OGH vom 24.04.1997, 8Ob108/97h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bank ***** AG, ***** vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Advija S*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Willenserklärung durch Unterfertigung einer Wechselurkunde (Streitwert S 100.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen als Berufungsgericht vom , GZ 37 R 765/96s-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 8 C 825/96g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte war Gesellschafterin und Handlungsbevollmächtigte der M.S***** GesmbH, deren Geschäftsführer und weiterer Gesellschafter ihr Ehegatte Mesud S***** war. Die Gesellschaft eröffnete bei der klagenden Bank das Konto Nr 215-101-811/00, für das die Beklagte zeichnungsberechtigt war. Die Klägerin räumte der Gesellschaft für dieses Konto einen Überziehungsrahmen bis zu S 1,000.000 ein. Die Einräumung dieses Überziehungsrahmens hatte die Klägerin von der - am erfolgten - Unterfertigung eines Blankowechsels (als Annehmer) und einer vorbereiteten Wechselwidmungserklärung durch die Gesellschaft, die Beklagte und deren Gatten abhängig gemacht. Die Wechelwidmungserklärung enthält ua die Verpflichtung der Unterzeichner, der Klägerin jederzeit auf ihr Verlangen bis zur vollständigen Abdeckung aller ihrer Forderungen gleichartige Erneuerungswechsel zu übergeben.
Zum hafteten auf dem Konto S 1,651.320,32 unberichtigt aus. Mit Schreiben vom erklärte die Klägerin der Beklagten, den aushaftenden Betrag fälliggestellt zu haben und die Beklagte aus ihrer "Mitverpflichtung/Bürgschaft" in Anspruch zu nehmen.
Eine von der Klägerin gegen die Beklagte zu 8 C 81/95 des Erstgerichtes erhobene Klage auf Zahlung von S 300.000 wurde mit Urteil vom rechtskräftig abgewiesen. In diesem Urteil vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß sich die Beklagte lediglich zur Annahme eines Blankowechsels verpflichtet habe; dieser Verpflichtung sei sie nachgekommen. Es obliege der Klägerin, durch Vervollständigung des Wechselblanketts eine wechselmäßige Verpflichtung der Beklagten zu schaffen.
Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , 8 C 267/95-10, wurde der von der Beklagten und Mesud S***** (von letzterem auch als Geschäftsführer der Gesellschaft) akzeptierte Blankowechsel für kraftlos erklärt.
Am stellte die Klägerin einen auf die Gesellschaft, Mesud S***** und die Beklagte gezogenen Sichtwechsel über S 1,651.320,32 zuzüglich 16,5 % Zinsen ab aus.
Die Klägerin begehrte in ihrer Klage die Verpflichtung der Beklagten, den eben genannten Wechsel durch Unterfertigung anzunehmen. Sie berief sich dabei auf die von der Beklagten in der Wechselwidmungserklärung vom übernommene Verpflichtung zur Unterzeichnung eines von der Klägerin ausgestellten Blankowechsels.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Mangels wahrer Willenseinigung sei die Vereinbarung vom nicht rechtswirksam zustandegekommen. Die Beklagte habe sich in einem Irrtum befunden, der von der Klägerin arglistig veranlaßt worden sei oder ihr hätte auffallen müssen. Im Urteil des Erstgerichtes zu 8 C 81/95, mit dem eine Klage der Klägerin abgewiesen worden sei, sei festgestellt worden, daß über eine Haftungsübernahme der Beklagten für die Gesellschaft nicht gesprochen worden sei. Diese Feststellung sei für das vorliegende Verfahren bindend. Aus der inhaltlich nicht ausreichenden bzw mißverständlichen Urkunde vom resultiere ausschließlich die Verbindlichkeit der Beklagten zur Ausstellung eines Blankowechsels; dieser Verbindlichkeit habe die Beklagte ohnedies entsprochen. Die Vorgangsweise der Klägerin, diesen Wechsel für kraftlos erklären zu lassen und nunmehr neuerlich die Unterfertigung eines Wechsels zu begehren, sei sittenwidrig und diene nur dem Zweck, die Beklagte zu schädigen.
