OGH vom 27.01.2009, 10ObS155/08d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert B*****, vertreten durch Dr. Andreas Rudolph, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, Linke Wienzeile 48-52, 1061 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 167/07p-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 27 Cgs 231/06t-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen mit 187,92 EUR (davon 31,32 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Teil der Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe :
Der am geborene Kläger bezieht von der beklagten Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (bis von der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen) eine Waisenpension nach dem am verstorbenen Herbert B***** sen. Die monatliche Höhe der Waisenpension betrug 2002 294,80 EUR, 2003 296,27 EUR, 2004 300,71 EUR, 2005 305,22 EUR und 2006 312,85 EUR.
Die Mutter des Klägers lebt noch.
Ab bezog der Kläger eine Ausgleichszulage, die folgende monatliche Höhe hatte: 2002 123,90 EUR, 2003 130,80 EUR, 2004 132,77 EUR, 2005 134,76 EUR und 2006 138,13 EUR.
Am heiratete der Kläger Dorota Anna K*****, nunmehr verehelichte B*****, die seit zumindest mit ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt mit dem Kläger wohnt. Am meldete der Kläger seine Frau bei der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen zur Mitversicherung in der Krankenversicherung an. Über Aufforderung der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen teilte der Kläger im November 2001 mit, dass seine Frau eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübe.
Die Ehegattin des Klägers war im April und Mai 2002 tageweise und von Juni 2002 bis August 2003 durchgehend beschäftigt. Sie verdiente am 24. und 45,81 EUR netto, am 22,04 EUR netto und von Juni 2002 bis August 2003 zwischen (rund) 370 und 600 EUR monatlich zuzüglich Sonderzahlungen. Ungeachtet einer Belehrung durch die beklagte Partei hat der Kläger die Aufnahme einer Beschäftigung durch seine Frau nicht bei der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen gemeldet. Die Beendigung der Mitversicherung in der Krankenversicherung durch Aufnahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt automationsunterstützt, ohne dass ein Aktenvorgang stattfindet. Am hat der Kläger gegenüber der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen in einem Fragebogen keine Einkünfte seiner Ehefrau angegeben. Von bis bezog die Ehefrau des Klägers Arbeitslosengeld in Höhe von 15,40 EUR täglich und von bis sowie von bis Notstandshilfe in Höhe von 10,06 EUR täglich, weiters von bis Notstandshilfe von 11,03 EUR täglich. Dazu kam vom Arbeitsmarktservice eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts für die Zeiträume von bis und von bis (2,44 EUR täglich) und von bis (2,94 EUR täglich).
Im September 2006 hatte der Kläger wiederum einen Fragebogen zur Ausgleichszulage auszufüllen und gab als sonstige Leistung an die Ehefrau eine Notstandshilfe von 11,03 EUR täglich an.
Mit Bescheid vom stellte die beklagte Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau die bisher gewährte Ausgleichszulage in Höhe von 138,13 EUR monatlich ab bis auf weiteres ein. Mit Bescheid vom stellte die beklagte Partei fest, dass der Anspruch auf die zur Pension gewährte Ausgleichszulage mit ende und der von bis entstandene Überbezug an Ausgleichszulage von 7.862,77 EUR rückgefordert und in Raten von 30 EUR von der monatlichen Pensionsleistung abgezogen werde.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger die Ausgleichszulage in Höhe von 138,13 EUR monatlich ab zu zahlen. Unter einem wurde die beklagte Partei verurteilt, die Rückforderung über einen Betrag von 5.206,61 EUR zu unterlassen; der Kläger wurde für schuldig befunden, an die beklagte Partei den Betrag von 2.656,16 EUR im Wege der Duldung einer Aufrechnung in monatlichen Raten à 30 EUR mit den monatlichen Pensionsraten zu zahlen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht im Wesentlichen, dass der Richtsatz für Pensionsberechtigte auf Waisenpension, die das 24. Lebensjahr bereits vollendet haben und bei denen ein Elternteil noch nicht verstorben sei, dann, wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) im gemeinsamen Haushalt