende Bewegungseinschränkungen, aufgeklärt und stimmte der Behandlung zu.
Wenn der Kläger in der Revision das Fehlen einer Aufklärung seiner (damals im Ausland aufhältigen) Eltern rügt, so muss darauf nicht weiter eingegangen werden, da er sich in erster Instanz nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 173 Abs 2 ABGB berufen hat. Die entsprechenden Ausführungen in der Revision stellen daher eine unzulässige Neuerung dar. Im Übrigen wird auch in der Revision nicht behauptet, dass die Eltern des Klägers eine Operation als solche bzw bei Aufklärung über das sich letztendlich verwirklichende Risiko abgelehnt hätten. Moniert wird nur, dass der behandelnde Arzt keine Spezialisierung im Bereich Handchirurgie aufwies und darüber nicht aufgeklärt wurde. Nach den Feststellungen ist die Behandlung allerdings durch einen Facharzt für Unfallchirurgie, der dafür angemessenen Fachrichtung, erfolgt. Die Unterlassung eines Hinweises auf eine fehlende Spezialisierung stellt damit keinen Aufklärungsfehler dar.
3. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00068.17S.1128.000 |
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