VfGH vom 25.09.2010, b193/10

VfGH vom 25.09.2010, b193/10

Sammlungsnummer

19165

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch den behördlichen Auftrag zur Zurückschneidung von Gewächsen wegen zu einer Ertragsminderung auf einem landwirtschaftlichen Grundstück führender Schattenbildung; denkunmögliche Gesetzesauslegung mangels Bedachtnahme auf die Ziele des Stmk Betriebsflächenschutzgesetzes

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Steiermark ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 7. Mai

2009 wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§3, 4 und 5 des Steiermärkischen Gesetzes vom über den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen (im Folgenden: Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz), LGBl. 61/1982 idF LGBl. 58/2000 [gemeint wohl: 78/2005], der Auftrag erteilt, die auf ihrem Grundstück Nr. 833, KG 68149 Sulz, befindlichen Gewächse innerhalb eines vier Meter breiten Streifens entlang des - iSd § 2 Abs 2 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz als landwirtschaftliche Grundfläche zu bezeichnenden - Nachbargrundstücks Nr. 828, KG 68149 Sulz, auf eine Maximalhöhe von zwei Metern zurückzuschneiden oder zu entfernen, da es durch die Schattenbildung auf dem landwirtschaftlichen Grundstück zu einer Ertragsminderung komme.

Bei diesen Gewächsen handelt es sich um eine - etwa 45 Meter lange, überwiegend 15 Meter hohe und auf eine Höhe von drei Metern "aufgeastete" (von Ästen befreite) - Fichtenreihe im Alter von etwa 30 Jahren, die im Abstand von einem Meter entlang der gesamten Länge des Grundstücks verläuft, sowie um eine bis zu 4,5 Meter von der Grundstücksgrenze entfernt stehende Baumgruppe im Alter von 50 bis 80 Jahren am nördlichen Ende dieser Reihe.

2. Der dagegen erhobenen Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark wurde am insoweit Folge gegeben, als der Beschwerdeführerin nunmehr der Auftrag erteilt wurde, die Gewächse auf ihrem Grundstück Nr. 833 in einem zwei Meter breiten Streifen entlang des Nachbargrundstücks Nr. 828 auf eine Höhe von höchstens zwei Metern zu "stutzen" (kürzen). Dabei stützte sich die belangte Behörde insbesondere auf zwei im Ermittlungsverfahren eingeholte Amtssachverständigengutachten.

2.1. Der landwirtschaftliche Amtssachverständige vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung kommt in seinem Gutachten vom zu dem Schluss, dass die - im Osten des landwirtschaftlichen Grundstücks gelegene - Reihe aus Fichtenbäumen jedenfalls eine leichte Beeinträchtigung des als Maisacker (zur Futterproduktion für die Tierhaltung) genutzten Nachbargrundstücks bewirke, da sich der Ertrag wegen des mangelnden Lichteinfalls leicht verringere, das Grundstück im Frühjahr erst ein paar (wenige) Tage später bestellt werden könne und Kulturpflegemaßnahmen möglicherweise erst einige Stunden später am selben Tag vorgenommen werden könnten. Von einer Gefährdung der Nutzung könne jedoch nicht gesprochen werden, wie sich aus einem Vergleich der Stärke und Wuchshöhe der Maispflanzen in dem von der Überschattung betroffenen Bereich einerseits und jener im nicht überschatteten Bereich andererseits gezeigt habe. Auf Grund des dargelegten Sachverhalts seien die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz aus technisch-wirtschaftlicher Sicht gegeben.

2.2. Im Gutachten des Amtssachverständigen für das Forstwesen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom wird festgestellt, dass die Gewächse keinen Wald iSd § 1a Forstgesetz 1975 begründen und dass sie mangels offenbarer Windgefährdung sowie darüber hinaus mangels Eignung des Bewuchsstreifens, dem Schutz vor Windschäden oder der Schneebindung zu dienen, keine Windschutzanlage iSd § 2 Forstgesetz darstellen.

