OGH vom 29.06.2020, 8ObA13/20z

OGH vom 29.06.2020, 8ObA13/20z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. S***** S*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 5.171,25 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 64/19i16, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 38 Cga 12/19f12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,26 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am geborene Kläger begann am ein Verwaltungspraktikum im mittleren Dienst beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. In diesem bis befristeten Ausbildungsverhältnis war der Kläger in die Entlohnungsgruppe v4 eingestuft.

Ab war der Kläger aufgrund eines unbefristeten Dienstvertrags als Vertragsbediensteter tätig. Er wurde dabei in die Entlohnungsgruppe v4/3 (Ausbildungsphase) eingestuft.

Im Februar 2018 wurde der Dienstvertrag in einem Nachtrag ab dahin abgeändert, dass der Dienstort des Klägers mit „Leoben“ festgelegt wurde. Die Beschäftigungsart wurde in „gehobener Dienst“ und die Entlohnungsgruppe in v2/4 geändert. Für den Monat März 2018 wurde dem Kläger das dieser Einstufung entsprechende Entgelt samt Funktionszulage bezahlt.

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, es habe sich herausgestellt, dass bei seiner Überstellung von der Entlohnungsgruppe v4 in die Gruppe v2 keine Anpassung der Dauer der Ausbildungsphase nach § 66 Abs 2 VBG vorgenommen wurde. Richtigerweise sei bei der Überstellung von Gruppe v4 in die Gruppe v2 eine Verlängerung der Ausbildungsphase von einem auf vier Jahre vorzunehmen, weshalb diese für den Kläger erst mit ende.

Der Kläger war zwischen und einem Team der Regionaldirektion Steiermark zugeteilt. Am Ende dieses Zeitraums erklärte sein Teamleiter, dass seines Erachtens die Ausbildungsphase beendet sei. Die Ausbildung des Klägers in der Entlohnungsgruppe v4 dauerte vier bis fünf Monate.

Ab begann der Kläger seine Tätigkeit in Leoben mit voller Approbationsbefugnis für Verfahren und Maßnahmen im Sinne des § 3 BFA-G. Seither wird er nicht mehr ausgebildet, sondern ist als Referent im Asylbereich tätig. Sein Arbeitsplatz hat die Wertigkeit der Entlohnungsgruppe v2/4.

Der Kläger begehrt Entgeldifferenzen für den Zeitraum April bis Dezember 2018. Eine Ausbildungsphase könne nach § 66 Abs 1 und 2 VBG nur am Beginn des Dienstverhältnisses liegen. Die Ausbildungsphase des Klägers sei am abgeschlossen gewesen, eine neuerliche Vereinbarung sei nicht erfolgt. Auch alle vergleichbaren Bediensteten der Regionaldirektion Steiermark hätten nach der Überstellung von v4 nach v2 sofort das volle Entgelt nach dieser Entlohnungsgruppe erhalten.

Die Beklagte wandte ein, es gehe nicht um einen Neubeginn der Ausbildungsphase, sondern um eine durch die Überstellung in die höhere Entlohnungsgruppe notwendige Verlängerung. Die Erteilung der Approbationsbefugnis stehe in keinem Zusammenhang mit einer allfälligen Beendigung der Ausbildungsphase.

Das wies das Klagebegehren ab.

Das gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge. Die Einstufungsvorschriften des VBG seien zwingendes Recht. In der Ausbildungsphase am Anfang des Dienstverhältnisses müsse der Vertragsbedienstete nach § 66 Abs 1 und 2 VBG unabhängig von der Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einer Bewertungsgruppe geringere Bezüge hinnehmen. Im Fall der Überstellung aus einer niedrigeren Entlohnungsgruppe mit einer dafür vorgesehenen kürzeren Ausbildungsphase in eine höhere Entlohnungsgruppe mit längerer Ausbildungsphase komme es auf die Letztere an. Auch diese längere Ausbildungsphase sei vom ursprünglichen Beginn des Vertragsbedienstetenverhältnisses an zu berechnen, sodass keine Aneinanderreihung stattfinde.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage der Verlängerung einer laufenden Ausbildungsphase nach § 66 Abs 1 und 2 VBG im Fall der Überstellung in eine höhere Entlohnungsgruppe noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht dargelegten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Das VBG 1948 (VBG) sieht für die Vertragsbediensteten im Verwaltungsdienst ein Entlohnungsschema mit fünf Entlohnungsgruppen (v1 bis v5) und bis zu 21 von den anrechenbaren (Vor-)Dienstzeiten abhängigen Entlohnungsstufen vor (Gehaltsstaffel; § 71, 72 VBG).

