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OGH vom 23.10.2000, 8ObA132/00w

OGH vom 23.10.2000, 8ObA132/00w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Gerhard Taucher und Dr. Barbara Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Phinsuwan S*****, vertreten durch Dr. Charlotte Lindenberger, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Robert S*****, vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in Wels, wegen S 50.000,-- sA (Revisionsstreitwert S 25.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 321/99y-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 33 Cga 111/98b-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin, eine Thailänderin, war vom bis bei einem Gebäudereinigungsunternehmen als Reinigungskraft beschäftigt. Der Beklagte war dort als Disponent unmittelbarer Vorgesetzter der Klägerin und für die Einteilung des Reinigungspersonals zuständig.

Am teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie statt bisher in der Frühschicht von 6 bis 13 Uhr nun in der sogenannten Spätschicht von 16 bis 21 Uhr zu arbeiten habe. Die Klägerin war damit nicht einverstanden, weil sie fürchtete, am Abend keine Verbindung mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zu ihrem Wohnort zu haben.

Auf Grund dieses Gesprächs über die Arbeitseinteilung versäumte die Klägerin ihren Zug, weshalb ihr der Beklagte gegen 13.30 Uhr anbot, sie mit dem Auto nach Hause zu bringen. Der Beklagte bot der Klägerin während der Autofahrt an, die Schicht so einzuteilen, dass sie eine Stunde früher aufhören und somit ein öffentliches Verkehrsmittel erreichen könne. Er sagte sodann zur Klägerin: "If you give me a fucking, I can help you". Der Beklagte öffnete in weiterer Folge seine Hose und legte die Hand der Klägerin auf seinen Geschlechtsteil. Die Klägerin zog die Hand wieder zurück, worauf der Beklagte sie zum Geschlechtsverkehr und in weiterer Folge zum Oralverkehr aufforderte. Er fragte sie weiters, ob sie sich mit "Bodymassage" auskenne und um wieviel sie ihr Mann "gekauft" habe. Der Beklagte fuhr mit dem Auto am Wohnhaus der Klägerin vorbei und teilte ihr mit, dass er nun ein "Platzerl" suchen werde, damit sie sexuell miteinander verkehren. Die Klägerin lehnte die Ansinnen des Beklagten jeweils ab und forderte ihn erfolglos auf, sie aussteigen zu lassen. Als in der Folge das Autotelefon läutete und der Vorgesetzte des Beklagten diesen aufforderte, in den Betrieb zu kommen, ließ der Beklagte von der Klägerin ab und brachte sie nach Hause.

Etwa eine Woche nach dem Vorfall brachte der Beklagte die Klägerin nach der Spätschicht abermals nach Hause, ohne dass es zu Belästigungen kam. Die Schicht wurde in der Folge so eingeteilt, dass die Klägerin ein öffentliches Verkehrsmittel erreichen konnte.

Die Klägerin vertraute den Vorfall einer Freundin an, die ihn wieder einem ebenfalls bei dem Reinigungsunternehmen beschäftigten Bekannten erzählte. Als dieser dort entlassen wurde, drohte er, die sexuelle Belästigung der Klägerin durch den Beklagten "offiziell" zu machen, wenn er nicht wieder eingestellt werde. Am suchte der Beklagte die Klägerin und ihren Ehemann zu Hause auf und teilte dem Ehemann mit, dass die Klägerin zu Unrecht behaupte, er habe sie sexuell belästigt. Die Klägerin versicherte, dass ihre Angaben der Wahrheit entsprechen. In der Folge führte der Beklagte die Klägerin zur Arbeitsstelle. Zwei Tage später rief der Beklagte den Ehemann der Klägerin an und teilte mit, dass diese nicht mehr zur Arbeit kommen brauche, weil sie gekündigt sei.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am beim Erstgericht eingelangten Klage den Zuspruch von S 50.000, weil der Beklagte als ihr Vorgesetzter sie sexuell belästigt und im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis diskriminiert habe.

