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OGH vom 29.09.2009, 8Ob108/09d

OGH vom 29.09.2009, 8Ob108/09d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Robert T*****, und 2.) Ruth T*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, wegen 30.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 14 R 72/09z-20, mit dem der Rekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 2 Cg 115/08z-16, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 1.680,84 EUR (darin enthalten 280,14 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Bank begehrt von den beiden Beklagten den Teil einer fällig gestellten Darlehensrückforderung. Sie stützt sich hinsichtlich der Zuständigkeit des Erstgerichts betreffend die nunmehr außerhalb dessen Sprengel wohnhafte Zweitbeklagte auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft mit dem Erstbeklagten, der in diesem Sprengel seinen Wohnsitz hat.

In ihrem Einspruch hat die Zweitbeklagte die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben und diese vor allem darauf gegründet, dass dieser Gerichtsstand im Hinblick auf ihre Verbrauchereigenschaft auch nicht hätte vereinbart werden können. Weiters erhob sie in der Einrede auch inhaltlich Einwendungen und beantragte die Abweisung der Klage. Die Klägerin replizierte darauf, dass die Zweitbeklagte zu ungeteilten Handen hafte. Auch sei die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem Recht der Klägerin zur sofortigen Kündigung und Fälligstellung der Kreditforderung vereinbart worden. Daher sei die Forderung im Hinblick auf den Rückzahlungsverzug und den Vermögensverfall berechtigt.

Hinsichtlich der geltend gemachten Einrede der Unzuständigkeit verwies die Klägerin auf die materielle Streitgenossenschaft, beantragte aber in eventu auch die Überweisung an das Gericht des Wohnsitzes der Zweitbeklagten.

Das Erstgericht beraumte die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung an und nahm dabei in die Ladung folgenden Beisatz auf:

„Vorab wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsausführungen der Zweitbeklagten in ihrer Unzuständigkeitseinrede nicht geteilt werden. Da sich der Erstbeklagte nicht in den Streit eingelassen hat, wird aber eine Antragstellung gemäß § 31a Abs 1 JN angeregt."

In weiterer Folge ließ sich auch der Erstbeklagte, bei dem es Zustellprobleme bei der Klage gegeben hatte, insoweit in den Streit ein und stellte einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe „im Hinblick auf das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO".

Die Zweitbeklagte brachte in der Folge einen weiteren vorbereitenden Schriftsatz ein, in dem sie ausdrücklich ihre Einrede wegen örtlicher Unzuständigkeit aufrecht erhielt, aber auch umfangreiche Ausführungen zur mangelnden inhaltlichen Berechtigung der geltend gemachten Forderung machte. Darauf replizierte die Klägerin sowohl zur Einrede der Unzuständigkeit als auch in der Sache selbst.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erfolgte keine beschlussmäßige Einschränkung auf eine abgesonderte Verhandlung zur Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Die Klägerin trug vor wie in der Klage, aber auch in der Replik. Die Beklagte bestritt und trug ihre Schriftsätze (Einspruch und einen weiteren vorbereitenden Schriftsatz) vor. In weiterer Folge erörterte das Erstgericht die Frage der örtlichen Unzuständigkeit und verwarf sodann mit Beschluss die Unzuständigkeitseinrede der zweitbeklagten Partei, welche eine Beschlussausfertigung beantragte und sofort Rekurs anmeldete.

In seiner schriftlichen Ausfertigung begründete das Erstgericht die Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede im Wesentlichen damit, dass durch § 93 Abs 1 JN die Einhaltung der zwingenden Grenzen der sachlichen Zuständigkeit bezweckt werde und der Vorteil durch die subjektive Klagenhäufung eine allfällige Erschwerung durch räumliche Entfernung überwiege.

Das Rekursgericht wies den gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Zweitbeklagten mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück. Nach ständiger Rechtsprechung könne der Beschluss, mit dem die Unzuständigkeitseinrede verworfen werde, nur dann abgesondert angefochten werden, wenn über die Einrede auch abgesondert verhandelt, das Verfahren in der Hauptsache jedoch nicht fortgesetzt worden sei. Im Fall einer gemeinsamen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede in Verbindung mit der Hauptsache könne auch eine danach erfolgte gesetzwidrige Ausfertigung und Zustellung des Beschlusses dessen vorzeitige Anfechtbarkeit nicht bewirken. Letzteres liege aber hier vor, hätten die Parteien doch in der (einzigen) Tagsatzung die Schriftsätze vorgetragen und sei erst dann die Unzuständigkeitseinrede behandelt worden, ohne das Streitverfahren formell einzuschränken. Unter diesen Umständen sei davon auszugehen, dass keine abgesonderte Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede vorliege.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, da zur Frage, ob zur abgesonderten Anfechtbarkeit der Abweisung einer Unzuständigkeitseinrede eine formelle Beschränkung auf die Behandlung dieser Einrede erforderlich sei, oder es ausreiche, wenn abgesehen vom Vortrag der Schriftsätze im Ergebnis nur über diese verhandelt werde, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Zweitbeklagten mit dem Antrag, dies im Sinne einer Behandlung der Unzuständigkeitseinrede abzuändern; hilfsweise wird auch eine Aufhebung zur neuerlichen Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung, in eventu eine Zurückverweisung an das Erstgericht beantragt.

Die klagende Partei beantragt, den Revisionsrekurs zurück- bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht formulierten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

§ 261 Abs 1 ZPO ordnet an, dass dann, wenn über eine Einrede ua der Unzuständigkeit in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt wurde, eine die Einrede abweisende Entscheidung nicht besonders auszufertigen, sondern in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen ist.

