OGH vom 09.11.1999, 10ObS153/99v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl. Ing. Walter Holzer und MR Mag. Gerhard Puschner (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert H*****, Handelsgewerbstreibender, *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer und Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 32/99p-19, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 42 Cgs 175/98x-12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, wonach der am geborene Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension ab gemäß § 133 Abs 2 GSVG nicht erfüllt, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie steht auch mit der vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen dargelegten Rechtsauffassung im Einklang (SSV-NF 9/22, 9/56, 11/25, 12/3, 12/54 uva). Den Ausführungen der klagenden Partei zum geltend gemachten Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 503 Z 4 ZPO) ist folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Auszugehen ist davon, dass der Kläger im Rahmen des § 133 Abs 2 GSVG - anders als etwa im Fall der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 131c GSVG - zwar einen Berufsschutz, jedoch keinen sogenannten Tätigkeitsschutz genießt (SSV-NF 8/114, 10/56, 11/20, 11/25, 12/54; 10 ObS 316/98p; 10 ObS 36/99p). Auf die konkret im Beobachtungszeitraum ausgeübte Tätigkeit oder die bisherige Betriebsstruktur stellt nur § 131c (vorzeitige Alterspension), nicht aber § 133 Abs 2 GSVG ab; hier geht es vorerst vielmehr um die Situation in solchen Betrieben schlechthin. Das Gesetz stellt bezüglich der Prüfung der Möglichkeit der Weiterführung einer selbständigen Tätigkeit eben nicht auf die bisherige Betriebsstruktur ab, sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen (SSV-NF 9/22, 11/25; 10 ObS 316/98p, 10 ObS 36/99p).
Alle diese Erwägungen betreffen allerdings die erst in zweiter Linie zu beantwortende Frage der Verweisbarkeit eines selbständig Erwerbstätigen, nicht jedoch die primäre Frage, ob seine persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war (§ 133 Abs 2 lit b GSVG). Da das Gesetz von der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung und nicht etwa von ihrer tatsächlichen Erbringung spricht, muss rückschauend geprüft werden, ob diese objektiv im Hinblick auf den betreffenden Betrieb auch erforderlich war (SSV-NF 5/114, 8/114, 11/45; 10 ObS 107/98b, 10 ObS 36/99p). Insoweit kommt es also auf den konkreten Betrieb des Klägers und nicht etwa auf einen idealtypischen (durchschnittlichen) Betrieb schlechthin an.
Im vorliegenden Fall ist allerdings nicht mehr strittig, dass die persönliche Mitarbeit des Klägers zur Aufrechterhaltung seines konkreten Betriebes auch im Rahmen einer wirtschftlich vertretbaren Betriebsführung notwendig war. Damit ist zwar eine der - neben dem Anfallsalter - wesentlichen Voraussetzungen erfüllt. Nunmehr stellt sich jedoch die weitere Frage, ob der Kläger außerstande ist, einer (nicht jener) selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die er zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Da er nach dem festgestellten medizinischen Leistungskalkül noch leichte und bis zu einem Drittel der Arbeitszeit mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen (mit Einschränkungen in Hinblick auf wiederholtes und länger anhaltendes Heben schwerer Lasten, häufiges Bücken, vorgebeugte Zwangshaltung, Arbeiten auf Gerüsten, Leitern und exponierten Stellen, Fließbandarbeit) verrichten kann, ist er von wesentlichen und von ihm auch tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung für den Handel gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO 1973, beschränkt auf automatische Tür-, Tor-, Fenster- und Schrankenanlagen, nicht ausgeschlossen. Der Kläger wendet in seiner Revision dagegen ein, er habe tatsächlich die von ihm verkauften Tür- und Toranlagen persönlich als "Handwerker" eingebaut, lässt aber dabei außer Acht, dass es bei Beurteilung dieser Frage nicht auf die Möglichkeit einer Umorganisation des konkreten Betriebs ankommt, sondern auf den durchschnittlichen Betrieb eines solchen Handelsgewerbes.
Dabei ist auch der rechtliche Umfang der jeweiligen Gewerbeberechtigung (§§ 29 ff GewO) von Bedeutung. Sowohl nach § 34 Abs 1 Z 7 GewO 1973 wie nach § 34 Abs 1 Z 6 GewO 1994 (idF vor der GRNov 1997) stand dem Kläger als Händler im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung u. a. das Recht zu, die Montage der gelieferten Waren an Ort und Stelle durchzuführen, sofern diese mit einfachen Handgriffen vorgenommen werden konnte und hiefür keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich waren; diese Einschränkung entfiel erst mit der GRNov 1997. Doch bestimmt nunmehr § 34 Abs 2 GewO 1994 idgF, dass die Ausübung von Tätigkeiten nach Abs 1 Z 6 (Montage der gelieferten Ware an Ort und Stelle) keine Kerntätigkeiten von Handwerken oder gebundenen Gewerben umfassen sowie keine Gefährdung von Leben und Gesundheit darstellen darf, dass bei der Ausübung solcher Tätigkeiten der Charakter des Betriebes als Handelsbetrieb gewahrt bleiben muss und sich der Händler entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen hat. Ohne Verstoß gegen die GewO durfte der Kläger also im hier maßgeblichen Zeitraum des § 133 Abs 2 GSVG bis zur GRNov 1997 nur Montagetätigkeiten durchführen, die aus einfachen Handgriffen bestanden und keine besonderen Fachkenntnisse erforderten. Damit ist sein Einwand, er habe in Wahrheit kein Handelsgewerbe, sondern ein Handwerk betrieben, schon aus rechtlichen Gründen widerlegt. Ob der Kläger nicht auch auf andere Handelsvertretertätigkeiten verwiesen werden könnte, braucht nicht mehr untersucht zu werden.
Wie die Vorinstanzen festgestellt haben, hat der Kläger seinen Betrieb übrigens auch nach dem Stichtag wirtschaftlich durchaus erfolgreich führen können. Auf die weiteren rechtlichen Überlegungen des Revisionswerbers braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden. Abschließend sei angemerkt, dass die Erwerbsunfähigkeit des Klägers nach § 131c GSVG und die Voraussetzungen für die Erlangung einer vorzeitigen Alterspension aus diesem Grund nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenersatz nach Billigkeit liegen nicht vor.