OGH vom 11.10.2016, 10Ob64/16h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Tarmann Prentner sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin Verlassenschaft nach H*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Jörg Winkler, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Erlagsgegner M*****, wegen Ausfolgung von 1.350 EUR, über den Revisionsrekurs der Erlegerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 122/16y 38, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 8 Nc 3/10z 29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Zurückweisung eines zugelassenen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Das Erstgericht ordnete die Ausfolgung des hinterlegten Geldbetrags an den alleinigen Erlagsgegner nach Rechtskraft des Beschlusses an und wies den Ausfolgungsantrag der Erlegerin ab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung „zur Berücksichtigung des Verjährungseinwandes im Rahmen des Ausfolgungsverfahrens“ fehle.
Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, aufgrund der zwischen dem Erlag im Jahr 2010 und dem Ausfolgungsantrag des Erlagsgegners im Jahr 2015 eingetretenen Verjährung der Mietzinsforderungen, zu deren Tilgung der Geldbetrag erlegt worden sei, sei der Erlag der Erlegerin auszufolgen. Obzwar der Erlagsgegner den hinterlegten Betrag nach dem VerwEinzG ohne zeitliche Limitierung in Anspruch nehmen könne, liege „entsprechend einer Analogie zu § 1486 Z 4 ABGB eine Verjährung des Mietzinsanspruchs des Erlagsgegners vor“.
Rechtliche Beurteilung
Eine erhebliche Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) wird damit nicht ausgeführt.
Dem Hinterleger darf die hinterlegte Sache wegen der bereits eingetretenen Schuldbefreiung grundsätzlich nicht ausgefolgt werden, außer bei Erlag unter Widerrufsvorbehalt, Nichtannahme des Erlags und Fehlen einer gegenteiligen rechtskräftigen Entscheidung (7 Ob 2087/96d; Koziol in KBB 4 § 1425 Rz 14; Reischauer in Rummel , ABGB³ § 1425 Rz 38). Die Erlegerin hat sich den Widerruf des Erlags nicht vorbehalten. Der Erlag wurde angenommen.
Die gerichtliche Hinterlegung einer Schuld ist ein Erfüllungssurrogat. Erfüllte Forderungen können nicht mehr verjähren. Ob dem Erlagsgericht im Ausfolgungsverfahren eine inhaltliche Prüfung eines etwaigen Rücknahmerechts des Erlegers zusteht (ablehnend Reischauer in Rummel , ABGB³ § 1425 Rz 38 unter Hinweis auf die Unüberprüfbarkeit der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit eines Erlags), muss schon mangels einer schlüssigen Behauptung eines Rücknahmerechts der Rechtsmittelwerberin nicht erörtert werden.
Insoweit die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin dahin verstanden werden sollen, der Ausfolgungsanspruch des Erlagsgegners solle entsprechend den Verjährungsbestimmungen, die auf die dem Erlag zugrundeliegenden Forderungen anzuwenden sind, verjähren, so steht einer – von der Rechtsmittelwerberin gar nicht begründeten – Analogie entgegen, dass selbst der Anspruch auf Ausfolgung eines eingezogenen Verwahrnisses in 30 Jahren ab Rechtskraft des Einziehungsbeschlusses verjährt (§ 13 Abs 1 Satz 3 VerwEinzG).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00064.16H.1011.000