OGH vom 22.11.2011, 8Ob108/11g

OGH vom 22.11.2011, 8Ob108/11g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Guido Leitgeb, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. F*****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 40.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 96/11z 16, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 5 Cg 14/10w 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.971,54 EUR (darin enthalten 328,59 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der im Revisionsverfahren noch entscheidungswesentliche Sachverhalt lässt sich dahin zusammenfassen, dass der Ehegatte der Klägerin als Alleineigentümer einer Liegenschaft einen Schenkungsvertrag zugunsten der Tochter errichten wollte. Da sich auf dieser Liegenschaft auch die Ehewohnung befand, erteilte der beklagte Notar im Rahmen der Informationsaufnahme auch den Rat, die Ehegattin entsprechend abzusichern. Er erörterte in diesem Zusammenhang die Dienstbarkeiten des Fruchtgenussrechts und des Wohnungsgebrauchsrechts sowie deren jeweiliges Wesen. Auch wies er darauf hin, dass die Rechtsinstitute höchstpersönlich sind. Es wurde ein Fruchtgenussrecht für beide Personen bzw ein Fruchtgenussrecht für den Eigentümer und ein Wohnungsgebrauchsrecht für die Klägerin angesprochen. Vorweg entschied sich der Ehegatte für die Erstellung eines Vertragsentwurfs im Sinne eines Fruchtgenussrechts für beide Ehegatten und eines Veräußerungs und Belastungsverbots. Nach Übermittlung eines dahingehenden Entwurfs kam es zu einem Gespräch zwischen der Klägerin und ihrem Gatten, worauf dieser seine Meinung dahin änderte, dass ein Fruchtgenussrecht für die Klägerin nicht erforderlich sei. Dem Ehegatten der Klägerin waren dabei die Rechtsinstitute des Fruchtgenussrechts und des Wohnungsgebrauchsrechts und ihre Bedeutung bekannt. Es sollte nur ein Veräußerungs und Belastungsverbot zugunsten beider Ehegatten verbleiben. Der Ehegatte der Klägerin setzte sich mit dem Beklagten in Verbindung und gab ihm ausdrücklich bekannt, dass nur er alleine als Fruchtnießer aufgenommen werden solle, nicht jedoch die Klägerin. Nur das Belastungs und Veräußerungsverbot solle für beide eingetragen werden. Weisungsgemäß erstellte der Beklagte den modifizierten Vertragsentwurf, der von den Ehegatten und der Tochter unterfertigt wurde. In weiterer Folge erfolgten die entsprechenden Einverleibungen, über die die Ehegatten informiert wurden. Eine Vollmacht hatte der Beklagte nur vom Ehegatten der Klägerin und von der Tochter, nicht aber von der Klägerin. Diese unterschrieb den Vertrag nur deshalb, weil zu ihren Gunsten ein Veräußerungs und Belastungsverbot einverleibt wurde. Nach dem Tod des Ehegatten ging die Tochter davon aus, dass beide Eltern ein Wohnrecht hatten. Sie einigte sich in weiterer Folge im Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft mit der Klägerin dahin, dass diese für ihre „Unterschrift“ und die Aufgabe des Veräußerungs und Belastungsverbots 80.000 EUR erhielt.

Die Klägerin begehrt vom beklagten Notar Schadenersatz wegen Verletzung seiner Belehrungs und Aufklärungspflichten, da sie der Beklagte nicht über die Konsequenzen der Herausnahme des Fruchtgenussrechts aus dem Vertrag belehrt habe. Dadurch habe er die rechtliche Position der Klägerin massiv beeinträchtigt. Ausgehend von einem Wert des Fruchtgenussrechts von 125.000 EUR begehre sie daher unter Abzug der erhaltenen 80.000 EUR Schadenersatz von 40.000 EUR.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete zusammengefasst ein, dass er von der Klägerin nicht bevollmächtigt gewesen sei und seine Belehrungs und Aufklärungspflichten gegenüber den Ehegatten umfassend wahrgenommen habe. Die Vertragserrichtung habe dem ausdrücklichen Wunsch des Ehegatten der Klägerin entsprochen.