2.3. In der mündlichen Verhandlung am stellte der Amtssachverständige für das Forstwesen auf Befragung durch die Beschwerdeführerin hin ergänzend fest, dass eine offenbare Gefährdung durch niederschlagsbedingte Abschwemmungen für den Fall der Entfernung bzw. des Rückschnitts der Baumreihe nicht ersichtlich sei. Die Überlebenswahrscheinlichkeit einzelner Fichten liege bei einem Rückschnitt auf eine Höhe von zwei Metern bei etwa 50%, "allerdings versehen mit einer entsprechend hohen Unsicherheit von rund 30%".

2.4. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass zwar keine Gefährdung iSd § 3 Abs 2 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz der Nutzung der landwirtschaftlichen Betriebsfläche gegeben sei, die Voraussetzungen nach § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz jedoch vorlägen. Der bei der Bezirkshauptmannschaft Weiz gestellte Antrag auf Feststellung, dass es sich bei der Baumreihe um eine Windschutzanlage iSd § 2 Abs 3 Forstgesetz handle, sei für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung nicht relevant. Angesichts der umfangreichen Ermittlungsergebnisse sei die Entscheidung über den Antrag nicht abzuwarten.

3. In der dagegen erhobenen, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde behauptet die Beschwerdeführerin die Verletzung in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz).

3.1. Da die Beschwerdeführerin im Fall des Rückschnitts mit einem Absterben von bis zu 80% der - seit Jahrzehnten vorhandenen - Fichten zu rechnen habe, greife der Bescheid in besonders schwerwiegender Weise in das Eigentum der Beschwerdeführerin ein. Es sei allgemein bekannt, dass bei einem Rückschnitt von Bäumen dieses Alters auf eine Höhe, in der sie keine Äste aufweisen, ein zum Überleben erforderliches Austreiben ausgeschlossen werden könne und daher mit einem Absterben aller Bäume zu rechnen sei.

Obwohl ein solcher massiver Eingriff nur dann zulässig bzw. sachlich gerechtfertigt sein könne, wenn die Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzfläche ein entsprechendes (u.a. den Betrag des Ernteausfalls betreffendes) Ausmaß erreiche, seien die diesbezüglichen Fragen der Beschwerdeführerin vom Verhandlungsleiter mit der Begründung nicht zugelassen worden, dass das Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz keine Kostenabwägung vorsehe.

3.2. Treffe die Annahme der belangten Behörde, wonach das Vorhandensein von schattenwerfendem Bewuchs in Nachbarschaft zu einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche allein - unabhängig vom Ausmaß der Beeinträchtigung der Nutzung - das Ergreifen von Maßnahmen iSd § 3 Abs 1 [gemeint wohl: iVm § 5] Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz indiziere, zu, so sei die Bestimmung des § 3 Abs 1 leg.cit. verfassungswidrig, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum von Anrainern landwirtschaftlicher Grundstücke vorsehe.

Während § 3 Abs 2 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz zur Rechtfertigung des Eingriffs auf eine Gefährdung der Nutzung einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche durch Beschattung abstelle, ordne § 3 Abs 1 leg.cit. generell an, dass Gewächse nur in einem bestimmten Abstand von einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche gepflanzt und ab einer Wuchshöhe von zwei Metern nur in einem Abstand von zwei Metern von der Grundgrenze der landwirtschaftlichen Betriebsfläche belassen werden dürfen, ohne dass weitere Voraussetzungen für die Zulässigkeit erfüllt sein müssten.

Dieser Eigentumseingriff solle nach § 1

Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz dadurch gerechtfertigt sein, dass er der Wahrung des öffentlichen Interesses an einer qualitativ hochwertigen und quantitativ günstigen landwirtschaftlichen Produktion diene. Eine Überprüfung, ob eine Gefährdung dieser Interessen vorliege bzw. welches Ausmaß eine Beeinträchtigung erreichen müsse, oder eine Interessenabwägung sei durch das Gesetz jedoch nicht vorgesehen. Das bloße Vorhandensein eines Bewuchses von bestimmter Höhe in einem bestimmten Abstand zu einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche berühre aber für sich genommen noch nicht das genannte öffentliche Interesse.