Der Beklagte wendete dagegen ein, dass die Angaben der Klägerin nicht den Tatsachen entsprächen. Die Klägerin sei nicht diskriminiert worden. Das Dienstverhältnis zur Klägerin sei aufgelöst worden, weil sie bei der Gendarmerie grundlos Anzeige gegen den Beklagten erstattet habe.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 25.000 sA zu. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dass die vom Beklagten am gegenüber der Klägerin gesetzten Handlungen als sexuelle Belästigung im Sinn des § 2 GlbG zu werten seien. Der der Klägerin durch die Verletzung ihrer Würde entstandene Nachteil sei durch Schadenersatz gemäß § 2a Abs 7 GlbG abzugelten. Der Beklagte habe das Abhängigkeitsverhältnis der Klägerin ausgenützt und den Bestand der bisherigen Arbeitsbedingungen mit dem Erreichen seiner sexuellen Ziele verknüpft. Er habe die Klägerin in eine psychisch extrem belastende Situation gebracht, weil er sie nicht nur aufgefordert habe, mit ihm sexuell zu verkehren und sie genötigt habe, seinen Geschlechtsteil zu betasten, sondern sie daran gehindert habe, das Fahrzeug zu verlassen. Dass es nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, verdanke die Klägerin offenbar einem Zufall, nämlich dem Anruf des Vorgesetzten des Beklagten. Der Beklagte habe die Klägerin durch seine Äußerungen als Frau abgewertet und klargemacht, dass er sie als Thailänderin in erster Linie als ein Sexobjekt betrachte. Ein Schadenersatzbetrag von S 25.000 sei angemessen, darüber hinausgehender Schadenersatz stehe nicht zu, da es sich bei der sexuellen Belästigung um eine einmalige Handlung gehandelt und der Beklagte ähnliche weitere Situationen nicht mehr ausgenützt habe.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen führte es zur Rechtsrüge aus, dass § 2 Abs 1a GlbG idF vor der mit in Kraft getretenen Novelle BGBl I 1998/44 anzuwenden sei und es daher an der durch diese Novelle bewirkten Klarstellung fehle, dass eine Diskriminierung unter anderem auch bei sexueller Belästigung durch Dritte vorliege. Allerdings beinhalte § 2a Abs 7 GlbG aF - wenn auch nur "versteckt" - einen weiteren Verbotstatbestand, nämlich den der sexuellen Belästigung des Dienstnehmers im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis durch Dritte. Es könne daher das Bestehen eines Ersatzanspruches gegen den belästigenden Dritten auch nach der alten Rechtslage nicht zweifelhaft sein. Bei der Schadensbemessung habe das Erstgericht zu Recht berücksichtigt, dass das Verhalten des Beklagten gegenüber der Klägerin nicht nur zum Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch dazu geführt habe, dass sie sich gegenüber ihrem Ehemann habe rechtfertigen müssen. Es liege keine "verhältnismäßig geringfügige sexuelle Belästigung" vor, weil das Verhalten des Beklagten den Delikten der geschlechtlichen Nötigung im Sinn des § 202 Abs 1 StGB und der Freiheitsentziehung im Sinne des § 99 StGB zumindest äußerst nahekomme. Es könne auch nicht unbeachtet bleiben, dass bei den gegebenen Umständen die sexuellen Aufforderungen sowie die Ankündigung, einen Platz zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs zu suchen, bei der Klägerin nicht unbeträchtliche Angstgefühle habe auslösen müssen. Dazu kämen die für die Klägerin äußerst demütigenden verbalen Attacken des Beklagten. Im Hinblick auf die besondere Intensität des - wenn auch einmaligen - sexuellen Übergriffs auf die Klägerin sei der vom Erstgericht ausgemittelte Betrag angemessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfrage unzulässig.

Entgegen der von der Revisionswerberin vertretenen Ansicht ist der Wortlaut des § 2a Abs 7 GlbG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl I 1998/44, wonach ein infolge sexueller Belästigung im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis diskriminierter Arbeitnehmer gegenüber dem Belästiger und im Fall des § 2 Abs 1a Z 2 auch gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens hat, so klar formuliert, dass die Ersatzpflicht auch eines vom Arbeitgeber verschiedenen Belästigers nicht fraglich sein kann. Dies belegen nicht nur die bereits vom Berufungsgericht zitierten Literaturstellen (Eichinger, Rechtsfragen zum Gleichbehandlungsgesetz, 106; Tinhofer, Sexuelle Belästigung durch den Geschäftsführer einer GmbH ..., RdW 1994, 248), sondern auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Novelle (842 BlgNR 20. GP, 6). Nach ständiger Rechtsprechung liegt aber dann keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (hier im Sinn des § 46 Abs 1 ASGG) vor, wenn zwar Rechtsprechung des Obersten Gerichshofs fehlt, jedoch eine Rechtsfrage im Gesetz so eindeutig gelöst ist, dass nur eine Möglichkeit der Auslegung ernstlich in Betracht zu ziehen ist und Zweifel bei der Auslegung nicht entstehen können, so insbesondere auch dann, wenn diese Lösung in der Lehre unstrittig ist (WoBl 1993/54; RZ 1994/15; Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz 3).

Zum Schadenersatzanspruch nach dem Gleichbehandlungsgesetz wegen sexueller Belästigung und zu dem für die Ausmessung des Ersatzbetrages wesentlichen Kriterien hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 8 ObA 188/98z = JBl 1999, 538 ausführlich Stellung genommen. Er hat dort dargestellt, dass sich die Bemessung des immateriellen Schadens im Rahmen der sonst im Schadenersatzrecht angewandten Grundsätze zu halten hat, wobei der Gesetzgeber dem Richter lediglich im unteren Bereich die sonst immer von den Umständen des Einzelfalls geprägte Bewertung vorgegeben hat. Ist die Entscheidung rein einzelfallbezogen, könnte nur eine wesentliche Verkennung der Rechtslage die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigen. Davon kann hier aber keine Rede sein, weil sich die Ausmessung des Schadenersatzbetrages durch die Vorinstanzen innerhalb des durch die zitierte Entscheidung des erkennenden Senats abgesteckten Rahmen hält.

Die - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts - unzulässige Revision ist zurückzuweisen.

Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen hat, hat sie die von ihr verzeichneten Kosten gemäß §§ 50, 40 ZPO selbst zu tragen.