§ 261 Abs 2 ZPO sieht für die „auf Grund abgesonderter Verhandlung" verworfenen Einreden vor, dass der Senat nach Verkündung des Beschlusses auf Antrag oder von Amts wegen anordnen kann, dass die Verhandlung zur Hauptsache sogleich aufgenommen werde. In diesem Fall ist die verkündete Entscheidung auch nicht besonders auszufertigen, sondern gleichfalls in die Entscheidung über die Hauptsache aufzunehmen, und kann auch nur mittels des gegen diese Entscheidung offen stehenden Rechtsmittels angefochten werden (§ 261 Abs 3 ZPO).

Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Entscheidung, die an sich nicht abgesondert angefochten werden kann, grundsätzlich nicht dadurch selbständig anfechtbar, dass sie gesetzwidrig ausgefertigt und den Parteien zugestellt wurde (RIS-Justiz RS0037005 mzwN, zuletzt 2 Ob 35/04t). Dies bedeutet, dass tatsächlich nur dann, wenn über eine Unzuständigkeitseinrede abgesondert verhandelt wurde, ohne dass das Verfahren in der Hauptsache fortgeführt wird, der Verwerfungsbeschluss selbständig anfechtbar ist (RIS-Justiz RS0040207; ebenso Kodek in Fasching/Konecny ZPO2 § 261 Rz 69; Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2 § 261 Rz 4 mwN; Fischer, Entscheidungsbesprechung zu 6 Ob 82/98x, JBl 1999, 256 uva).

Der wesentliche Vorteil einer abgesonderten Verhandlung samt abgesonderter Ausfertigung und damit selbständiger (sofortiger) Bekämpfbarkeit wird vor allem darin gesehen, dass bei offenbar begründeten Prozesseinreden ein kostenverursachendes Verhandeln in der Hauptsache vermieden und auch bei strittigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Zuständigkeit durch eine Vorwegentscheidung der Zuständigkeitsfrage und deren Überprüfbarkeit im Instanzenzug ein unnötiger Prozessaufwand hintangehalten werden kann (vgl Kodek aaO Rz 30; zur allfälligen Gefahr einer Verschleppung durch den Beklagten siehe hingegen Klein, Vorlesungen [1900] 89 ff). Dem Gesetz liegt damit wohl auch der Gedanke zugrunde, dass nicht gleichzeitig eine aufwendige Erörterung auch der Hauptsache und eine Verzögerung durch den Instanzenzug in der Zuständigkeitsfrage gegeben sein soll.

Nicht ganz so eindeutig ist die Frage, wie diese „abgesonderte" Verhandlung über die Einrede abzuführen ist. Die dahingehende Entscheidung muss spätestens unmittelbar am Beginn der Tagsatzung erfolgen (Kodek aaO Rz 24). Zur Frage, in welcher Form dies zu erfolgen hat, geht Kodek aaO Rz 24 ff zwar grundsätzlich davon aus, dass diese Absonderung der Verhandlung jedenfalls ausdrücklich mit Beschluss angeordnet werden kann, was auch zur Klarstellung zweckmäßig ist, hält aber auch eine „rein faktische" Einschränkung auf die Erörterung der Prozesseinrede samt den üblichen Protokollierungsfloskeln - wie „die Parteien tragen wie schriftlich vor" oder ähnliches - samt dem bloßen Vortrag von Schriftsätzen für möglich und grundsätzlich zulässig (Kodek aaO Rz 26 f). Hingegen tritt Fischer (aaO) jedenfalls für eine beschlussmäßige (und damit „formell abgesonderte") Trennung im Sinne des § 189 ZPO ein.

Wenngleich die Überlegungen von Kodek Gründe der Praktikabilität für sich haben, geht der erkennende Senat doch davon aus, dass der Terminus der „abgesonderten Verhandlung" im § 261 Abs 2 ZPO im Zusammenhalt mit § 189 Abs 2 ZPO zu beurteilen ist. Diese Bestimmung sieht ausdrücklich die Möglichkeit der Beschränkung der Verhandlung nicht bloß auf einzelne „Streitpunkte", sondern auch auf „selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel" vor, worunter auch gemäß § 189 Abs 2 ZPO ausdrücklich die Einrede der Unzuständigkeit fällt. Dies hat mit einem - wenngleich unanfechtbaren (§ 192 Abs 2 ZPO) - Beschluss zu erfolgen. Grundsätzlich ist es auch wesentlich für die Parteien, darüber Klarheit zu haben, ob der Beschluss über die Verwerfung der Einrede selbständig anfechtbar ist oder nicht. Darüber muss - wie dies der Oberste Gerichtshof etwa in der Entscheidung 2 Ob 35/04t formuliert hat - jedenfalls „mit hinreichender Deutlichkeit" Beschluss gefasst worden sein, mag auch das Wort „abgesondert" fehlen, woran es jedoch vorliegendenfalls nach dem gemäß § 292 Abs 1 ZPO vollen Beweis liefernden Protokoll der maßgeblichen Streitverhandlung (ON 13) jedenfalls mangelt. Schon um den Parteien klare Vorgaben für ihre Rechtsmittelmöglichkeiten zu geben, ist es also erforderlich, dass eine etwaige Absonderung in ausreichend klarer Beschlussform im Sinne des § 189 ZPO erfolgt.

Daraus folgt, dass das Rekursgericht den Rekurs der Zweitbeklagten zu Recht zurückgewiesen hat (7 Ob 680/80), da eine Beschränkung der Verhandlung auf die Unzuständigkeitseinrede im Sinne der §§ 189 Abs 2 iVm 261 Abs 2 ZPO nicht erfolgt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.