OGH vom 16.04.2020, 10ObS154/19y

OGH vom 16.04.2020, 10ObS154/19y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Dr. Gerhard M. Paischer und Mag. Dr. Robert H. Schertler, Rechtsanwälte in Braunau am Inn, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 91/19t22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 19 Cgs 228/18b17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Strittig ist im Revisionsverfahren noch das restliche Begehren des *****1959 geborenen Klägers auf Feststellung von „zumindest 25 Schwerarbeitsmonaten“ im Zeitraum von bis gemäß § 247 Abs 2 ASVG.

Das Erstgericht, das insgesamt 89 (genau spezifizierte) Schwerarbeitsmonate aus dem Zeitraum von bis feststellte, wies das Begehren des Klägers auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum bis ab. Es stellte dazu fest, dass der Kläger bei Tätigkeiten in diesem Zeitraum nach Abzug von 10 % unproduktiver Zeiten 1.231 Arbeitskilokalorien verbrauchte. Weiters traf das Erstgericht die (Negativ-)Feststellung: „Es kann nicht festgestellt werden, in welchen Monaten im Zeitraum von November 1999 bis Juni 2006 der Kläger an zumindest 6 Arbeitstagen in der Nachtschicht zwischen 20:00 Uhr und 4:00 Uhr gearbeitet hat.“ Rechtlich verneinte es auf dieser Grundlage das Vorliegen von Schwerarbeitszeiten gemäß § 1 Abs 1 Z 1 und Z 4 SchwerarbeitsV, BGBl II 2006/104, im genannten Zeitraum.

Das vom Kläger mit dem Berufungsantrag, es möge ausgesprochen werden, dass er „im Zeitraum von bis zumindest 25 Schwerarbeitsmonate erworben“ habe, angerufene Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es ließ die Revision mit der Begründung zu, dass der Oberste Gerichtshof noch nicht ausdrücklich klargestellt habe, ob gemäß § 247 Abs 2 ASVG stets tatsächlich konkrete Zeiträume als Versicherungszeiten festzustellen seien, oder ob auch die bloße Feststellung der Anzahl erworbener Versicherungszeiten ausreiche.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt beantwortete Revision des Klägers, mit der er die Feststellung von im Zeitraum von bis erworbenen „zumindest 25 Schwerarbeitsmonaten“ im Sinn des § 607 Abs 14 ASVG bzw § 4 Abs 4 APG begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn das Gesetz selbst – wie hier – eine eindeutige Regelung trifft (RS0042656).

2.1 Gegenstand des mit der 35. Novelle zum ASVG, BGBl 1980/585, eingeführten Verfahrens gemäß § 247 ASVG ist die Feststellung von Versicherungszeiten (§ 247 Abs 1 ASVG), seit dem SVÄG 2006, BGBl I 2006/130, auch die Feststellung von Schwerarbeitszeiten (§ 247 Abs 2 ASVG).

2.2 Versicherungszeiten sind gemäß § 3 APG Beitragszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit, aufgrund bestimmter Teilversicherungstatbestände und aufgrund einer freiwilligen Versicherung in der Pensionsversicherung. Gemäß § 224 ASVG sind Versicherungszeiten Beitragszeiten (§§ 225, 226 ASVG) und Ersatzzeiten (§§ 227, 227a, 228, 228a und 229 ASVG).

2.3 Schwerarbeitszeiten sind Versicherungszeiten, die unter psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen erworben werden (§ 4 SchwerarbeitsV; 10 ObS 23/16d, SSV-NF 30/30, Pkt 2.1).