3.3. Im Fall der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz habe die belangte Behörde jedoch dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie davon ausgehe, dass eine Abwägung zwischen dem in § 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz normierten öffentlichen Interesse und dem Interesse der vom Eigentumseingriff Betroffenen nicht möglich sei, und eine solche Abwägung nicht vorgenommen habe.

Außerdem habe die belangte Behörde jegliche Ermittlungsmaßnahmen zur Beurteilung unterlassen, ob der im Bescheid angeordnete Eigentumseingriff weiter gehe, als dies zur Erreichung des öffentlichen Interesses notwendig sei.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen, in eventu die angewandten Bestimmungen des Stmk. Betriebsflächenschutzgesetzes nicht als verfassungswidrig aufzuheben, und insbesondere Folgendes ausführt:

"Gemäß der Bestimmungen des § 1 des Steiermärkischen Landesgesetzes über den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen dient dieses dem Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen im öffentlichen Interesse einer qualitativ hochwertigen und quantitativ günstigen landwirtschaftlichen Produktion. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche von der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung berücksichtigt wurde, bedeutet dieser Gesetzeszweck nicht, dass nur jene landwirtschaftliche Produktion zu schützen sei, die qualitativ hochwertige und quantitativ günstige Ergebnisse bringe; vielmehr ist der Zweck des Gesetzes, solche Maßnahmen zu treffen, die zu einer solchen qualitativ hochwertigen und quantitativ günstigen Produktion hinführen.

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, dass dem oben erwähnten Landesgesetz kein Hinweis zu entnehmen ist, dass eine Kostenkalkulation (Kostenabwägung) vorzunehmen wäre. Das Grundstück Nr. 828, KG 68149 Sulz, wird mit Mais bestellt. Hiebei handelt es sich um eine typische landwirtschaftliche Produktion, die schützenswert ist. Auch wenn auf Grund der Überschattung des Maisackers durch die Hecke der Beschwerdeführerin nicht von der Gefährdung einer Nutzung der Liegenschaft auf dem Grundstück Nr. 828, KG Sulz, aus technisch wirtschaftlicher Sicht gesprochen werden kann, so entstehen Nachteile aus der Beschattung durch Bewirtschaftungseinschränkungen, indem die Bearbeitungszeitpunkte von Ackerflächen eingeschränkt sind, durch Lichtentzug ein Ertragsausfall gegeben ist und indem durch verstärkte Düngung diesem Ertragsausfall begegnet werden muss. Zum Betriebsergebnis würde sich neben einem etwaigen Ertragsausfall der Aufwand erhöhen und damit das Betriebsergebnis schmälern. Auch die ungepflügt gebliebene Ackerfläche, die anders als Landwirtschaft genutzt werden könnte, beispielsweise als Grünland, würde in ihrer Nutzung durch die Beschattung beeinträchtigt werden.

...

Seitens der belangten Behörde wurde in dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Beschwerdeführerin das gelindeste Mittel vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerin hat sich über einen längeren Zeitraum nicht an die gesetzlichen Bestimmungen des Steiermärkischen Gesetzes über den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen gehalten. So hätte die Beschwerdeführerin die vor mehr als 30 Jahren unmittelbar an der Grundstücksgrenze gepflanzten Bäume schon zu einem früheren Zeitpunkt zurückschneiden (etwaig entfernen) können. Die Beschwerdeführerin trägt somit eine gewisse Mitverantwortung an den gestiegenen Kosten für die Herstellung eines gesetzesgemäßen Zustandes. Selbst wenn das genannte Gesetz zu gewissen Härtefällen führen könnte, so trifft dies im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht zu. Diesbezüglich ist auch nochmals darauf zu verweisen, dass eine wesentliche Begründung für die Erhaltungsnotwendigkeit der Hecke der Antragstellerin laut den eingeholten Sachverständigengutachten nicht erkennbar ist."

