VfGH vom 09.12.2008, B1944/07
Sammlungsnummer
18643
Leitsatz
Verletzung im Eigentumsrecht durch Verhängung einer Geldstrafe wegen einer Geschwindigkeitsübertretung auf der A 12 Inntalautobahn mangels Rechtsgrundlage für die der Bestrafung des Beschwerdeführers zu Grunde liegende Geschwindigkeits- und Abstandsmessung; keine gesetzliche Ermächtigung für den Einsatz des hier verwendeten videogestützten Überwachungssystems iSd Datenschutzgesetzes; Datenschutzgesetz für sich genommen keine ausreichende gesetzliche Grundlage; Verwaltungsübertretungen kein Anwendungsfall einer verfassungsgesetzlichen Übergangsbestimmung im Datenschutzgesetz betreffend die Zulässigkeit bestimmter Datenanwendungen bis zu einem Stichtag auch ohne entsprechende Rechtsgrundlage
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) und das Land Tirol sind schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten je zur Hälfte binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz
wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 30 Abs 1 Z 4 Immissionsschutzgesetz-Luft iVm § 3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol, mit der auf der A 12-Inntalautobahn zwischen Zirl-West und der Staatsgrenze mit der Bundesrepublik Deutschland für die Zeit von bis eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h festgesetzt worden ist, LGBl. 86/2006, und gemäß § 18 Abs 1 Straßenverkehrsordnung (im Folgenden: StVO), eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt € 140,-- (36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Der Beschwerdeführer habe auf einem näher bezeichneten Abschnitt der A 12-Inntalautobahn als Lenker eines Fahrzeuges die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 24 km/h überschritten und zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Die Sachverhaltsfeststellungen zur gemessenen Geschwindigkeit und zum eingehaltenen Abstand wurden auf das geeichte videogestützte Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät Verkehrs-Kontroll-System, Version 3.0 Austria (VKS 3.0), Hersteller SUWO EDV-Service, gestützt.
1.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom als unbegründet abgewiesen.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Datenschutz sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wegen Anwendung der rechtswidrigen Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol, LGBl. 86/2006, behauptet wird.
Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, dass der angefochtene Bescheid aufgrund des Umstandes, dass die Verwaltungsübertretungen durch das Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät Type VKS 3.0 der Marke SUWO EDV-Service festgestellt worden seien, der gesetzlichen Grundlage entbehre. Mit diesem Gerät werde in das Grundrecht auf Datenschutz von Kraftfahrzeuglenkern eingegriffen, weshalb im Hinblick etwa auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G147/06 ua. (VfSlg. 18.146/2007), zu fordern sei, dass die Datenerhebung in einer vorhersehbaren Art und Weise sowie in einer allenfalls anfechtbaren und gehörig überprüfbaren Form erfolgt. Im vorliegenden Fall würden die an der Messanlage vorbeifahrenden Kraftfahrzeuglenker in keinster Weise darauf hingewiesen, dass eine Videoaufzeichnung erfolgt und personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die Messstrecke sei durch keine generelle Anordnung, insbesondere keine Verordnung, näher determiniert. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Strecke um keinen besonders gefahrengeneigten Abschnitt handle.
Auf Grund der Aufzeichnung des Beschwerdeführers mit dem Videomessgerät sei er ferner in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Datenschutz verletzt worden. Auf dem Videoband seien nicht nur die Art und Type sowie das Kennzeichen des Fahrzeuges, sondern auch die Personen, welche sich im Fahrzeug befinden, erkennbar. Durch die Durchführung dieser Videoaufzeichnung würden die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes verletzt, zumal unter Heranziehung des verwendeten Fahrzeuges und des ersichtlichen KFZ-Kennzeichens eine eindeutige Zuordnung des Bildes des Lenkers auf dessen Identität möglich sei. Informationen darüber, dass eine Videoaufzeichnung erfolge, seien dem Beschwerdeführer nicht erteilt worden.