leben, zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses in der Form zu ermitteln sei, dass der Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit c sublit bb erster Fall ASVG (2006: 450,98 EUR) um die Differenz zwischen dem Familienrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG (2006: 1.055,99 EUR) und dem einfachen Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG (2006: 690 EUR), also um 365,99 EUR (Wert 2006) zu erhöhen sei. Obwohl die Bestimmung des § 292 Abs 2 ASVG, die eine Anrechnung des Ehegatteneinkommens vorsehe, nicht zwischen Pensionsberechtigten aus eigener Pensionsversicherung und Pensionsberechtigten auf Waisenpension unterscheide, kenne § 293 Abs 1 ASVG einen Familienrichtsatz nur bei Pensionsberechtigten aus eigener Pensionsversicherung. Das Fehlen eines Familienrichtsatzes bei einem über 24-jährigen verheirateten Waisenpensionsbezieher sei nicht sachgerecht; offenbar habe der Gesetzgeber diesen Fall übersehen, weshalb im Wege der Gesetzesanalogie ein Familienrichtsatz für die Gruppe der über 24-jährigen verheirateten Waisenpensionsbezieher zu kreieren sei. Würde man eine Gesetzesanalogie ablehnen, wäre § 293 Abs 1 in Verbindung mit § 292 Abs 2 gleichheits- und somit verfassungswidrig. Es wäre nämlich unsachlich, wenn nur beim Richtsatz für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung ein gemeinsamer Haushalt mit dem Ehepartner durch einen erhöhten Richtsatz berücksichtigt werde, nicht jedoch beim Richtsatz für Pensionsberechtigte auf Waisenpension, und in beiden Fällen jedoch das Einkommen des Ehepartners anzurechnen sei. Speziell bei einem nur niedrigen Einkommen des Ehepartners, das nicht zu einer Unterhaltspflicht führe, wären mit einer Eheschließung unsachliche, wirtschaftlich gravierende Verschlechterungen verbunden. Eine Lösung der Verfassungswidrigkeit wäre - bei gleichbleibenden Richtsätzen nach § 293 Abs 1 ASVG - auch durch eine Herausnahme der Ehegatten der Waisenpensionsberechtigten aus § 292 Abs 2 ASVG möglich, doch hätte dies die unschöne Konsequenz, dass ein Waisenpensionsberechtigter auch dann eine Ausgleichszulage beziehen könnte, wenn der Ehepartner im gemeinsamen Haushalt reich sei.
Unter Anwendung eines Richtsatzes von 687,91 EUR (2002), 749,06 EUR (2003), 795,29 EUR (2004), 807,22 EUR (2005) und 816,97 EUR (2006) ergebe sich für die Zeit von April 2002 bis ein Überbezug an Ausgleichszulage von insgesamt 2.656,16 EUR, der vom Kläger infolge Verletzung der Meldevorschriften und bewusstem Verschweigen des Einkommens der Ehefrau zurückzuzahlen sei, während eine Rückforderung von 5.206,61 EUR unzulässig sei. Da das Familieneinkommen auch ab September 2006 unter dem Richtsatz von 816,97 EUR geblieben sei, sei ab eine Ausgleichszulage in der begehrten Höhe von 138,13 EUR monatlich zuzusprechen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil hinsichtlich des Ausgleichszulagenanspruchs ab im klagsabweisenden Sinn ab. Gleichzeitig erkannte es den Kläger schuldig, der beklagten Partei den Betrag von 7.862,77 EUR im Wege der Duldung einer Aufrechnung von monatlichen Raten à 30 EUR mit den monatlichen Pensionsleistungen zu bezahlen.
In seiner rechtlichen Beurteilung folgte das Berufungsgericht dem Standpunkt der beklagten Partei, dass die vom Erstgericht herangezogene Gesetzesanalogie wegen Fehlens einer Gesetzeslücke unzulässig sei. Während § 292 ASVG, der die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage regle, keine Differenzierung zwischen Direktpensionen und Hinterbliebenenpensionen treffe, unterscheide § 293 ASVG, der die Höhe der Richtsätze normiere, in verfassungskonformer Weise zwischen Pensionsberechtigten aus eigener Pensionsversicherung und Pensionsberechtigten auf Waisenpension. Angesichts des klaren Wortlauts des § 293 ASVG und des Inhalts des Erlasses des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , 23.203/1-5/86 (abgedruckt bei Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG [56./59. ErgLfg] 1360/28 f), sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Eheschließung eines Waisenpensionsbeziehers nicht bedacht habe, weshalb es an einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes fehle und bei der Anrechnung des Nettoeinkommens der Ehegatten nicht vom höheren Richtsatz auszugehen sei.
