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OGH 28.02.2012, 8Ob11/12v

OGH 28.02.2012, 8Ob11/12v

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** S*****, 2. M***** S*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei A***** L*****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Feststellung, Einverleibung und Räumung (Streitwert 15.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 158/11i-13, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 22 Cg 222/10m-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Kläger schenkten 1986 einen Teil eines ihnen je zur Hälfte gehörigen Grundstücks an ihre Tochter und deren damaligen Ehemann zwecks Errichtung eines Einfamilienhauses. Dieses geplante Haus samt angebauter Garage wurde von den Geschenknehmern in der Folge auch gebaut, allerdings nahmen sie dazu mit Wissen der Kläger auch Teile von deren Restgrundstück in Anspruch.

Das Erstgericht stellte dazu fest:

„Zwischen den beiden Grundstücken kam es zu keiner Benützungsregelung. Eine Überschreitung der Grundstücksgrenze vom Grundstück 2326/3 in das Grundstück 2326/2 im Zuge des Hausbaus wurde nicht explizit vereinbart, doch wussten sowohl die Kläger, als auch die Bauführer zur Zeit der Bauführung darüber Bescheid, dass teilweise am Nachbargrundstück gebaut wurde (…). Mit dieser Überschreitung der Grenze waren die Kläger auch einverstanden und haben diese nicht untersagt. Im Zuge des Garagenbaus wurde (…) sogar explizit eine Grenzüberschreitung angesprochen und diese vom Erstkläger auch genehmigt.“

Die Beklagte erwarb das Grundstück der Geschenknehmer im Jahr 2010 durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren, in dem auf den Grenzüberbau hingewiesen worden war.

Die Kläger begehren jeweils die Feststellung und bücherliche Einverleibung ihres Hälfteeigentums am gesamten Nachbarhaus samt Garage und die Räumung der Gebäude, ein zusätzliches Eventualbegehren ist auf Beseitigung des Überbaus gerichtet.

2. Die Revisionswerber bemängeln, dass die Vorinstanzen zwar von einer Vereinbarung über den Grenzüberbau ausgegangen seien, deren Inhalt aber nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit festgestellt hätten. Tatsächlich sei aber überhaupt keine Vereinbarung getroffen worden, sondern nach dem Sachverhalt die gesetzliche Regel des § 418 erster Satz ABGB anzuwenden. Da sich das Wohnhaus zum überwiegenden Teil auf dem Grundstück der Kläger befinde, sei ihnen das Eigentum am gesamten Gebäude originär zugefallen.

3. Das Revisionsvorbringen kann nicht als Rüge sekundärer Feststellungsmängel über die Voraussetzungen einer zwischen den Klägern und den Bauführern getroffenen „Vereinbarung“ aufgefasst werden. Die Kläger führen im Gegenteil selbst ins Treffen, dass es keine konkreten Vereinbarungen (und daher schon gar keine einvernehmliche Regelung der künftigen Eigentumsverhältnisse am überbauten Grund) gegeben habe. Eine Auslegung der von den Vorinstanzen festgestellten Willenserklärungen ist typischerweise von den Umständen des Einzelfalls abhängig und wirft - außer im Fall einer geradezu unvertretbaren Fehlbeurteilung - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

4. Die Revisionsausführungen stützen sich aber auch gar nicht darauf, dass die Vorinstanzen eine „Vereinbarung“ der Kläger mit den Bauführern unrichtig ausgelegt hätten, sondern vielmehr auf den Standpunkt, dass überhaupt keine Vereinbarung vorgelegen habe und die Bauführer darüber hinaus unredlich gewesen seien.

Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde als solche angeführt wurden (RIS-Justiz RS0107501). Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher nur unter dem von den Revisionswerbern geltend gemachten Aspekt zu überprüfen und auf eine (allfällige) schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Klägern und den seinerzeitigen Bauführern mangels Geltendmachung darauf bezogener Anfechtungsgründe im Rahmen des außerordentlichen Rechtsmittels nicht einzugehen.

5. Nach § 418 ABGB fällt dann, wenn jemand mit eigenen Materialien, aber ohne Wissen und Willen des Eigentümers auf fremdem Grund gebaut hat, das Gebäude dem Grundeigentümer zu. Allein auf diese Bestimmung, die nach herrschender Ansicht auch für bloße Grenzüberbauten anwendbar ist (ua Spielbüchler in Rummel³, § 418 Rz 9 mwN), können sich die Kläger aber schon deswegen nicht berufen, weil die zu beurteilende Bauführung mit ihrem Wissen geschehen ist.

Hat der Eigentümer des Grundes von der Bauführung gewusst und sie dem redlichen Bauführer nicht sogleich untersagt, kann er nach § 418 dritter Satz ABGB nur den gemeinen Wert für den Grund fordern. In diesem Fall erwirbt der redliche Bauführer durch die Bauführung originär Eigentum am überbauten Nachbargrund (Klicka in Schwimann³ II, § 418 ABGB Rz 16; Spielbüchler aaO) und der Grundeigentümer wird auf seinen Ausgleichsanspruch verwiesen.

6. Redlicher Bauführer ist nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur derjenige, der aus plausiblen Gründen über die Eigentumsverhältnisse des verbauten Grundes irrt, sondern auch wer glaubt, dass er aufgrund einer erhaltenen Erlaubnis dort, wo er baut, auch bauen dürfe (Klicka aaO § 418 Rz 3; RIS-Justiz RS0012742; RS0103699).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die letztere Voraussetzung auf die Rechtsvorgänger der Beklagten als Bauführer zutraf, ist ausgehend vom Sachverhalt frei von logischen Denkfehlern und keineswegs unvertretbar. Auch die Revision schweigt darüber, aufgrund welcher Anhaltspunkte die Rechtsvorgänger der Beklagten auch nur einen Verdacht schöpfen hätten können, dass ihre Eltern bzw Schwiegereltern ihnen zwar den Baugrund geschenkt hatten, die konkret vor ihren Augen stattfindende Bauausführung aber insgeheim missbilligten. Für die Beurteilung der Redlichkeit eines Bauführers kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich eine wirksame Vereinbarung über die Grenzüberbauung vorlag, sondern ob er nach den Umständen darauf vertrauen durfte und vertraut hat (RIS-Justiz RS0103699).

7. Der Eigentumserwerb des redlichen Bauführers nach § 418 dritter Satz ABGB gründet sich auf das vorwerfbare Verschweigen des Grundeigentümers, der den Überbau zwar nicht gestatten will, aber trotzdem in Kenntnis seines eigenen Rechts zusieht, wie dem Bauführer aus Unkenntnis dieses Rechts Vermögensnachteile zu erwachsen drohen (3 Ob 614/85; RIS-Justiz RS0011088; vgl ua Klicka aaO, § 418 Rz 8; Spielbüchler aaO § 418 Rz 4). Diese Voraussetzungen wurden nach dem festgestellten Sachverhalt von den Vorinstanzen jedenfalls vertretbar bejaht (vgl auch Jabornegg in FS Eichler, 304).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** S*****, 2. M***** S*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei A***** L*****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Feststellung, Einverleibung und Räumung (Streitwert 15.000 EUR), im Verfahren über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 158/11i-13, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 22 Cg 222/10m-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Berufungsgerichts bereits mit Beschluss vom entschieden.

Die erst nachträglich eingebrachte, mangels Freistellung nach § 508a Abs 2 ZPO grundsätzlich nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignete Revisionsbeantwortung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2012:0080OB00011.12V.0228.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAD-88642