Die Entlohnungsgruppen sind darüber hinaus in Bewertungsgruppen unterteilt (zB v2/1 bis v2/6, v4/1 bis v4/3; § 65 VBG), nach denen sich die Höhe einer hinzutretenden Funktionszulage bemisst (§ 73 VBG).

2. Für die „dienstliche Ausbildung“ verpflichtet § 67 Abs 2 Satz 1 VBG die Vertragsbediensteten der Entlohnungsschemata v und h, eine Grundausbildung nach Maßgabe der Bedürfnisse des jeweiligen konkreten Arbeitsplatzes zu absolvieren.

3. Die im vorliegenden Verfahren strittige Bestimmung des § 66 VBG, die unter anderem Entgeltaspekte der Ausbildungsphase regelt, lautet:

§ 66 (1) Unabhängig von der Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einer Bewertungsgruppe sind die Vertragsbediensteten der Entlohnungsgruppen v1 bis v4, h1 und h2 am Beginn des Dienstverhältnisses bis zum Abschluß der Ausbildungsphase in die niedrigste Bewertungsgruppe ihrer Entlohnungsgruppe einzustufen.

(2) Als Ausbildungsphase gelten

1. in den Entlohnungsgruppen v1 und v2 die ersten vier Jahre,

2. in den Entlohnungsgruppen v3 und h1 die ersten beiden Jahre und

3. in den Entlohnungsgruppen v4, h2 und h3 das erste Jahr des Dienstverhältnisses.

(3) (...)

2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 9 ObA 27/12d (RIS-Justiz RS0127883), dem ein ähnlicher Sachverhalt zugrundelag (Verwendung in einer Tätigkeit der Entlohnungsgruppe v4, Überstellung in Entlohnungsgruppe v2) ausgesprochen, dass die Bestimmungen zur Ausbildungsphase am Beginn des Dienstverhältnisses unter besoldungsrechtlichen Aspekten nicht auf den Wechsel in eine höhere Verwendung mit einem weiteren Ausbildungsbedarf zu erstrecken sind. Ein späterer Wechsel des Vertragsbediensteten auf eine Verwendung in einer höheren Entlohnungsgruppe führt selbst bei einem neuen Ausbildungsbedarf besoldungsrechtlich nicht zum Neubeginn einer weiteren Ausbildungsphase.

Mit der im vorliegenden Verfahren entscheidungswesentlichen Frage, ob sich die ursprüngliche Ausbildungsphase verlängern kann, wenn für die spätere höhere Entlohnungsgruppe eine längere Ausbildungsphase vorgesehen ist und die maximale Dauer der Ausbildung seit Beginn des Dienstverhältnisses noch nicht abgelaufen ist, hatte sich der Oberste Gerichtshof in der genannten Entscheidung nicht auseinanderzusetzen, weil die dortige Klägerin bei ihrem Wechsel bereits mehr als vier Jahre für die Beklagte tätig gewesen war (vgl Punkt 8 in 9 ObA 27/12d).

3. Die Vorinstanzen haben die Frage der Anwendbarkeit des § 66 VBG auf einen Sachverhalt, in dem beim Wechsel des Vertragsbediensteten in die höherwertige Verwendung gerechnet ab Beginn des Dienstverhältnisses zwar die Ausbildungsphase der Entlohnungsgruppe v4, aber noch nicht die längere Ausbildungsphase für die Entlohnungsgruppe v2 abgelaufen war, zutreffend bejaht. Auf die Begründung seiner Entscheidung kann vorweg gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO verwiesen werden.