II. Zur Rechtslage:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Gesetzes vom über den Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen, LGBl. 61/1982 idF LGBl. 78/2005, lauten wie folgt:

"§1

Dieses Gesetz dient dem Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen im öffentlichen Interesse einer qualitativ hochwertigen und quantitativ günstigen landwirtschaftlichen Produktion.

§ 2

(1) Unter einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche im Sinne dieses Gesetzes wird jede zusammenhängende Fläche eines oder mehrerer landwirtschaftlicher Grundstücke (Abs2) desselben Eigentümers verstanden.

(2) Landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind Grundflächen (Grundstücke oder Grundstücksteile), die im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes der Erzeugung von Pflanzen, ihrer Bringung oder ihrer Verwertung dienen, einschließlich der Wohn und Wirtschaftsgebäude samt Hofräumen und Gärten.

(3) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Grundflächen (Grundstücke oder Grundstücksteile), die Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, i.d.g.F., sind, und auf Almen im Sinne des Steiermärkischen Almschutzgesetzes 1984, LGBl. Nr. 68.

§ 3

(1) Gewächse (insbesondere Bäume, Sträucher und Hecken) dürfen nur in einem Mindestabstand von 0,50 m gepflanzt oder, wenn sie über 2 m hoch sind, nur in einem Mindestabstand von 2 m von der Grenze einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche eines anderen Eigentümers oder Nutzungsberechtigten belassen werden.

(2) Wenn die Nutzung einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche durch Schatten von Gewächsen, die über 2 m hoch sind, gefährdet ist, sind entlang des angrenzenden Grundstückes eines anderen Eigentümers oder Nutzungsberechtigten innerhalb eines 4 m breiten Streifens diese Gewächse entweder zu entfernen oder unter Beachtung des Abs 1 auf die entsprechende Höhe zu stutzen.

(3) - (4) ...

§ 4

Die Vorschriften des § 3 gelten nicht für

1. Gewächse, die


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a)
(entfallen)
b)
längs einer Straße oder auf einem Platz stehen und zum Schutz vor Emissionen von Verkehrsanlagen gepflanzt werden;
c)
dem Schutz von Abhängen, Böschungen oder Verkehrswegen dienen;
d)
einen notwendigen Uferbewuchs an natürlichen oder regulierten Gerinnen darstellen;


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2.
Acker und Spezialkulturen einschließlich einjähriger Kulturen sowie Wein und Hopfen;


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3.
Einzelbäume und Feldgehölze (als solche gelten Ansammlungen von verschiedenen Arten von Bäumen und Sträuchern mit einer Breite von höchstens 10 m).


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§5
Dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten, der den Bestimmungen des § 3 Abs 1 bis 3 zuwiderhandelt, ist mit Bescheid unter Festsetzung einer angemessenen Frist aufzutragen, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen."


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2. Eine dem § 3 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz vergleichbare Regelung war bereits vor In-Kraft-Treten des Stmk. Betriebsflächenschutzgesetzes im Gesetz vom betreffend den Schutz landwirtschaftlicher Grundstücke gegen Beschädigung durch fremde Bäume, LGBl. 150/1921, enthalten:

"§2.

Der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstückes kann verlangen, daß auf einem Nachbargrundstücke nicht Bäume, Sträucher oder Hecken in einer geringeren Entfernung als [0,5] Meter oder, falls sie über 2 Meter hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 Meter von der Grenze seines Grundstücks belassen werden. Diese Regel gilt jedoch nicht für Bäume, Sträucher oder Hecken, die schon bei Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes oder zu der Zeit vorhanden waren, wo das bisher landwirtschaftlich nicht benutzte Nachbargrundstück in landwirtschaftliche Benutzung gekommen ist. Sie gilt auch nicht für Gewächse, die sich in einem Hofraum oder Hausgarten befinden.

