OGH vom 20.01.2020, 12Os34/19w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Strafsache gegen Viktor M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB, AZ 352 HR 214/11x des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Dr. Stefan T***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO in Ansehung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien vom , AZ 20 Bs 199/18p, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Im Ermittlungsverfahren gegen Viktor M***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 703 St 3/11t (nunmehr AZ 713 St 24/18i) der Staatsanwaltschaft Wien, stellte der Beschuldigte Dr. Stefan T***** mit Schriftsatz vom – soweit im Folgenden von Relevanz – den Antrag auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens „gemäß § 108 StPO“ (ON 558), welchen das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom , AZ 352 HR 214/11x, abwies (ON 644).
Das Oberlandesgericht Wien als Rechtsmittelgericht gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten (ON 661) mit Beschluss vom , AZ 20 Bs 199/18p, nicht Folge (ON 683).
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien richtet sich der – nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gestützte – (rechtzeitige) Antrag des Beschuldigten Dr. Stefan T***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam, mit welchem dieser einen „Verstoß gegen Art 6 und 8 EMRK, Art 1 1. ZP EMRK sowie Art 17, 47 und 48 GRC“ geltend macht.
Indes zu Unrecht.
Mit Entscheidung des verstärkten Senats vom , AZ 13 Os 49/16d, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens auch im von der Rechtsprechung (13 Os 135/06m, SSt 2007/53; RIS-Justiz RS0122228) erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden kann.
Der Erneuerungsantrag ist daher in Ansehung der Relevierung einer Verletzung der Art 17, 47 und 48 GRC schon aus diesem Grund unzulässig.
Zum Vorbringen des Erneuerungswerbers im Übrigen:
Vorangestellt sei, dass die Behandlung von Erneuerungsanträgen nicht Prüfung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz bedeutet. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle (jüngst 13 Os 133/18k mwN).
Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag (RIS-Justiz RS0122228), bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und Art 35 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737, RS0128394). Demnach hat – weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 13 Rz 16) – auch ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO per analogiam deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359, RS0128393) und – soweit er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag – seine Argumentation auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393 [T1]).
Indem sich der Antrag des Dr. Stefan T***** in einer bloßen (im Wesentlichen sogar wortgleichen) Wiederholung des Beschwerdevorbringens erschöpft und nicht einmal der Versuch einer argumentativen Bezugnahme zur angefochtenen Beschwerdeentscheidung insbesondere zu der nach seiner Vernehmung und nach der Übersetzung von ihm vorgelegter Urkunden bestehenden Verdachtslage (BS 2 ff) unternommen wird, wird er diesen Erfordernissen nicht gerecht.
Soweit der Erneuerungswerber unter dem Gesichtspunkt des Art 6 MRK, aber auch – ohne konkret einen primär daraus resultierenden Verstoß zu behaupten – des Art 8 MRK die unverhältnismäßige Verfahrensdauer, die „Untätigkeit der Staatsanwaltschaft“ und die (seiner Ansicht nach im Übrigen auch verspätete) Abfertigung des Ersuchens um Übernahme der Strafverfolgung durch die rumänischen Justizbehörden kritisiert, lässt er außer Acht, dass dem Betroffenen in ein und derselben Sache nur ein Erneuerungsantrag zusteht (vgl RIS-Justiz RS0123231, RS0122736 [T11]) und dieses Vorbringen bereits Gegenstand seines am zu AZ 12 Os 72/18g zurückgewiesenen Erneuerungsantrags war. Ohne Änderung der Beurteilungsgrundlagen kann es daher nicht neuerlich zum Gegenstand eines Begehrens nach § 363a Abs 1 StPO gemacht werden.
Der Einwand der Verletzung des Rechts auf Achtung des Eigentums (Art 1 des 1. ZPMRK) wurde – zudem ohne inhaltliches Vorbringen – erstmals im Erneuerungsverfahren erhoben, sodass es insofern an der gebotenen horizontalen Rechtswegerschöpfung (RIS-Justiz RS0122737 [insbes T 13]) fehlt.
Der Erneuerungsantrag war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00034.19W.0120.000 |
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