2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Dem Vorwurf des Beschwerdeführers, dass der Einsatz des Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerätes im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G147/06 ua. (VfSlg. 18.146/2007), gegen § 1 DSG 2000 verstoße, hält sie entgegen, dass das Messsystem nicht auf Grund des § 100 Abs 5b StVO eingesetzt werde. Es handle sich nicht um eine Geschwindigkeitsmessung entsprechend der Rechtsgrundlage für die sog. Section Control. Das System werde auf verschiedenen Strecken eingesetzt und nicht auf einer bestimmten Wegstrecke. Auch werde nicht eine kilometerlange Strecke kontrolliert, sondern innerhalb des augenblicklich überwachten Autobahnabschnittes eine kurze Wegstrecke von 150 Metern herangezogen. Vom Meldungsleger würden dann einzelne Fahrzeuge aus dem Band einer näheren individuellen Überprüfung innerhalb der Messstrecke unterzogen. Erst dann, wenn auf Grund der internen Software ein zu geringer Tiefenabstand ermittelt werde, werde ein Beweisfoto vom Auto erstellt, auf dem das Kennzeichen ersichtlich sei. Es könne damit nicht von einer automatischen Speicherung aller Kennzeichen gesprochen werden, umso weniger von einer Speicherung personenbezogener Daten.
3. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes eine Stellungnahme zur technischen Funktionsweise des Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerätes VKS 3.0 sowie zum Vorgang der Datenauswertung insbesondere im Hinblick auf die Erfassung und Speicherung personenbezogener Daten im Sinne von § 4 Z 1 DSG 2000 abgegeben.
II. Das Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl. I 165/1999, zuletzt geändert durch BGBl. I 2/2008, lautet auszugsweise:
"Artikel 1
(Verfassungsbestimmung)
Grundrecht auf Datenschutz
§1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen
1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;
2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.
(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs 3 sind nur unter den in Abs 2 genannten Voraussetzungen zulässig.
(5) [...]
[...]
Artikel 2
1. Abschnitt
Allgemeines
Definitionen
§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
1. 'Daten' ('personenbezogene Daten'): Angaben über Betroffene (Z3), deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist; 'nur indirekt personenbezogen' sind Daten für einen Auftraggeber (Z4), Dienstleister (Z5) oder Empfänger einer Übermittlung (Z12) dann, wenn der Personenbezug der Daten derart ist, daß dieser Auftraggeber, Dienstleister oder Übermittlungsempfänger die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann;
2. 'sensible Daten' ('besonders schutzwürdige Daten'): Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben;
3. 'Betroffener': jede vom Auftraggeber (Z4) verschiedene natürliche oder juristische Person oder Personengemeinschaft, deren Daten verwendet (Z8) werden;
4. 'Auftraggeber': natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen haben, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten (Z9), und zwar unabhängig davon, ob sie die Verarbeitung selbst durchführen oder hiezu einen anderen heranziehen. Als Auftraggeber gelten die genannten Personen, Personengemeinschaften und Einrichtungen auch dann, wenn sie einem anderen Daten zur Herstellung eines von ihnen aufgetragenen Werkes überlassen und der Auftragnehmer die Entscheidung trifft, diese Daten zu verarbeiten. Wurde jedoch dem Auftragnehmer anläßlich der Auftragserteilung die Verarbeitung der überlassenen Daten ausdrücklich untersagt oder hat der Auftragnehmer die Entscheidung über die Art und Weise der Verwendung, insbesondere die Vornahme einer Verarbeitung der überlassenen Daten, auf Grund von Rechtsvorschriften, Standesregeln oder Verhaltensregeln gemäß § 6 Abs 4 eigenverantwortlich zu treffen, so gilt der mit der Herstellung des Werkes Betraute als datenschutzrechtlicher Auftraggeber;
5. 'Dienstleister': natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie Daten, die ihnen zur Herstellung eines aufgetragenen Werkes überlassen wurden, verwenden (Z8);