Die Klägerin bestritt jegliche Bindung an das Urteil im auf die Realisierung einer Bürgschaftsverpflichtung abzielenden Vorprozeß und eine ihr zurechenbare Irreführung der Beklagten. Ferner stützte sie ihr Klagebegehren auf die Bestimmung des § 13 KEG, nach der die Beklagte zur Ausfertigung eines neuen Wechsels verpflichtet sei. Gleichzeitig erhob sie ein Eventualbegehren auf Verpflichtung der Beklagten, Zug um Zug gegen Aushändigung des Kraftloserklärungsbeschlusses vom einen Blankowechsel anzunehmen und der Klägerin zu übergeben.
Das Erstgericht wies - wie allerdings nur der Urteilsbegründung zu entnehmen ist - das Klagehauptbegehren der Klägerin ab und gab dem Eventualbegehren statt. Aus der Wechselwidmungserklärung vom ergebe sich nur die Verpflichtung der Beklagten zur Ausstellung eines Blankowechsels, weshalb das Klagehauptbegehren nicht berechtigt sei. Dem Eventualbegehren sei im Hinblick auf § 13 KEG 1951 stattzugeben. Die daraus resultierende Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin gegen Ausfolgung des Kraftloserklärungsbeschlusses eine neue Urkunde auszufolgen, sei unbedingt, weshalb der Beklagten der Einwand der Irreführung und der Arglist nicht dagegen offenstehe. Diese Einwände könne die Beklagte erst nach Erlassung eines gegen sie gerichteten Wechselzahlungsauftrages aufgrund des vervollständigten Blanketts erheben.
Das nur von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat ebenfalls die Auffassung, daß die Beklagte dem Begehren auf Ausstellung einer neuen Urkunde Einwendungen aus dem Grundgeschäft nicht entgegenhalten könne. Durch die Kraftloserklärung solle die Wirkung der abhanden gekommenen Urkunde beseitigt und der Inhaber des Kraftloserklärungsbeschlusses so gestellt werden, als ob er die ursprüngliche Urkunde in Händen hätte. Dieses Ziel würde im Fall eines Wechsels nicht erreicht werden, wenn nicht der Anspruch auf Ausstellung einer neuen Urkunde unbedingt wäre, weil der Kraftloserklärungsbeschluß allein seinen Inhaber noch nicht in die Lage versetze, einen Wechselzahlungsauftrag zu erlangen. Eine abschließende Prüfung des Bestehens oder des Umfanges des aus der Urkunde abzuleitenden Rechtes sei nicht Gegenstand des Kraftloserklärungs-Verfahrens und daher auch nicht von Einfluß auf die aus § 13 KEG resultierende Verpflichtung auf Ausstellung einer neuen Urkunde.
Die ordentliche Revision sei zulässig, da zur Zulässigkeit von Einwendungen aus dem Grundgeschäft gegen den Anspruch aus § 13 KEG eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der Berufung der Klägerin Folge gegeben, die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen werde.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Für das Verfahren zur Kraftloserklärung von Wechseln gilt gemäß § 90 WG mit bestimmten (hier nicht interessierenden) Abweichungen das KEG 1951. Nach diesem Gesetz können abhanden gekommene oder vernichtete Urkunden (§ 1 Abs 1 KEG; auch Blankowechsel: Kapfer, Handkommentar zum Wechselgesetz 284) über Antrag dessen, der aus der Urkunde berechtigt ist oder ein rechtliches Interesse an der Amortisation hat (§ 3 Abs 1 KEG), für kraftlos erklärt werden. Zweck der Kraftloserklärung ist zum einen die Verhinderung des Mißbrauches des abhanden gekommenen Papieres. Zum anderen sollen dem Gläubiger die Rechte aus dem Papier gewahrt werden; er soll jene Rechte wieder geltend machen können, an deren Durchsetzung er mangels des Papieres verhindert war (Bachmayer, Die Kraftloserklärung von Urkunden, XV; JBl 1970, 476). Demgemäß ordnet § 13 KEG an, daß - solange