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OGH vom 10.12.2019, 11Os127/19i

OGH vom 10.12.2019, 11Os127/19i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Patrick D***** und Alexander F***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Patrick D***** sowie über die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 35 Hv 6/19s-67, nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in den Alexander F***** betreffenden Aussprüchen der Einziehung eines „Crashers mit Anhaftungen“ und der Konfiskation aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Patrick D***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Patrick D***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (II) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV/A) schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** und an anderen Orten des Bundesgebiets in wiederholten Angriffen teils (I und II) mit von vornherein auf eine kontinuierliche Tatbegehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichtetem Vorsatz vorschriftswidrig Suchtgift

I) im Zeitraum von bis Sommer 2016 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge ein- und ausgeführt, indem er in wiederholten Angriffen wenigstens 2.000 Gramm amphetaminhältiges Speed mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20,3 % (Reinsubstanz: zumindest 406 Gramm) aus Deutschland aus- und nach Österreich einführte;

II) im Sommer 2016 anderen überlassen, indem er Alexander F***** wenigstens 100 Gramm amphetaminhältiges Speed mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 10 % (Reinsubstanz: zumindest 10 Gramm) verkaufte;

IV) mit Ausnahme des unter Punkt I angeführten Suchtgifts ausschließlich zum persönlichen Gebrauch

A) im Zeitraum von bis erworben und besessen, indem er Delta-9-THC-hältiges Marihuana, cocainhältiges Kokain und MDMA-hältige Ecstasy-Tabletten sowie amphetaminhältiges Speed

1) von nicht näher bekannten Personen teils kaufte, teils unentgeltlich im Zuge des gemeinsamen Suchtgiftkonsums zur Verfügung gestellt erhielt und

2) im Zuge des Suchtgiftkonsums tatsächlich inne hatte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch I richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Patrick D*****.

Die Rüge reklamiert einen Begründungsmangel (Z 5), weil der Schöffensenat ungeachtet der Erörterung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung, wonach bei „Speed gerichtsnotorisch von einem Reinheitsgehalt von 10 %“ auszugehen sei (ON 66 S 7 – vgl Schuldspruch II), in Betreff des vom Schuldspruch I umfassten Suchtgifts davon abweichend einen Reinheitsgehalt von 20,3 % Amphetamin annahm und behauptet unter Berufung auf Art 6 MRK einen insofern „überraschenden Schritt“.

Unzulässiges Überraschen scheidet jedoch aus, weil schon die Anklage hinsichtlich des vom Schuldspruch I umfassten Suchtgifts (im Übrigen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das [auch im Urteil herangezogene – US 8] Gutachten des kriminaltechnischen Instituts des Bayerischen Landeskriminalamts zum entsprechenden Wirkstoffgehalt von beim Beschwerdeführer in Deutschland sichergestelltem Amphetamin – ON 36 S 55 ff) von einem (nicht durchschnittlichen, sondern) 20,3%igen Reinheitsgehalt ausgeht (ON 44 S 1, 5, 7) und dies dem Beschwerdeführer anlässlich des Anklagevortrags (ON 66 S 2) zur Kenntnis gebracht wurde (§ 244 Abs 1, Abs 2 StPO; vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0119094 [T8, T 9]).

Der weiteren Kritik (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurde ein Bericht der Kriminalpolizeiinspektion Regensburg an das Kommissariat K4 vom Erstgericht nicht „mit Stillschweigen“ übergangen, sondern vielmehr der Umstand, dass die „deutschen Behörden“ „1.027 g amphetaminhältiges Speed“ beim Beschwerdeführer sicherstellten, darauf (allerdings im Unterschied zum Rechtsmittelvorbringen mit dem richtigen Zitat [ON 24 anstelle ON 29; vgl RIS-Justiz RS0124172]) gestützt (US 8).

Zu einer Erörterung, dass in diesem Bericht (anders als im korrespondierenden Gutachten des kriminaltechnischen Instituts des Bayerischen Landeskriminalamts zum Wirkstoffgehalt an Amphetamin-Base der Trockenmasse von 532,3 g – ON 36 S 57; US 8) „von einer Durchnässung“ des sichergestellten Amphetamins nicht die Rede ist, war der Schöffensenat dem Gebot zu bestimmter aber gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0098778), wobei im Übrigen nicht nachvollziehbar ist, weshalb das Gericht bloß deshalb „von einem lediglich 10%igen Reinheitsgehalt ausgehen“ hätte „können (müssen)“.

Das diesbezügliche Vorbringen bekämpft vielmehr bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung der Tatrichter (US 8), die bei einer vernetzten Betrachtung einer Vielzahl von Verfahrensergebnissen im Einklang mit der Lebenserfahrung und den Grundsätzen logischen Denkens (ungeachtet unterschiedlicher Beschaffenheit sowohl hinsichtlich des sichergestellten als auch) hinsichtlich des vom Schuldspruch I umfassten Amphetamins von einem 20,3%igen Wirkstoffgehalt ausgegangen sind (US 5).

Indem auch die Tatsachenrüge (Z 5a – vgl zum Anfechtungsrahmen RISJustiz RS0118780) lediglich die Urteilsfeststellungen zum Wirkstoffgehalt des Amphetamins unter fälschlichem Zitat der ON 29 sowie mit dem Hinweis auf das Gutachten (ON 36 S 55 ff) und der Behauptung, „die Substanz Amphetamin Hydrochlorid“ sei „als stark hygroskopisch anzusehen“, in Frage zu stellen versucht, erweckt sie keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.

Weshalb über die getroffenen Konstatierungen zu einem von vornherein auf eine kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum sowie den daran geknüpften Additionseffekt gerichteten Vorsatz des Angeklagten (US 5) hinausgehende „genaue“ Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich gewesen wären, legt die Rüge (Z 10) mit dem bloßen Hinweis auf zwei Tathandlungen während des Tatzeitraums nicht substanziiert dar (vgl RIS-Justiz RS0116565). Die vermisste zureichende („genaue“) Begründung der angesprochenen Feststellungen (der Sache nach Z 5 vierter Fall) findet sich in US 9.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Einziehungserkenntnis hinsichtlich des „Crashers mit Anhaftungen“ sowie dem Konfiskationserkenntnis zum Nachteil des Angeklagten Alexander F***** Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) anhaftet, die – weil unbekämpft geblieben (RIS-Justiz RS0119220 [T9], RS0130617) – von Amts wegen wahrzunehmen war (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Denn das Urteil enthält keine Feststellungen zur Deliktstauglichkeit des eingezogenen „Crashers“ aufgrund dessen besonderer Beschaffenheit (RIS-Justiz RS0121298; 15 Os 145/16m) und keine Konstatierungen zu den Eigentumsverhältnissen (vgl § 19a Abs 1 letzter Halbsatz StGB) „an den sichergestellten Suchtgiftutensilien, nämlich einer digitalen Grammwaage“ sowie zu den weiteren Voraussetzungen für eine Konfiskation.

Die Aussprüche der Konfiskation und der Einziehung im im Spruch ersichtlichen Umfang waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – aufzuheben und dem Landesgericht Leoben im Umfang der Aufhebung die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Über die Berufungen wird zunächst das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00127.19I.1210.000

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