6. 'Datei': strukturierte Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich sind;
7. 'Datenanwendung' (früher: 'Datenverarbeitung'): die Summe der in ihrem Ablauf logisch verbundenen Verwendungsschritte (Z8), die zur Erreichung eines inhaltlich bestimmten Ergebnisses (des Zweckes der Datenanwendung) geordnet sind und zur Gänze oder auch nur teilweise automationsunterstützt, also maschinell und programmgesteuert, erfolgen (automationsunterstützte Datenanwendung);
8. 'Verwenden von Daten': jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z9) als auch das Übermitteln (Z12) von Daten;
9. 'Verarbeiten von Daten': das Ermitteln, Erfassen, Speichern, Aufbewahren, Ordnen, Vergleichen, Verändern, Verknüpfen, Vervielfältigen, Abfragen, Ausgeben, Benützen, Überlassen (Z11), Sperren, Löschen, Vernichten oder jede andere Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung durch den Auftraggeber oder Dienstleister mit Ausnahme des Übermittelns (Z12) von Daten;
10. 'Ermitteln von Daten': das Erheben von Daten in der Absicht, sie in einer Datenanwendung zu verwenden;
11. 'Überlassen von Daten': die Weitergabe von Daten vom Auftraggeber an einen Dienstleister;
12. 'Übermitteln von Daten': die Weitergabe von Daten einer Datenanwendung an andere Empfänger als den Betroffenen, den Auftraggeber oder einen Dienstleister, insbesondere auch das Veröffentlichen solcher Daten; darüber hinaus auch die Verwendung von Daten für ein anderes Aufgabengebiet des Auftraggebers;
13. 'Informationsverbundsystem': die gemeinsame Verarbeitung von Daten in einer Datenanwendung durch mehrere Auftraggeber und die gemeinsame Benützung der Daten in der Art, daß jeder Auftraggeber auch auf jene Daten im System Zugriff hat, die von den anderen Auftraggebern dem System zur Verfügung gestellt wurden;
14. 'Zustimmung': die gültige, insbesondere ohne Zwang abgegebene Willenserklärung des Betroffenen, daß er in Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall in die Verwendung seiner Daten einwilligt;
15. 'Niederlassung': jede durch feste Einrichtungen an einem bestimmten Ort räumlich und funktional abgegrenzte Organisationseinheit mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, die am Ort ihrer Einrichtung auch tatsächlich Tätigkeiten ausübt.
[...]
2. Abschnitt
Verwendung von Daten
Grundsätze
§6. (1) Daten dürfen nur
1. nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verwendet werden;
2. für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke ermittelt und nicht in einer mit diesen Zwecken unvereinbaren Weise weiterverwendet werden; die Weiterverwendung für wissenschaftliche oder statistische Zwecke ist nach Maßgabe der §§46 und 47 zulässig;
3. soweit sie für den Zweck der Datenanwendung wesentlich sind, verwendet werden und über diesen Zweck nicht hinausgehen;
4. so verwendet werden, daß sie im Hinblick auf den Verwendungszweck im Ergebnis sachlich richtig und, wenn nötig, auf den neuesten Stand gebracht sind;
5. solange in personenbezogener Form aufbewahrt werden, als dies für die Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt wurden, erforderlich ist; eine längere Aufbewahrungsdauer kann sich aus besonderen gesetzlichen, insbesondere archivrechtlichen Vorschriften ergeben.
(2) Der Auftraggeber trägt bei jeder seiner Datenanwendungen die Verantwortung für die Einhaltung der in Abs 1 genannten Grundsätze; dies gilt auch dann, wenn er für die Datenanwendung Dienstleister heranzieht.
(3) - (4) [...]
Zulässigkeit der Verwendung von Daten
§7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.
(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn
1. sie aus einer gemäß Abs 1 zulässigen Datenanwendung stammen und
2. der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis - soweit diese nicht außer Zweifel steht - im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und
3. durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.
(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.
Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung
nicht-sensibler Daten
§8. (1) Gemäß § 1 Abs 1 bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn
1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht oder
2. der Betroffene der Verwendung seiner Daten zugestimmt hat, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt, oder
3. lebenswichtige Interessen des Betroffenen die Verwendung erfordern oder
4. überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten die Verwendung erfordern.
(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung solcher Daten gemäß § 28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.
(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten
1. für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder
2. durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht oder
3. zur Wahrung lebenswichtiger Interessen eines Dritten erforderlich ist oder
4. zur Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung zwischen Auftraggeber und Betroffenem erforderlich ist oder
5. zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde notwendig ist und die Daten rechtmäßig ermittelt wurden oder
6. ausschließlich die Ausübung einer öffentlichen Funktion durch den Betroffenen zum Gegenstand hat oder
7. im Katastrophenfall, soweit dies zur Hilfeleistung für die von der Katastrophe unmittelbar betroffenen Personen, zur Auffindung und Identifizierung von Abgängigen und Verstorbenen und zur Information von Angehörigen notwendig ist; im letztgenannten Fall gilt § 48a Abs 3.
(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn
1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung solcher Daten besteht oder
2. die Verwendung derartiger Daten für Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihnen gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder
3. sich sonst die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten oder sonstigen, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers ergibt und die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet.
[...]
Meldepflicht des Auftraggebers
§17. (1) Jeder Auftraggeber hat, soweit in den Abs 2 und 3 nicht anderes bestimmt ist, vor Aufnahme einer Datenanwendung eine Meldung an die Datenschutzkommission mit dem in § 19 festgelegten Inhalt zum Zweck der Registrierung im Datenverarbeitungsregister zu erstatten. [...]
(2) [...]
(3) Weiters sind Datenanwendungen für Zwecke
1. des Schutzes der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich oder
2. der Sicherung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres oder
3. der Sicherstellung der Interessen der umfassenden Landesverteidigung oder
4. des Schutzes wichtiger außenpolitischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Interessen der Republik Österreich oder der Europäischen Union oder
5. der Vorbeugung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten von der Meldepflicht ausgenommen, soweit dies zur Verwirklichung des Zweckes der Datenanwendung notwendig ist.
[...]
Übergangsbestimmungen
§61. (1) - (3) [...]
(4) (Verfassungsbestimmung) Datenanwendungen, die für die in § 17 Abs 3 genannten Zwecke notwendig sind, dürfen auch bei Fehlen einer im Sinne des § 1 Abs 2 ausreichenden gesetzlichen Grundlage bis vorgenommen werden, in den Fällen des § 17 Abs 3 Z 1 bis 3 jedoch bis zur Erlassung von bundesgesetzlichen Regelungen über die Aufgaben und Befugnisse in diesen Bereichen.
(5) - (7) [...]"
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von € 140,-- (zuzüglich Verfahrenskosten) verhängt. Der Bescheid greift in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf Unversehrtheit des Eigentums ein.
1.1. Dieser Eingriff wäre nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
1.2. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verwaltungsübertretungen wurden mit Hilfe eines videogestützten Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerätes
(Type Verkehrs-Kontroll-System, Version 3.0 Austria [VKS 3.0], Hersteller SUWO EDV-Services) festgestellt.