nicht eine neue Urkunde ausgefertigt ist - der Beschluß, mit dem die Urkunde für kraftlos erklärt wurde, an die Stelle der für kraftlos erklärten Urkunde tritt; wer die Kraftloserklärung erlangt hat, kann unter Vorweisung des Beschlusses die ihm zustehenden Rechte aus der Urkunde oder aufgrund der Urkunde dem Verpflichteten gegenüber geltend machen oder die Ausfertigung einer neuen Urkunde gegen Ausfolgung des Beschlusses und Ersatz der Kosten verlangen. Dieses zuletzt genannte - erforderlichenfalls im Klagewege durchzusetzende - Recht des Erwirkers der Kraftloserklärung, die Ausfolgung einer neuen Urkunde zu verlangen, richtet sich auch gegen den Annehmer eines Wechsels, der demgemäß verpflichtet ist, eine neue Wechselurkunde zu unterzeichnen (Staub/Stranz, Kommentar zum Wechselgesetz13 708 zur inhaltlich identen Regelung des § 13 der kaiserlichen Verordnung über die Kraftloserklärung von Urkunden vom ). Die neue Urkunde tritt dann in jeder Hinsicht an die Stelle des abhanden gekommenen oder vernichteten Wechsels. Alle Rechte und Pflichten bestehen für sie in gleicher Weise wie für die zuerst ausgestellte Wechselurkunde (Staub/Stranz aaO 708).
Die Kraftloserklärung bewirkt also keine Veränderung oder Aufhebung des durch die kraftlos erklärte Urkunde verkörperten Rechtes; ihre Wirkung besteht vielmehr darin, daß der Gläubiger jene Rechte wieder geltend machen kann, an deren Durchsetzung er mangels des Papieres verhindert war, und daß der Verpflichtete aus der kraftlos erklärten Urkunde zu keiner Leistung mehr verhalten werden kann (JBl 1970, 476). Er hat also jetzt an den durch die Amortisierung legitimierten Gläubiger zu leisten und wird durch diese Leistung insoweit befreit, als er durch die Leistung an den Inhaber der kraftlos erklärten Urkunde befreit worden wäre (JBl 1970, 476).
Aus dem Umstand, daß die Kraftloserklärung keine Veränderung des durch die Urkunde verkörperten Rechtes bewirkt, folgt aber auch, daß dem Schuldner alle Einwendungen weiter zustehen, die er gegenüber dem auf die für kraftlos erklärte Urkunde selbst gestützten Anspruch hatte (Staub/Stranz aaO 705). Solche Einwendungen werden daher im Rahmen des Kraftloserklärungsverfahrens, das ja - soweit hier von Interesse - dem Berechtigten nur das abhanden gekommene Papier ersetzen soll - nicht geprüft. § 11 Abs 2 KEG sieht lediglich vor, daß das Verfahren eingestellt werden muß, wenn sich aus der Beantwortung der zweiten Anfrage (siehe dazu § 11 Abs 1 KEG) ergibt, daß auf das Wertpapier bereits Zahlung geleistet wurde oder der Verpflichtete es umgetauscht hat; diese beiden Tatbestände stehen daher schon der Einleitung des Verfahrens entgegen (EvBl 1955/173). Für die Geltendmachung von anderen Einwänden des Schuldners, die ihm allenfalls gegenüber dem auf die für kraftlos erklärte Urkunde selbst gestützten Anspruch zustehen, lassen hingegen die Bestimmungen des KEG keinen Raum. Damit kann aber der Schulder - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - solche Einwände auch dem auf § 13 Satz 2 KEG gestützten Anspruch auf Ausfolgung einer neuen Urkunde nicht entgegenhalten. Damit wird seine Rechtsposition nicht verschlechtert, weil ihm sämtliche ihm gegen den durch die Urkunde verkörperten Anspruch offenstehenden Einwendungen ohnedies erhalten bleiben.
Die Vorinstanzen haben daher den von der Beklagten erhobenen Einwand der (arglistigen) Irreführung zu Recht nicht geprüft und die Berechtigung des Eventualbegehrens im Hinblick auf § 13 KEG zutreffend bejaht.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.