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

3.1. Der Kläger argumentiert, er habe die für seine höherwertige Tätigkeit erforderliche Ausbildung bereits im Juli 2018 abgeschlossen und erbringe seither selbständig und mit Approbationsbefugnis versehen eine vollwertige, der Entlohnungsgruppe entsprechende Arbeitsleistung. Es gebe keine sachliche Rechtfertigung, ihn aufgrund einer nur fiktiven längeren Ausbildungsphase geringer zu entlohnen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Regelung über die Dauer der Ausbildungsphasen in § 66 Abs 2 VBG gerade nicht auf die Dauer der Ausbildungsmaßnahmen abstellt, die der Vertragsbedienstete für seine konkrete Tätigkeit tatsächlich zu absolvieren hat, sondern eine abstrakte Pauschalierung vornimmt.

Der Grund für diese Regelung ist nach den Gesetzesmaterialien (RV 1561 BlgNR 20. GP) darin zu finden, dass von Vertragsbediensteten in der ersten Zeit des Dienstverhältnisses noch nicht die vollwertige Ausübung aller Aufgaben seines Arbeitsplatzes zu erwarten sei und diesem Umstand üblicherweise durch innerorganisatorische Maßnahmen Rechnung getragen werde. Der Gesetzgeber stellt also nicht nur auf das Absolvieren der für die jeweilige Verwendung erforderlichen Ausbildungsmaßnahmen und Prüfungen ab, die – wie im Fall des Klägers – schon vor Ablauf der Phasen nach § 66 Abs 2 VBG abgeschlossen sein können, sondern zusätzlich auf eine durch praktische Tätigkeit über eine bestimmte Dauer gewonnene Erfahrung.

3.2. Dem Argument, dass nach Beendigung einer Ausbildungsphase nach § 66 Abs 2 VBG nach den Grundsätzen der Entscheidung 9 ObA 27/12d des Obersten Gerichtshofs keine weitere beginnen könne, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass es in der beim Kläger vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht zu einer Aneinanderreihung, sondern nur zu einer zeitlichen Überlagerung der vierjährigen (für v2) und der einjährigen (für v4) Ausbildungsphase kommt.

Das vom Kläger angestrebte Ergebnis hätte zur Folge, dass Vertragsbedienstete, die bereits ursprünglich für eine gleiche Tätigkeit in die Entlohnungsgruppe v2 aufgenommen wurden, in jedem Fall eine vierjährige Ausbildungsphase durchlaufen müssten, während Bedienstete wie der Kläger, die im ersten und zweiten Jahr des Dienstverhältnisses nicht einschlägige Tätigkeiten der Entlohnungsgruppe v4 ausgeübt haben, nach der Überstellung trotz ihrer dementsprechend geringeren praktischen Erfahrung wesentlich früher in die höhere Bewertungsgruppe ihrer Entlohnungsgruppe einzustufen wären. Eine sachliche Rechtfertigung für eine solche Besserstellung ist nicht zu erkennen. Eine Verkürzung der Ausbildungsphasen nach § 66 Abs 2 VBG sieht das Gesetz – abgesehen von der Anrechnung von Vordienstzeiten gemäß Abs 3 – nicht vor.

3.3. Auf den Rechtsgrund, dass § 66 Abs 2 VBG zu einer unionsrechtswidrigen mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Alters führe und deshalb nicht anwendbar sei, hat der Kläger sein Begehren in den Vorinstanzen nicht gestützt und daher auch kein Vorbringen dazu erstattet, im Verhältnis zu welchen maßgeblichen Vergleichsgruppen er eine Schlechterstellung erfahren hätte. Die erstmalige Geltendmachung dieses Rechtsgrundes im Revisionsverfahren ist daher unzulässig (RS0043338; 8 ObA 47/17w Pkt 2).

Die Revision lässt bei ihren Ausführungen im Übrigen unberücksichtigt, dass es nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs C17/05, Cadman Rn 34 ff; C88/08, Hütter Rn 47; Rs C482/16, Stollwitzer, Rn 39) ein legitimes Ziel eines Entlohnungssystems darstellt, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.

4. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 2 ASGG41 und 50 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00013.20Z.0629.000

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