Das VKS 3.0-System ermöglicht es, der Stellungnahme des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie zufolge, aus einer Videoaufzeichnung Geschwindigkeiten von Fahrzeugen und deren Abstände zu vorausfahrenden Fahrzeugen zu bestimmen. Hiezu wird das Verkehrsgeschehen in einem Fahrbahnabschnitt mit einer Videokamera von einem festen, mindestens drei Meter über der Fahrbahnoberfläche liegenden Kamerastandpunkt aufgenommen. Mit dieser Videoaufzeichnung wird die Abstands- und Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Zur Identifizierung eines betroffenen Fahrzeuges dient eine weitere Videoeinrichtung bestehend aus zwei Kameras. Mit diesen beiden Kameras werden nur sehr kurze Fahrbahnabschnitte beobachtet, um sicherstellen zu können, dass (insbesondere) das Kennzeichen erfasst wird. Das System besteht somit aus drei Kameras: der Messbereichskamera, die die Beobachtung des ankommenden Fahrzeugverkehrs auf einer Entfernung von ca. 500 Metern ermöglicht und jenen Abschnitt der Fahrbahn erfasst, auf dem die Fahrzeuge die markierte Wegstrecke zurücklegen, sowie zwei weiteren Kameras, die auf den jeweiligen Fahrstreifen ausgerichtet sind und eine Großaufnahme von Fahrzeugen (insbesondere deren Kennzeichen), die den Sicherheitsabstand nicht eingehalten haben, erlauben. Die Auswertung des Videos der Messbereichskamera erfolgt in Verbindung mit einem Computersystem durch einen Beamten, der das Gerät bedient. Nachdem der Mess- und Auswertungsvorgang abgeschlossen und eine Verwaltungsübertretung festgestellt worden ist, werden von den Fahrzeugen Fotos aus den Bildern der beiden weiteren Kameras angefertigt. Die Auswertungen werden mit Datum, Kennzeichen und Fotos in einer sog. Protokolldatei gespeichert. Die "Übertretungsvideos" werden entweder auf Videoband oder CD/DVD archiviert und drei Jahre lang aufbewahrt. Die Videoaufnahmen der beiden zur Fahrzeugidentifikation bestimmten Kameras werden nicht archiviert. Die Videoaufzeichnungen jener Verkehrsteilnehmer, die keine Übertretung begangen haben, bleiben daher nur so lange gespeichert, bis im Zuge des Mess- und Auswertungsvorganges festgestellt wurde, ob eine Übertretung vorliegt. Danach werden die Videobilder jener Fahrzeuge, deren Lenker keine Übertretung begangen haben, gelöscht.
1.3. Mit dem videogestützten Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät werden somit Videoaufnahmen all jener Fahrzeuge gemacht, die im Zeitpunkt der Messung den betreffenden Fahrbahnabschnitt passieren, wobei - von den zwei weiteren Kameras - die Fahrzeugkategorie und auch etwaige Aufschriften auf den Fahrzeugen (zB die Namen natürlicher oder juristischer Personen, Markenzeichen usw.) und insbesondere auch das Kennzeichen der Fahrzeuge aufgenommen werden. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fahrzeuginsassen (je nach Qualität der Kameras und der Einstellwinkel) erkennbar sind. Die Abstands- und Geschwindigkeitsmessung mit dem videogestützten Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät basiert sohin auf der Ermittlung und Speicherung personenbezogener Daten. Im Unterschied zum automatischen Geschwindigkeitsmesssystem "Section Control" werden dabei zunächst die Daten aller Verkehrsteilnehmer gespeichert, unabhängig davon, ob eine Verwaltungsübertretung vorliegt oder nicht.
1.4. Für die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage von Eingriffen in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, die sich auf die Verwendung personenbezogener Daten stützen, gelten die Bedingungen des § 1 Abs 2 DSG 2000 sinngemäß. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Ermittlung und Verwendung personenbezogener Daten durch Eingriffe einer staatlichen Behörde wegen des Gesetzesvorbehalts des § 1 Abs 2 DSG 2000 nur auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind und ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw. die Verwendung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben zulässig ist (vgl. VfSlg. 16.369/2001). Der jeweilige Gesetzgeber muss somit nach § 1 Abs 2 DSG 2000 eine materienspezifische Regelung in dem Sinn vorsehen, dass die Fälle zulässiger Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz konkretisiert und begrenzt werden.
