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OGH vom 26.06.2007, 10Ob66/07i

OGH vom 26.06.2007, 10Ob66/07i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Slobodan B*****, Unternehmer, 2. Gordana B*****, Hausfrau, 3. Bosko B*****, Schüler, 4. Uros B*****, Angestellter, alle *****, Serbien, vertreten durch Gradischnig & Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in Villach, gegen die beklagte Partei Alexander K*****, Unternehmer, *****, vertreten durch Dr. Janko Tischler jun. Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, wegen EUR 84.000,-- s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 36/07t-53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom , GZ 25 Cg 99/04t-46, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 2.248,34 (davon EUR 374,72 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Erstkläger ist der Vater, die Zweitklägerin ist die Mutter, der Dritt- und der Viertkläger sind die Brüder des am verstorbenen Marco B*****. Vor dessen Tod lebten dieser und alle Kläger im gemeinsamen Haushalt in ständiger Lebensgemeinschaft in Belgrad. Marco B***** hatte zu seinen Eltern und Brüdern eine enge Familienbeziehung und unternahm mit den Brüdern häufig gemeinsame Freizeitaktivitäten.

Der Beklagte hat Anfang April 2002 in Kroatien auf der Insel Cres auf der Motoryacht Typ Fairline Phantom 42 einen Benzingenerator Marke Elektro Lux Traveller 2500 H eingebaut, der mit einer Luftkühlung versehen ist und nach den Einbau- und Bedienungsvorschriften des Herstellers zum Einbau auf Caravans, Wohnmobilien und Spezialfahrzeugen nur von Fachpersonal mit Genehmigung verwendet werden darf. Der Beklagte hat das Benzinaggregat, das zur Verwendung im Freien bestimmt ist, in der Yacht installiert, wozu es ungeeignet und wo es höchst gefährlich ist. Die Verwendung eines derartigen Benzingenerators entspricht nicht dem Stand der Technik. Abgasleitungen sind immer ins Freie zu führen. Die Einschaltung eines Lüfters gleichzeitig mit dem Aggregat bzw die Kopplung, dass Lüfter und Aggregat nur gleichzeitig laufen können, ändert nichts an der Ungeeignetheit des Aggregates für den Einbau an Bord wegen möglicher Störfälle beim Lüften. Selbst beim Betrieb des Lüfters können Vergiftungen an Bord befindlicher Personen nicht ausgeschlossen werden. Die Abgase des Benzinaggregates gelangten aufgrund des Einbaues direkt in den Motorraum, wo sie - insbesondere wenn die Lüfter dort nicht eingeschaltet wurden - angestaut wurden. Der Erstkläger fuhr mit seinem Sohn Marco B*****, dem Skipper Milan K***** und Milutin B***** mit der Yacht, auf der der Beklagte den Generator eingebaut hatte, am von Cres in Richtung Süden und ankerte am in S*****, Bezirk Dubrovnik, Republik Kroatien. Die vier Genannten suchten zum Abendessen ein Lokal auf. Marco B***** ging gegen 21.45 Uhr vor den anderen auf das Boot zurück. Als die anderen gegen 22.05 Uhr auf das Boot zurückkehrten, nahmen sie starken Kohlenmonoxydgeruch (vermutlich gemeint: Abgasgeruch) wahr und fanden Marco B***** schwer atmend und zusammengesackt liegend auf. Trotz ärztlicher Hilfe verstarb Marco B***** einige Zeit später an den Folgen der Einatmung von Kohlenmonoxyd.

Der Beklagte hat dadurch, dass er es unterließ, beim Einbau des Benzinmotors für eine fachgerechte Ableitung der entstehenden Abgase zu sorgen und insbesondere keine Kopplung der vorhandenen Ventilatoren mit dem Generator vorgenommen hat, fahrlässig den Tod des Marco B***** herbeigeführt. Den Klägern wurde im Strafverfahren vor dem Bezirksgericht V***** mit Urteil vom als Privatbeteiligte ein Teilschmerzengeld von insgesamt EUR 1.000,-- zuerkannt.

Die Kläger leiden auch heute noch unter Trauer, wenn sie an den Verstorbenen denken, und haben durch dessen Tod seelische Schmerzen erlitten.

Der Erstbeklagte und die Zweitklägerin begehren aus dem Titel Trauerschmerzengeld je EUR 30.000,--, der Dritt- und der Viertkläger je EUR 12.000,-- samt 4 % Zinsen ab dem Klagstag. Der Schadenersatzanspruch sei nach dem Ort des den Schaden verursachenden Verhaltens, somit nach kroatischem Recht zu beurteilen. Der Beklagte wandte ein, dass den Klägern nur ein (vertraglicher) Schadenersatzanspruch gegen seine Auftraggeberin zustehe; diesbezüglich sei slowenisches Recht anzuwenden. Falls den Beklagten eine außervertragliche Haftung treffe, sei das Recht von Serbien und Montenegro anzuwenden, da die Kläger serbische Staatsbürger seien und das geleaste Boot nur von Kroatien nach Serbien und Montenegro hätte überstellt werden sollen. Nach dem Recht von Serbien und Montenegro sei eine Haftung des Beklagten ausgeschlossen. Jedenfalls treffe ihn kein Verschulden; gegebenenfalls müssten sich die Kläger ein Mitverschulden zurechnen lassen. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei jedenfalls überhöht.