Die Revision sei wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der hier zu beantwortenden Rechtsfrage zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Der Revision der klagenden Partei liegt im Wesentlichen die Rechtsansicht zugrunde, dass der Gesetzgeber - ausgehend von der Grundregel des § 293 Abs 1 ASVG - offensichtlich den vorliegenden Fall nicht bedacht habe, weshalb eine durch Analogie zu schließende Lücke vorliege. In verfassungskonformer Interpretation seien dabei die für Pensionen aus eigener Pensionsversicherung getroffenen Regelungen hinsichtlich der Richtsatzhöhe (§ 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG) auf Pensionen aus abgeleiteten Ansprüchen zu übertragen. Andernfalls wären Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, die im gemeinsamen Haushalt mit einem Ehepartner leben, besser gestellt als Anspruchsberechtigte auf Waisenpension in derselben Lage; ein solches Ergebnis widerspräche „dem Recht auf ein Familienleben" und wäre darüber hinaus gleichheitswidrig.
Dazu wurde erwogen:
1.1. § 292 ASVG regelt die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage grundsätzlich in der Form, dass der Anspruch dann besteht, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für den Pensionsberechtigten geltenden Richtsatzes (§ 293 ASVG) erreicht. Bei der Feststellung des Anspruchs ist auch das gesamte Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners zu berücksichtigen. Eine Differenzierung zwischen Pensionsberechtigten aus eigener Pensionsversicherung und Pensionsberechtigten auf Waisenpension wird nicht gemacht.
1.2. In Bezug auf die Richtsatzhöhe unterscheidet § 293 Abs 1 ASVG zwischen drei Gruppen von Pensionsberechtigten:
a) Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,
b) Pensionsberechtigte auf Witwen- bzw Witwerpension,
c) Pensionsberechtigte auf Waisenpension.
In der Gruppe der Pensionsberechtigten aus eigener Pensionsversicherung wird weiter danach differenziert, ob sie mit dem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt leben, und in der Gruppe der Pensionsberechtigten auf Waisenpension einerseits nach dem Alter, wobei die Vollendung des 24. Lebensjahres die entscheidende Grenze bildet, und andererseits nach dem Status Halbwaise/Vollwaise. Ein „Familienrichtsatz" (Wert 2006: 1.055,99 EUR) wird demnach von § 293 Abs 1 ASVG nur für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung vorgesehen, wenn sie mit dem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt leben. Bei Fehlen dieser Voraussetzung beträgt der Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG 690 EUR (Wert 2006). Dieser Betrag ist auch auf einen Waisenpensionsberechtigten nach Vollendung des 24. Lebensjahres anzuwenden, falls beide Elternteile verstorben sind (§ 293 Abs 1 lit c sublit bb 2. Fall ASVG). Ist nur ein Elternteil verstorben, beträgt der Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit c sublit bb 1. Fall ASVG 450,98 EUR (Wert 2006).
1.3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass gegen die - inhaltlich mit der in § 293 Abs 1 lit a ASVG für Ehegatten getroffenen Unterscheidung vergleichbare - Differenzierung zwischen Halb- und Vollwaisen in § 293 Abs 1 lit c ASVG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (10 ObS 303/91 = RIS-Justiz RS0053969). Solche Bedenken sind im Hinblick auf die typischerweise steigenden Bedürfnisse auch nicht in Bezug auf die Staffelung nach dem Alter erkennbar.
2. Der Kläger sieht eine planwidrige Lücke des Gesetzes in der Form, dass § 293 Abs 1 lit c ASVG nicht eine weitere (dritte) Differenzierung nach dem Familienstand der Waise vorsieht. Das Erstgericht, das dieser Rechtsansicht des Klägers gefolgt ist, hat dementsprechend für lit c sublit bb als 3. Fall einen erhöhten Richtsatz von 816,97 EUR (Wert 2006) kreiert.
3. Damit wird allerdings die Funktion des Familienrichtsatzes nach § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG verkannt. Dieser ist nicht als „Erhöhung" des Einzelrichtsatzes konzipiert, sondern als Verringerung des doppelten Einzelrichtsatzes: Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, werden vom Gesetzgeber als Wirtschaftsgemeinschaft behandelt. Mit Rücksicht darauf, dass bestimmte fixe Kosten (zB Kosten für Wohnung, Heizung, Beleuchtung usw) auch bei gemeinsamer Lebensführung nur einfach auflaufen, liegt der Familienrichtsatz nicht unerheblich unter der Summe der Richtsätze für zwei getrennt lebende Personen (10 ObS 201/03m = SZ 2003/107 = SSV-NF 17/103 = ZAS 2005/8, 41 [Pfeil]). Auch diese Abstufung ist als verfassungskonform anzusehen (RIS-Justiz RS0084859).