1.5. Weder die Straßenverkehrsordnung (StVO) noch das Verwaltungsstrafgesetz (VStG) oder auch das Kraftfahrgesetz (KFG) enthalten jedoch eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung im Sinne des § 1 Abs 2 DSG 2000 zum Einsatz entsprechender videogestützter Geschwindigkeits- und Abstandsmesssysteme. § 100 Abs 5b StVO regelt allein den Einsatz automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme für die Feststellung der Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit. Auch der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat in seiner Stellungnahme festgehalten, dass weder die StVO noch das VStG nähere Bestimmungen hinsichtlich für die Abstandsmessung einzusetzender Messgeräte oder deren Funktionsweise enthielten. In § 134 Abs 3 KFG ist lediglich allgemein davon die Rede, dass Geschwindigkeitsübertretungen "mit Messgeräten" festgestellt werden können. Daneben lässt sich auch aus den Regelungen der StVO betreffend die Zuständigkeit und die Aufgaben der Straßenpolizeibehörden ("Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften", vgl. insb. § 94b Abs 1 lita StVO) in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen über die Verwendung von Daten aus dem 2. Abschnitt des DSG 2000 (s. insb. §§6, 7, 8 DSG 2000) keine Ermächtigung zum Einsatz eines solchen videogestützten Geschwindigkeits- und Abstandsmesssystems ableiten.
Der Verfassungsgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis VfSlg. 18.146/2007 ("Section Control") fest, dass sich aus den Regelungen der StVO betreffend Zuständigkeiten und Aufgaben der Straßenpolizeibehörden, sowie aus den im 2. Abschnitt des DSG 2000 enthaltenen allgemeinen Grundsätzen über die Verwendung von Daten lediglich die "näheren Grenzen der rechtlichen Ermächtigung" zur Ermittlung und Verwendung personenbezogener Daten im Rahmen eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems ergeben können. Diese können daher eine fehlende gesetzliche Ermächtigung im Sinne des § 1 Abs 2 DSG 2000 nicht ersetzen.
1.6. Das Erfordernis einer - über das DSG 2000 hinausgehenden - gesetzlichen Ermächtigung für die Datenanwendung wird durch die Verfassungsbestimmung des § 61 Abs 4 DSG 2000 bestätigt, wonach Datenanwendungen, "die für die in § 17 Abs 3 genannten Zwecke notwendig sind", bis auch ohne eine dem § 1 Abs 2 DSG 2000 entsprechende Rechtsgrundlage erfolgen konnten. Diese Bestimmung wäre überflüssig, würden bereits die Bestimmungen des DSG 2000 für sich genommen (allenfalls in Verbindung mit materiengesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften) eine ausreichende gesetzliche Grundlage im Sinne des § 1 Abs 2 DSG 2000 bilden.
Beim Einsatz des videogestützten Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerätes zum Zweck der Verkehrsüberwachung handelt es sich aber auch um keinen Anwendungsfall der Verfassungsbestimmung des § 61 Abs 4 DSG 2000. Die Übergangsregelung bezieht sich u.a. auf jene
Datenanwendungen, die "für Zwecke ... der Vorbeugung, Verhinderung
oder Verfolgung von Straftaten" von der Meldepflicht ausgenommen sind (§17 Abs 3 Z 5 DSG 2000), "soweit dies zur Verwirklichung des Zweckes der Datenanwendung notwendig ist." Nach den Erläuterungen zu § 17 Abs 3 DSG 2000 sollten nur jene Datenanwendungen ausgenommen werden, bei welchen die Nichtmeldung auf Grund der konkreten Zweckbestimmung der einzelnen Datenanwendung notwendig ist. Daraus erhellt, dass mit "Straftaten" Taten, die durch das Strafrecht im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG mit Strafe bedroht sind, nicht aber Verwaltungsübertretungen gemeint sein können.
1.7. Da die Geschwindigkeits- und Abstandsmessung, die die Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers bildete, sohin ohne gesetzliche Grundlage im Sinne des § 1 Abs 2 DSG 2000 durchgeführt worden ist, entbehrt der angefochtene Bescheid insofern ebenfalls der Rechtsgrundlage.
2. Der angefochtene Bescheid war daher schon wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.