§ 3.

Wo dies nötig ist, um ein landwirtschaftliches Grundstück gegen die Beeinträchtigung seiner Bestimmung durch den Schatten zu schützen, ist mit Bäumen von mehr als 2 Meter Höhe ein Abstand von 4 Meter einzuhalten, es sei denn, daß diese Bäume schon bei Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes vorhanden waren, oder daß das Nachbargrundstück seine landwirtschaftliche Bestimmung erst erhalten hat, nachdem die Bäume bereits die Höhe von 2 Meter überschritten haben, oder daß es sich um Stein- oder Kernobstbäume handelt.

...

§ 5.

Die Vorschriften der Paragraphen 2 und 3 gelten nicht:

1. für Gewächse, die sich hinter einer Mauer, einer Planke oder einer sonstigen dichten Einfriedung befinden und sie nicht erheblich überragen,

2. für Bäume, die längs einer Straße oder auf einem öffentlichen Platze stehen,

3. für Pflanzungen, die zum Schutze von Abhängen oder Böschungen oder zum Schutze einer Eisenbahn dienen.

..."

3. Die für die Beurteilung durch die belangte Behörde maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom , mit dem das Forstwesen geregelt wird, BGBl. 440/1975 idF BGBl. I 55/2007, lauten:

"Kampfzone des Waldes, Windschutzanlagen

§2. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind auch auf den forstlichen Bewuchs in der Kampfzone des Waldes und auf Windschutzanlagen anzuwenden, ungeachtet der Benützungsart der Grundflächen und des flächenmäßigen Aufbaues des Bewuchses.

(2) ...

(3) Unter Windschutzanlagen sind Streifen oder Reihen von Bäumen oder Sträuchern zu verstehen, die vorwiegend dem Schutz vor Windschäden, insbesondere für landwirtschaftliche Grundstücke, sowie der Schneebindung dienen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2. Die Beschwerdeführerin bringt Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz vor.

§ 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz sieht vor, dass Gewächse - wie etwa die auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin bestehenden Bäume - entlang einer benachbarten landwirtschaftlichen Betriebsfläche nur in einem Mindestabstand von einem halben Meter zur Grenze der landwirtschaftlichen Betriebsfläche gepflanzt oder, wenn sie über zwei Meter hoch sind, nur in einem Mindestabstand von zwei Meter zu dieser Grenze belassen werden dürfen. Auf eine Gefährdung der Nutzung der benachbarten landwirtschaftlichen Grundfläche kommt es dabei - anders als nach § 3 Abs 2 leg.cit. - nicht an (s. ). Keine Anwendung findet das Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz seinem § 2 Abs 3 gemäß auf Grundflächen, die Wald iSd Forstgesetzes sind oder auf die die Bestimmungen des Forstgesetzes ebenfalls anzuwenden sind, etwa auf Windschutzanlagen iSd § 2 Abs 1 und 3 Forstgesetz. Das Vorliegen von Wald iSd § 1a Forstgesetz oder einer Windschutzanlage iSd § 2 Abs 3 Forstgesetz hat die belangte Behörde jedoch verneint.

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu VfSlg. 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art 5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art 1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg. 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zB VfSlg. 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. etwa VfSlg. 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

3.1. Nach § 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz dient dieses Gesetz dem Schutz landwirtschaftlicher Betriebsflächen im öffentlichen Interesse einer qualitativ hochwertigen und quantitativ günstigen landwirtschaftlichen Produktion. Die konkrete Aufgabe des Gesetzes liegt den Gesetzesmaterialien zufolge darin, landwirtschaftliche Grundstücke vor einer Schädigung (insbesondere durch Beschattung oder Durchwurzelung) durch fremde Bäume, Sträucher oder Hecken zu schützen (RV 11 BlgStLT 10. GP, 4). Der Verfassungsgerichtshof hegt keine Zweifel daran, dass die genannten Ziele im öffentlichen Interesse gelegen sind. Auch ist die Anordnung von Mindestabständen zu benachbarten landwirtschaftlichen Betriebsflächen, insbesondere in Verbindung mit der Verpflichtung der Behörde, dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten bei Zuwiderhandeln die Herstellung des gesetzmäßigen Zustands aufzutragen, geeignet, diese Ziele zu erreichen.