2.4 Für alle Versicherungszeiten im ASVG – mit Ausnahme von Schul- und Studienzeiten, für die kein Beitrag entrichtet wurde und für Kindererziehungszeiten – gilt eine tageweise Zählung (§ 231 Z 1 ASVG;§ 4 SchwerarbeitsV). Versicherungszeiten werden durch den Beginn (§ 10 ASVG) und das Ende (§ 11 ASVG) der Pflichtversicherung, einer fallweisen Beschäftigung (§ 33 Abs 3 ASVG), einer freiwilligen Versicherung oder durch Beginn und Ende von Ersatzzeiten bestimmt (Panhölzl, SV-Komm [205. Lfg] § 231 ASVG Rz 8). Versicherungszeiten sind gemäß § 231 ASVG ua zur Feststellung der Leistungen aus der Pensionsversicherung in Versicherungsmonate zusammenzufassen. Die zeitliche Lage von Versicherungstagen kann für die Bildung von Versicherungsmonaten entscheidend sein (vgl nur § 231 Z 1 lit b ASVG). Die Regelungen des ASVG über die Bildung von Versicherungszeiten sind auch für das APG maßgeblich (§ 1 Abs 1 Z 2 APG;Rainer/Pöltner, SV-Komm [165. Lfg] § 3 APG Rz 6).

2.5 Allgemeine Voraussetzung der Leistungsansprüche in der Pensionsversicherung (§ 222 Abs 1 und 2 ASVG) ist gemäß § 235 ASVG in der Regel die Erfüllung der Wartezeit. Die Erfüllung der Wartezeit hängt – abgesehen von den Fällen der „ewigen Anwartschaft“ (§ 236 Abs 4 ASVG) – nicht nur vom Erwerb einer gewissen Anzahl von Versicherungsmonaten ab (§ 236 Abs 1 ASVG). Diese Versicherungsmonate müssen darüber hinaus auch in bestimmten Zeiträumen liegen (§ 236 Abs 2 ASVG).

2.6 Auch für die Erfüllung der Voraussetzungen zum Erwerb einer Schwerarbeitspension müssen mindestens 120 Schwerarbeitsmonate innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) liegen (§ 4 Abs 3 Z 1 APG;§ 607 Abs 14 ASVG).

2.7 Sowohl für die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 236 Abs 1 und 2 ASVG, als auch für die Erfüllung der Voraussetzungen zum Erwerb einer Schwerarbeitspension kommt es daher nicht nur auf die Anzahl der erworbenen Versicherungsmonate (Schwerarbeitsmonate), sondern entscheidend auch auf deren zeitliche Lage an.

2.8 Das Verfahren gemäß § 247 ASVG verfolgt den Zweck, dem Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, welche Zeiten der Prüfung eines Pensionsanspruchs zugrunde zu legen sind. Es soll ihm eine Grundlage für die Entscheidung geben, ob er einen Pensionsantrag stellt oder ob er weiter im Arbeitsleben bleibt, um weitere Zeiten zu erwerben, bzw ob ein solcher Pensionsantrag sinnvoll ist, wenn etwa für eine bestimmte Pensionsleistung eine gewisse Mindestzahl von Zeiten vorgesehen ist. Eine Feststellung von Versicherungszeiten wird diesem Zweck (erst) dann voll gerecht, wenn dem Versicherten eine ausreichende Entscheidungsgrundlage dadurch geboten wird, dass alle Zeiten angeführt werden (10 ObS 244/03k SSV-NF 18/33). Eine ausreichende Entscheidungsgrundlage besteht nach der dargestellten Rechtslage insbesondere vor dem Hintergrund der dargestellten tageweisen Zählung von Versicherungstagen und den Voraussetzungen zur Erfüllung der Wartezeit nur dann, wenn nicht nur die Zahl der erworbenen Versicherungsmonate, sondern auch deren (genaue) zeitliche Lage festgestellt wird.

2.9 Ergebnis: Die Feststellung der Versicherungszeiten bzw Schwerarbeitszeiten nach § 247 ASVG – als „vorgezogener Teil“ eines Leistungsverfahrens (RS0084976) – umfasst die in Monate zusammengefassten Versicherungszeiten sowie deren zeitliche Lage.

3.1 Ausgehend von dieser Rechtslage, die das Berufungsgericht ohnehin beachtet hat, stellt sich die von ihm als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht.

3.2 Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen konnte der Kläger nicht beweisen, dass er im Zeitraum von November 1999 bis Juni 2006 Schwerarbeitsmonate erworben hat.

3.3 Der Kläger hat in seiner Berufung zwar eine Rechtsrüge erhoben, diese aber, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, nicht gesetzmäßig ausgeführt. Eine nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge kann in der Revision nicht nachgeholt werden (RS0043573 [T3; T 30]).

4. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00154.19Y.0416.000

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