4. Im Fall der Waisenpension (§ 293 Abs 1 lit c ASVG) wird eine dem § 293 Abs 1 lit a ASVG durchaus vergleichbare Abstufung (10 ObS 303/91) zwar nicht nach dem Familienstand, sondern nach dem Alter vorgenommen. Beide Differenzierungen (einerseits in lit a, andererseits in lit c) zielen auf den jeweiligen Regelfall ab: Der Bezieher einer Pension aus eigener Versicherung war oder ist im Regelfall verheiratet; für den Fall des Fehlens eines Ehepartners im gemeinsamen Haushalt gilt nach lit a sublit bb der Einzelrichtsatz. Auch die Staffelung in lit c orientiert sich am Regelfall, dass nämlich ein Waisenpensionsbezieher nicht verehelicht ist und ihn auch keine Unterhaltspflicht für ein eigenes Kind trifft (auch für diesen Fall hat der Gesetzgeber keinen weiteren Richtsatz vorgesehen).
Der Gesetzgeber hat bei der Festsetzung der Ausgleichszulagenrichtsätze eine pauschalierende Beurteilung (anhand der Regelfälle) vorgesehen, die erst eine einfache Administrierbarkeit ermöglicht. Wie die Regelung in § 293 Abs 1 lit a ASVG zeigt, ist dem Gesetzgeber dabei die Möglichkeit einer Differenzierung nach dem Familienstand nicht verborgen geblieben.
Somit ist eine für einen Analogieschluss vorausgesetzte planwidrige Gesetzeslücke in § 293 Abs 1 lit c ASVG zu verneinen.
5. Ergänzend zu den Ausführungen unter 1.3. ist festzuhalten, dass auch gegen das Fehlen zumindest eines weiteren Richtsatzes in § 293 Abs 1 lit c ASVG für den Fall der Verehelichung der Waise keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Dem Gesetzgeber ist zuzugestehen, dass er von einer durchschnittlichen Betrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen kann (RIS-Justiz RS0053509 [T1]); dass dabei ausnahmsweise Härtefälle entstehen können, macht ein Gesetz nicht gleichheitswidrig (RIS-Justiz RS0053509 [T7]). Auch die Zweckmäßigkeit einer Regelung unterliegt in der Regel nicht der verfassungsrechtlichen Überprüfung (vgl VfGH B 662/87 ua = VfSlg 11.664).
Weshalb der Kläger durch das Fehlen einer weiteren Abstufung nach dem Familienstand in § 293 Abs 1 lit c ASVG in seinem „Recht auf ein Familienleben" beeinträchtigt sein soll, ist nicht ersichtlich und wird in der Revision auch nicht näher ausgeführt. Das Grundrecht nach Art 8 EMRK ist grundsätzlich als Abwehrrecht ausgestaltet; der Zweck besteht darin, den einzelnen gegen willkürliche Eingriffe der öffentlichen Gewalt in sein Privat- und Familienleben zu schützen (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 190). Zu dieser vorwiegend negativen Verpflichtung können zwar Gewährleistungspflichten des Staates auf Schutz des Privat- und Familienlebens hinzutreten; entgegen der Ansicht des Revisionswerbers lässt sich aber aus Art 8 EMRK kein Anspruch auf finanzielle Leistungen zugunsten von Familien - einschließlich nichtehelicher Lebensgemeinschaften - ableiten (vgl Grabenwarter, EMRK3 200; Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg [2002] Art 8 EMRK Rz 107).
6. Die Revision wendet sich nicht mehr gegen die von den Vorinstanzen bejahte Meldepflichtverletzung des Klägers und die Höhe des Rückforderungsbetrags.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Mit Rücksicht auf die Lösung einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO entspricht es der Billigkeit, dem Kläger angesichts seiner aktenkundigen Einkommensverhältnisse die Hälfte der Kosten des Revisionsverfahrens zuzuerkennen (RIS-Justiz RS0085871).