3.2. Wenn im Beschwerdevorbringen gerügt wird, dass hinsichtlich des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz keine Überprüfung der Beeinträchtigung der mit dieser Regelung verfolgten Ziele bzw. keine Interessenabwägung vorzunehmen sei, so werden damit Bedenken insbesondere gegen die Verhältnismäßigkeit und die sachliche Rechtfertigung dieser Regelung geltend gemacht.

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge wird die Zielbestimmung des § 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz unmittelbar durch die Mindestabstandsbestimmungen des § 3 Abs 1 und 2 leg.cit. verwirklicht. Demnach sei für die Erteilung entsprechender Aufträge nach § 5 leg.cit. keine gesonderte Begründung im Sinne der Zielbestimmung, sondern lediglich das Zuwiderhandeln gegen die Bestimmungen des § 3 Abs 1 und 2 leg.cit. erforderlich. Die belangte Behörde habe daher keine gesonderte Begründung für die Erfüllung der Zielbestimmung in den angefochtenen Bescheid aufzunehmen ().

3.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich dieser - verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz hervorrufenden - Auslegung nicht anzuschließen. In der dargestellten Auslegung würde diese Bestimmung die Anpflanzung oder das Belassen von Gewächsen bei Unterschreitung der angeordneten Mindestabstände schlechthin verbieten, ohne dass von der Behörde noch eine an den Schutzzweck dieser Bestimmungen anknüpfende Abwägung vorzunehmen wäre; ein derart weit gehendes Verbot entspräche nicht mehr der Bedeutung des verfolgten rechtspolitischen Zieles und wäre somit unverhältnismäßig.

Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz ist insbesondere auf die oben dargestellten Zwecke dieses Gesetzes Bedacht zu nehmen. Mit Blick darauf ist die Bestimmung des § 3 Abs 1

Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz verfassungskonform, insbesondere im Einklang mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, dahingehend auszulegen, dass die Behörde bei Erlassung eines Auftrags iSd § 5

Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz dessen Erforderlichkeit zur Erreichung der in § 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz genannten Ziele zu prüfen hat.

Der Verfassungsgerichtshof hegt daher entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der einer verfassungskonformen Interpretation zugänglichen Vorschrift des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz.

4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).

Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz, die jedoch in denkunmöglicher Weise angewendet wurde:

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass ein Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nach § 5 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz wegen Nichteinhaltung der Mindestabstände des § 3 Abs 1 leg.cit. unabhängig davon zu erteilen ist, ob die Einhaltung dieser Abstände vor dem Hintergrund der durch § 1 leg.cit. vorgegebenen Zwecke des Gesetzes überhaupt erforderlich ist. Diese Annahme wird auch in der Gegenschrift der belangten Behörde aufrechterhalten.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen unter 3. erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung als denkunmöglich. Die belangte Behörde hat dadurch, dass sie mit der dargestellten Begründung der Berufung der Beschwerdeführerin nur hinsichtlich der Breite des Streifens, innerhalb dessen die Gewächse durch die Beschwerdeführerin zurückzuschneiden sind, stattgegeben, im Übrigen aber den erstinstanzlichen Bescheid dem Grunde nach bestätigt hat, der Bestimmung des § 3 Abs 1 Stmk. Betriebsflächenschutzgesetz einen verfassungswidrigen, insbesondere dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums widersprechenden Inhalt unterstellt und jene somit denkunmöglich angewendet.

IV. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.