Das Erstgericht verwarf die Einrede des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der fehlenden örtlichen Zuständigkeit und gab dem Klagebegehren im Ausmaß von je EUR 29.750,-- (Erstkläger und Zweitklägerin) bzw je EUR 9.950,-- (Dritt- und Viertkläger) samt 4 % Zinsen seit (= Klagstag) statt und wies das Mehrbegehren teilweise zurück und teilweise ab.

Seiner rechtlichen Beurteilung legte es zugrunde, dass außervertragliche Schadenersatzansprüche gemäß § 48 IPRG nach dem (Sach-)Recht jenes Staates zu beurteilen seien, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden sei. Da der Motor in Kroatien eingebaut und auch der Tod des Marco B***** dort eingetreten sei, sei hier kroatisches Sachrecht anzuwenden.

Nach Art 201 des (hier aufgrund des Unfalls im Jahr 2002 noch anzuwendenden) jugoslawischen Obligationenrechts könne des Gericht im Fall des Todes einer Person den Familienmitgliedern (Ehegatten, Kindern und Eltern) eine gerechte Ersatzleistung für deren seelische Schmerzen zusprechen. Ein solcher Ersatz könne auch den Brüdern und Schwestern zugesprochen werden, wenn zwischen ihnen und der verstorbenen Person eine dauernde Lebensgemeinschaft bestanden habe. Der Beklagte, der entgegen Herstelleranleitungen, Vorschriften und dem Stand der Technik einen ungeeigneten Motor eingebaut habe, habe allein den Tod des Marco B***** grob fahrlässig herbeigeführt. Da alle Kläger mit Marco B***** in einem Haushalt bzw in ständiger Lebensgemeinschaft gewohnt hätten und eine enge familiäre Beziehung bestanden habe, sei der Zuspruch von je EUR 30.000,-- (220.000,-- kroatische Kuna) für die Eltern und je EUR 10.200,-- (75.000 HRK) für die Brüder als finanzielle Entschädigung für die erlittenen seelischen Schmerzen angemessen. Zu berücksichtigen sei noch, dass den Klägern als Privatbeteiligten im Strafverfahren rechtskräftig ein Betrag von insgesamt EUR 1.000,-- (anteilig je EUR 250,--) zuerkannt worden sei. Insoweit sei das Klagebegehren (je EUR 250,-- pro Kläger) wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückzuweisen. Im Ausmaß von weiteren je EUR 1.800,-- sei das Begehren des Dritt- und des Viertklägers abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung erhobenen Berufung der Kläger Folge, hob das Ersturteil in diesem Umfang auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sah die Tatsachenrüge nicht als berechtigt an und führte zur Rechtsrüge aus, dass die Schutzwirkung bei Verletzung vertraglicher Schutzpflichten zugunsten Dritter eine gesetzliche Verpflichtung sei; bei Verletzung solcher Verträge sei daher deliktisch anzuknüpfen (RS0077474 [T4]). Außervertragliche Schadenersatzansprüche seien gemäß § 48 Abs 1 IPRG nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden sei. Bestehe jedoch für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates (vgl § 1 IPRG), so sei dieses Recht maßgebend. Diese Grundsätze führten zur Anwendung von kroatischem Recht, zumal das schädigende Verhalten (Einbau des Aggregates) vom Beklagten in Kroatien gesetzt worden sei; auch der Schaden (Tod des Marco B*****) sei dort eingetreten. Die (nach Ansicht des Beklagten gebotene) Anwendung serbischen Rechts gehe fehl, zumal keineswegs mit einem Schadenseintritt (erst) in Serbien und Montenegro zu rechnen gewesen sei. Es gebe auch kein Beweisergebnis dahin, dass die Motoryacht nach Überstellung ausschließlich in serbisch-montenegrinischen Gewässern verwendet worden wäre. Gerade für den Beklagten gebe es keine erkennbare Sachverhaltsbeziehung zum serbischen Recht. Mit vertraglichen Schadenersatzansprüchen würden die gesetzlichen Schadenersatzansprüche der Kläger keineswegs konkurrieren. Da § 5 Abs 1 IPRG den Grundsatz der Gesamtverweisung normiere, müsse allerdings erst geklärt werden, ob das kroatische IPR die Verweisung auf sein Sachrecht annehme oder ob es eine Rück- oder Weiterverweisung enthalte. Es sei auch nicht von vornherein auszuschließen, dass ein „internationales Seeprivatrecht" bestehe, das hier eine Rolle spiele. Gemäß § 4 IPRG sei das fremde Recht von Amts wegen zu ermitteln. Bei der gegebenen Situation erscheine die Beiziehung eines Sachverständigen unumgänglich. Erst wenn geklärt sei, welches Sachrecht anzuwenden ist, sei dessen Inhalt hinreichend (gegebenenfalls wieder unter Beiziehung eines Sachverständigen) zu erheben und dann entsprechend anzuwenden. Wenn das anzuwendende Sachrecht die Zuerkennung von „Trauerschmerzengeld" vorsehe, sei das Vorliegen der Voraussetzungen hiefür (auch zur Höhe) zu klären und festzustellen. Auch zur Frage des Mitverschuldens des Verstorbenen und/oder des Erstklägers seien die nach dem anzuwendenden Recht erforderlichen Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen. Es werde auch zu erörtern sein, worin konkret das Verschulden des Verstorbenen bzw des Erstklägers gelegen sein solle. Auch zum Zinsenbegehren werde erforderlichenfalls das anzuwendende Recht und dessen Inhalt zu klären sein.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, da dem Schadensfall auch eine Verletzung vertraglicher Pflichten zugrunde liege; es sei daher die Ansicht vertretbar, dass das Sachrecht anzuwenden sei, das auf das Vertragsverhältnis zwischen Schädiger und Vertragspartner anzuwenden sei.

Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof möge nach Zulassung des Rekurses „den angefochtenen Beschluss ... in seiner rechtlichen Beurteilung hinsichtlich des anzuwendenden Sachrechts abändern, in eventu den angefochtenen Beschluss aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an das zweitinstanzliche Gericht zurückverweisen". Die klagenden Parteien beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig. Mit dem Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss kann auch allein dessen Begründung angefochten werden, ohne dass der Auftrag an das Erstgericht, das Verfahren zu ergänzen, bekämpft wird. Das Rechtsmittel kann auch von derjenigen Partei erhoben werden, auf deren Berufung hin die Aufhebung erfolgt ist (9 ObA 320/98v = SZ 72/36; RIS-Justiz RS0111502).

In seinem Rekurs sieht der Beklagte eine erhebliche Rechtsfrage darin, wie Verletzungen von Schutzpflichten „bei Verträgen zugunsten Dritter" anzuknüpfen seien; diese Frage sei in der Literatur strittig.

Damit wird jedoch keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung releviert, hat doch der Oberste Gerichtshof zuletzt in der Entscheidung 4 Ob 230/06m (RIS-Justiz RS0121565) unter Berufung auf Verschraegen (in Rummel³ § 48 IPRG Rz 42; ebenso im Ergebnis 7 Ob 623/87 = IPRE 2/87 und Koziol, Haftpflichtrecht I3 [1997] Rz 19/14) klargestellt, dass es sich bei der Schutzwirkung bei Verletzung vertraglicher Schutzpflichten zugunsten Dritter um eine gesetzliche Verpflichtung handelt, weshalb bei Verletzung solcher Verträge deliktisch (§ 48 Abs 1 IPRG) anzuknüpfen ist.

Nach § 48 IPRG sind außervertragliche Schadenersatzansprüche nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist. Besteht jedoch für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates, so ist dieses Recht maßgebend.

Die Grundsatzanknüpfung des § 48 Abs 1 Satz 1 ABGB verweist auf den Ort, an dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist, sohin den Handlungsort. Das ist bei Delikten durch aktives Tun jener Ort, an dem der Täter sich schädigend verhalten hat (Verschraegen in Rummel³ § 48 IPRG Rz 23) - hier in Kroatien. Bei wertender Betrachtung bietet der vorliegende Sachverhalt keinen Grund, von der Grundregel des § 48 Abs 1 IPRG abzuweichen, hat sich doch auch der Deliktserfolg in Kroatien verwirklicht. Für die Anwendung der Ausweichklausel des § 48 Abs 1 Satz 2 IPRG müssten nämlich die haftungsrelevanten Beziehungen der Parteien zu einem anderen Recht so deutlich überwiegen, dass die Verbindungen zum Handlungsort nur nebensächlich und zufällig erscheinen (2 Ob 10/94 = SZ 67/51; 2 Ob 42/95= SZ 68/141; 7 Ob 238/05h = ZfRV-LS 2006/15; Schwimann, Internationales Privatrecht3 [2001] 76). Eine derart eindeutige Schwerpunktverlagerung des Schadensfalls ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen, was sich auch darin dokumentiert, dass nach Ansicht des Beklagten serbisches, slowenisches und österreichisches Sachrecht in Betracht kommen). Es ist daher hinsichtlich des von den Klägern geltend gemachten Schadenersatzanspruches von einer Verweisung des österreichischen IPR auf kroatisches Recht auszugehen. Dass das österreichische IPR von einer Gesamtnormverweisung gekennzeichnet ist (§ 5 IPRG), wird im Rekurs zutreffenderweise nicht in Zweifel gezogen.

Insgesamt wird somit von der beklagten Partei keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 519 Abs 2 ZPO aufgezeigt, weshalb ihr Rekurs zurückzuweisen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Zu einem Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO besteht kein Anlass, weil durch die Zurückweisung des Rechtsmittels der beklagten Partei zufolge Unzulässigkeit - worauf die klagende Partei in ihrer Rekursbeantwortung zutreffend hingewiesen hat - eine abschließende und vom Ergebnis der Hauptsachenentscheidung unabhängige Erledigung der Rechtsmittelschriftsätze durch den Obersten Gerichtshof erfolgen konnte (2 Ob 155/06t).