Die Vorinstanzen haben die Klage übereinstimmend abgewiesen.

Das Erstgericht ging davon aus, dass die Klägerin trotz des Vertragsbeitritts als Verbotsberechtigte keinen Anspruch auf besondere Aufklärung und Belehrung durch den Beklagten gehabt habe und schon deshalb ein Schadenersatzanspruch ausscheide.

Das Berufungsgericht bejahte grundsätzlich ein „Klientenverhältnis“ zwischen den Streitteilen, zumal der Vertrag die Ehewohnung betroffen habe. Durch die Verfügung sei in die Rechtsposition der Klägerin nach § 758 ABGB - Vorausvermächtnis zur Weiterbenützung der gemeinsamen Wohnung eingegriffen worden. Das Vorausvermächtnis hänge davon ab, dass die Wohnung überhaupt in den Nachlass falle. Im Hinblick darauf sei schlüssig ein vertragliches Beratungsverhältnis begründet worden, aus dem Beratungs und Aufklärungspflichten des Beklagten resultierten. Diesen habe der Beklagte aber entsprochen. Er habe mit beiden Ehegatten das Wesen der verschiedenen Rechtsinstitute erörtert. Er habe auch ausdrücklich auf die „Höchstpersönlichkeit“ der erörterten Rechte hingewiesen. Der Ehegatte der Klägerin habe auch genau Bescheid gewusst und dieses Wissen an die Klägerin zusätzlich zur Aufklärung durch den Beklagten weiter gegeben.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil zur Frage, ob § 758 ABGB bzw § 97 ABGB dem Ehegatten und Nichteigentümer eine so schützenswerte Rechtsposition vermitteln, dass durch die Gespräche mit dem Vertragserrichter konkludent ein vertragliches Beratungsverhältnis samt damit verbundener Aufklärungs und Beratungspflichten entstehe, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diesen Urteil richtet sich die Revision der Klägerin.

Die Beklagte beantragte die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichts bindet den Obersten Gerichtshof nicht (§ 508 Abs 2 ZPO).

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf die kurze Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die im Zulassungsausspruch als wesentlich erachtete Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass hier aufgrund der möglichen Betroffenheit der Klägerin wegen der Einschränkung ihrer Rechte nach § 758 ABGB schlüssig ein vertragliches Beratungsverhältnis zustandegekommen sei - gegen die der Beklagte erhebliche Argumente in seiner Revisionsbeantwortung ins Treffen führt wird von der Revisionswerberin nicht bekämpft.

Die von der Revisionswerberin relevierte Frage, ob die hier vom Berufungsgericht ohnehin zu ihren Gunsten angenommenen Beratungs und Belehrungspflichten ausreichend erfüllt wurden, stellt aber eine Frage der Beurteilungen des Einzelfalls dar, deren Lösung regelmäßig keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS Justiz RS0042405; Kodek in Rechberger ZPO 3 § 502 Rz 26 mwN).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Rechtsprechung über die Sorgfaltspflichten des Urkundenverfassers (vgl RIS Justiz RS0026380; RS0026428). Diese Sorgfaltspflichten dürfen nicht überspannt werden (RIS Justiz RS0026349). Eine Verpflichtung, eine entsprechend belehrte Vertragspartei von ihrem Vertragswillen abzubringen, besteht nicht (RIS Justiz RS0026419). Ausgehend davon weist die Beurteilung des Berufungsgerichts insoweit keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Mängel auf, wurde doch festgestellt, dass der Beklagte die Ehegatten über die verschiedenen Rechtsinstitute und deren Inhalt belehrt hat und sich der Ehegatte nach einem Gespräch mit der Klägerin trotzdem entschloss, das dieser im Entwurf eingeräumte Fruchtgenussrecht wieder zu streichen.

Die Ausführungen der Revision, die sich auf § 97 EheG stützen und davon ausgehen, dass der Beklagte die Klägerin über die Möglichkeit entsprechender Unterlassungsklagen und einstweiliger Verfügungen hätte belehren müssen, entfernen sich von deren Vorbringen in den Vorinstanzen.

Insgesamt vermag die Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 ZPO darzustellen.

Sie war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.