OGH vom 31.08.2022, 9Ob67/22a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei T*, vertreten durch Krüger/Bauer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Verein „B*“, *, vertreten durch Stix Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen 11.300 EUR sA (AZ 5 C 347/18k) und 11.300 EUR sA (AZ 5 C 348/18g), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 58 R 50/22h-110, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom , GZ 5 C 347/18k-89 (5 C 348/18g), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin, eine politische Partei, und der beklagte Verein (damals unter einem anderen Namen), der die Kandidatur der gleichnamigen Wahlbewegung ua bei Landtagswahlen unterstützte, schlossen am ein Wahlbündnis welches ein gemeinsames Antreten bei der burgenländischen Landtagswahl 2015 zum Inhalt hatte. Die Streitteile vereinbarten darin ua, dass zwei Drittel
der vom Wahlbündnis bezogenen Fördergelder (Wahlkampfkostenrefundierung bzw Parteienförderung) dem Beklagten zukommen soll und ein Drittel an die Klägerin zu bezahlen ist.
[2] Das Land * zahlte an den Beklagten beginnend mit quartalsweise Fördergelder aus. Am und überwies der Beklagte der Klägerin davon vereinbarungsgemäß jeweils ein Drittel. Weitere Beträge, die der Klägerin aufgrund der Vereinbarungen vom in Höhe von jeweils 11.389,28 EUR im Jahr 2016 zugestanden wären, zahlte der Beklagte der Klägerin nicht mehr aus.
[3] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren auf Zahlung von zwei (weiteren) Beträgen in Höhe von jeweils 11.300 EUR statt. Der Anspruch der Klägerin stütze sich auf die Vereinbarungen der Streitteile vom . Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Sittenwidrigkeit der Aufteilung von Parteifördergeldern innerhalb eines Wahlbündnisses fehle.
[4] Dem schloss sich der Beklagte zwecks Begründung der Zulässigkeit seiner gegen die Berufungsentscheidung erhobenen Revision nach § 502 Abs 1 ZPO an. Die Revision sei aber auch deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht die Vereinbarungen vom infolge wesentlicher Verkennung der Rechtslage unvertretbar ausgelegt habe, weil es die Unmöglichkeit der Leistung verneint habe. Demgegenüber bestritt die Revisionsgegnerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision des Beklagten, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
1. Die behaupteten Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor:
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre ist die Aufzählung der Revisionsgründe in § 503 ZPO erschöpfend und keiner Analogie zugänglich (RS0042903 [T3]; Lovrek in Fasching/Konecny3 IV/1 § 503 ZPO Rz 4). Auch durch die EMRK, mit deren Verletzung gegen Art 6 Abs 1 (überlange Verfahrensdauer) der Beklagte ihren Nichtigkeitsgrund begründet, werden die Anfechtungsmöglichkeiten nach innerstaatlichem Recht nicht erweitert (RS0075021).
[8] 1.2. Ein Verstoß gegen § 477 Abs 1 Z 9 dritter Fall ZPO liegt richtigerweise ua dann vor, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RS0007484). Nichtig ist die Entscheidung also auch dann, wenn konkrete Gründe für die Entscheidung fehlen und nur allgemeine Wendungen gebraucht werden, also eine Scheinbegründung vorliegt (RS0007484 [T7]). Dies ist hier nicht der Fall. Dass das Berufungsgericht inhaltlich die Begründung des – mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom wegen Befangenheit an der Berufungsentscheidung mitwirkender Richter des Landesgerichts Eisenstadt – als nichtig aufgehobenen Berufungsurteils übernommen hat, macht die nunmehr angefochtene Entscheidung nicht unüberprüfbar.
2.1. Nach § 879 ABGB ist ein Vertrag nichtig, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Einen derartigen Verstoß vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Soweit der Beklagte seinen Rechtsausführungen zugrunde legt, dass die Vereinbarungen vom zwischen der Klägerin und der „mittlerweile untergegangenen“ Wahlpartei „L*“ abgeschlossen wurden, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach diese Vereinbarungen zwischen den Streitteilen abgeschlossen wurden. Seine weiteren Überlegungen, wonach die „gesetzwidrige“ Vertragsauslegung des Berufungsgerichts zu einem (sittenwidrigen) Vertrag zu Lasten Dritter führe, sind nicht zielführend, weil der Beklagte kein Dritter, sondern eben Vertragspartei ist.
2.2. Dass die Streitteile mit dem Wahlbündnis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet haben, ist unstrittig. Weshalb die Vereinbarungen vom einen unerlaubten Zweck verfolgen sollten, wird in der Revision nicht nachvollziehbar dargestellt und ist auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts für den Senat auch nicht erkennbar (zur Zulässigkeit interner Aufteilungen von Parteienförderungen Zögernitz/Lenzhofer [2013] Politische Parteien – Recht und Finanzierung, § 1 PartFörG Rz 8). Aus diesem Gesellschaftsverhältnis macht die Klägerin gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch, gestützt auf eine vertragliche Vereinbarung mit diesem, geltend und (zu Recht) keine actio pro socio iSd § 1188 ABGB (9 Ob 81/16a).
3. Soweit der Revisionswerber behauptet, er habe keine Parteienförderungsmittel vom Land * erhalten, ignoriert er abermals die für den Obersten Gerichtshof bindenden (gegenteiligen) Feststellungen des Erstgerichts. Ob der beklagte Verein zu Recht (für das Wahlbündnis) eine Parteienförderung im Sinne
des Burgenländischen ParteienFörderungsgesetzes (Bgld PaFöG 2012) erhalten hat, muss hier nicht näher untersucht werden. Auf die Entscheidung 1 Ob 57/17i ist daher nicht weiter einzugehen. Rechtlich unmöglich iSd § 878 Satz 1 ABGB sind die Vereinbarungen vom der Streitteile als Gesellschafter des Wahlbündnisses über die Aufteilung allenfalls lukrierender Parteienförderungen aber keineswegs.
[12] Die Revision der Beklagten ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00067.22A.0831.000 |
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