OGH 26.02.2015, 8ObA13/15t
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** L*****, vertreten durch Orgler + Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung des aufrechten Bestands eines Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 46/14h-76, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Der Kläger macht eine angebliche Fehlerhaftigkeit der Geschäftsverteilung des Berufungsgerichts (für die Bestimmung des zuständigen Berufungssenats schon im ersten Rechtsgang) geltend.
Damit zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1.2 Der Oberste Gerichtshof hat sich erst vor kurzem in der Entscheidung 3 Ob 188/14i mit auch für den Anlassfall relevanten Geschäftsverteilungsfragen befasst. Dabei gelangte er in Bezug auf die auch hier relevante Thematik („Einlaufsperre“ wegen Überlastung) ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art 83 und Art 87 B-VG zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:
Mit der Geschäftsverteilung soll eine insgesamt möglichst gleichmäßige Auslastung der einzelnen Richter erreicht und Kontinuität in der Führung der einzelnen Rechtssachen sichergestellt werden (RV 1597 BlgNR 18. GP 28 zu § 27a GOG in Spezifizierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 87 Abs 3 B-VG). Der Wortlaut des Art 87 Abs 3 Satz 2 B-VG zeigt, dass der Personalsenat sowohl im Fall der Verhinderung als auch im Fall der Arbeitsüberlastung während des Geschäftsverteilungsjahres eine Änderung der Geschäftsverteilung beschließen kann. Art 87 Abs 3 Satz 2 B-VG ermöglicht sowohl eine - in die Zukunft wirkende - Änderung der Zuteilungsregeln während des Geschäftsverteilungsjahres als auch eine Abnahme einzelner Rechtssachen. Bei der (nachträglichen) Abnahme wegen Verhinderung oder Überlastung dürfen die abzunehmenden Rechtssachen einzeln bestimmt werden.
Wichtiger dienstlicher Grund für eine beschriebene Änderung der Zuteilungsregeln oder Abnahme kann somit (nur) in einem Verhinderungsfall oder einem Überlastungsfall liegen, um den Zweck einer Verfahrenserledigung innerhalb einer angemessenen Frist sicherzustellen. Die in Art 87 Abs 3 Satz 2 B-VG im Verfassungsrang normierte und durch § 27a GOG umgesetzte Regelung sieht jedenfalls für den Tatbestand der Arbeitsüberlastung einen Ermessensspielraum vor, sodass nur bei dessen Überschreitung Nichtigkeit gegeben ist.
Art 87 Abs 3 Satz 2 B-VG ist so zu verstehen, dass es im Fall einer Arbeitsüberlastung - auch ohne Antrag eines betroffenen Richters - allein dem Personalsenat obliegt, ausnahmsweise aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit und der Sicherstellung der Erledigung von Verfahren in angemessener Frist eine entsprechende Regelung zu treffen. In diesem Fall kommt es nicht zu einem Eingreifen der Vertretungsregelung nach der Vertreterkette.
1.3 Im Anlassfall wurden vom Personalsenat des Berufungsgerichts aus Gründen eines Belastungsausgleichs im Vorhinein die nächsten 12 anfallenden Berufungsakten (mit Ausnahme der „Wiederkehrer“) der Gerichtsabteilung 3 zugewiesen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass diese Regelung auf objektive und nachprüfbare Kriterien abstelle, ist nicht korrekturbedürftig. Eine willkürliche und damit verfassungswidrige Regelung kann in der in Rede stehenden „Einlaufsperre“ nicht erblickt werden. Welche unsachlichen Kriterien dem in Rede stehenden Beschluss des Personalsenats zugrunde liegen sollen, ist nicht ersichtlich.
2.1 Die vom Kläger geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt ebenfalls nicht vor.
Richtig ist, dass das Erstgericht zur Begründung seiner Feststellung, wonach der Kläger - trotz der bestehenden Intelligenzminderung - das Unrecht seiner Tat einsehen und nach dieser Einsicht entsprechend handeln konnte (Diskretionsfähigkeit und Dispositionsfähigkeit), auf das Gutachten des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen verweist. Der Sachverständige sei insgesamt nachvollziehbar zum Ergebnis gelangt, dass beim Kläger die bestehende Intelligenzminderung zu einer mittelgradigen Einschränkung der Dispositionsfähigkeit führe, wobei keinesfalls damit die Diskretions- und die Dispositionsfähigkeit aufgehoben seien.
Das Erstgericht stützt sich damit nicht ausschließlich auf eine bestimmte Passage im Sachverständigengutachten, die es unrichtig wiedergeben würde, sondern unterzieht die fachlichen Ausführungen im Sachverständigengutachten einer Gesamtwürdigung. Die bekämpfte Feststellung ist damit das Ergebnis richterlicher Schlussfolgerungen aus dem Sachverständigengutachten und gehört demnach zu der - in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbaren - Beweiswürdigung. Dementsprechend verweist das Erstgericht im gegebenen Zusammenhang in seiner Beweiswürdigung unter anderem auch darauf, dass sich der Kläger hinter seinem Behindertenausweis „verstecke“. Das Berufungsgericht schließt auch daraus auf ein planmäßiges und situativ abgestimmtes Vorgehen des Klägers, das der Annahme entgegenstehe, er könne soziale Situationen nicht richtig erfassen und darauf nicht situationsangepasst reagieren.
2.2 Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der neurologisch-psychiatrische Sachverständige in seinem Gutachten unter Bezugnahme auf § 11 StGB die Diskretionsfähigkeit mit der Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, und die Dispositionsfähigkeit mit der Fähigkeit, nach der Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, beurteilt. Davon ausgehend gelangt er zur gutachterlichen Schlussfolgerung, dass die leichtgradige Intelligenzminderung des Klägers diese Kriterien des § 11 StGB nicht erfülle. Dies entspricht dem Inhalt der vom Kläger bekämpften Feststellung.
2.3 Ausgehend von diesen Überlegungen liegen auch die im gegebenen Zusammenhang vom Kläger geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die zusätzlich behauptete Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils nicht vor.
3. Der Ansicht des Berufungsgerichts, dass bei Beurteilung der Entlassungsgründe hier (bei Entlassung eines begünstigten Behinderten) berücksichtigt werden müsse, ob ein begünstigter Behinderter nur deshalb einen Entlassungsgrund verwirklicht habe, weil er aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, sein Fehlverhalten zu erkennen oder einsichtsgemäß zu handeln (vgl 9 ObA 256/00p), sowie der Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen würden, tritt der Kläger nicht mit inhaltlichen Argumenten entgegen. Seine Überlegung, wonach der Grad der Zurechnungsunfähigkeit eine Rolle spiele, bezieht sich ausschließlich auf die Darlegung der Relevanz der - allerdings nicht gegebenen - Aktenwidrigkeit.
4. Insgesamt zeigt der Kläger mit seinen Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Arbeitsrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00013.15T.0226.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAD-88376