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OGH vom 13.04.2000, 8Ob108/00s

OGH vom 13.04.2000, 8Ob108/00s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg. GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Broinger & Partner, Rechtsanwälte in Eferding, wider die beklagten Parteien 1. "A*****" ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stefan Eigl und Mag. Harald Pisar, Rechtsanwälte OEG in Linz, und 2. Dr. Rudolf H*****, vertreten durch Dr. Gernot Kusatz, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 1,806.432,49 s. A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom , GZ 1 Nc 3/00f-2, mit dem der Delegierungsantrag der klagenden Partei hinsichtlich der erstbeklagten Partei abgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Verfahren hinsichtlich der erstbeklagten Partei an das Landesgericht Wels delegiert wird.

Text

Begründung:

Mit der am überreichten Wechselklage werden von der klagenden Partei die erstbeklagte Partei aus dem Titel der Wechselannahme und der Zweitbeklagte aus dem Titel der Wechselbürgschaft in Anspruch genommen.

Nachdem der Zweitbeklagte, gestützt auf § 14 KSchG, die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Landesgerichtes Linz erhoben hatte, wurde die Rechtssache hinsichtlich des Zweitbeklagten mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Wels überwiesen.

Mit dem am überreichten Schriftsatz beantragte die klagende Partei die Delegierung der Rechtssache 5 Cg 163/98k des Landesgerichtes Linz auch hinsichtlich der erstbeklagten Partei an das Landesgericht Wels. Sie brachte hiezu vor, dass ohne die Delegierung der Rechtssache hinsichtlich der erstbeklagten Partei an das Landesgericht Wels die von den Beklagten in ihren jeweiligen Einwendungen zum Beweis ihres Vorbringens geführten Urkunden und Zeugen zweifach vorgelegt bzw zweifach vernommen werden müssten. Die beantragte Delegierung habe aber auch den Zweck, den Zweitbeklagten nicht das eine Mal als Partei, das andere Mal als Zeugen vernehmen zu müssen. Eine Delegierung bzw daran anknüpfend eine Verbindung der beiden Rechtssachen würde zu einer wesentlichen Verkürzung und Verbilligung des Verfahrens führen. Die beantragte Delegierung erweise sich daher als zweckmäßig.

Die beiden beklagten Parteien sprachen sich gegen die beantragte Delegierung aus, während das Erstgericht diese befürwortete.

Das Oberlandesgericht Linz wies den Delegierungsantrag ab und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig; durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten solle eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung keinesfalls hervorgerufen werden. Wenn sich daher die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zu Gunsten beider Parteien lösen lasse und eine Partei der Delegation widersprochen habe, so sei die Delegation abzulehnen. Die Beurteilung habe sich auf die Frage der Zweckmäßigkeit unter den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu beschränken. Eine solche liege nicht vor. Übrig bleibe allein, dass der Zweitbeklagte sowie die Geschäftsführer der erstbeklagten Partei möglicherweise zweimal, einmal als Partei und einmal als Zeuge in verschiedenen Verfahren zu vernehmen wären. Diese Umstände rechtfertigten aber nicht eine Delegierung nach § 31 JN; sie erwiesen sich gegenüber den vorangestellten Erwägungen jedenfalls als nachrangig. Berücksichtige man zudem insbesondere, dass die Ansprüche gegenüber den beklagten Parteien jeweils aus einem anderen Rechtsgrund geltend gemacht würden, dann könne aber auch die Verfahrensökonomie nicht für ein einheitliches, verbundenes Verfahren und demnach für eine Delegierung nach § 31 JN sprechen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der zulässige Rekurs (1 Ob 2232/96h; 1 Ob 325/98w) der klagenden Partei, der auch berechtigt ist.

Die angefochtene Entscheidung gibt zwar die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des Delegierungsrechts (§ 31 JN) richtig wieder, beachtet aber nicht ausreichend, dass in der vorliegenden Konstellation, über die - soweit ersichtlich - der Oberste Gerichtshof bisher nicht erkennen hatte, die prozessökonomischen Gesichtspunkte hinsichtlich zweier inhaltlich eng verbundender Verfahren zu beachten sind.

Auszugehen ist davon, dass gemäß Art 47 Abs 1 WG der Wechselakzeptant und sein Bürge grundsätzlich als Solidarschuldner haften und § 93 Abs 2 JN - eindeutig aus Gründen der Zweckmäßigkeit - vorsieht, dass alle aus einem Wechsel verpflichteten Personen bei dem Gericht des Zahlungsortes geklagt werden können. Sie sind seit der Erweiterung des § 11 Z 1 ZPO durch die ZPO Nov 1983 (Einfügung der Worte "oder solidarisch") auch als materielle Streitgenossen im Sinn dieser Bestimmung betrachten, auf die grundsätzlich § 93 Abs 1 anzuwenden wäre. Nach Aussage der Materialien (669 BlgNR 15. GP, 45) wurde aber Abs 2 des § 93 JN deshalb aufrecht erhalten, um an der "herrschenden Ansicht" nichts zu ändern, dass Abs 2 - soweit die Berufung auf ihn zulässig ist - die Anwendung des Abs 1 ausschließt. Der Abs 1 steht also zum Abs 2 im Verhältnis der Subsidiarität; er kann nur in Anspruch genommen werden, wenn nicht Abs 2 greift. Der Gerichtsstand nach Abs 2 kann aber, wie auch der Gerichtsstand nach Abs 1 gemäß § 14 KSchG nur bei dem Gericht begründet werden, in dessen Sprengel der beklagte Verbraucher seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Bedingung für den Mitgeklagten ist nämlich in beiden Fällen, dass das angerufene Gericht nicht unprorogabel unzuständig ist. Es können daher sowohl Kaufleute zusammen mit einem Nichtkaufmann als materielle Streitgenossen vor dem allgemeinen Gerichtsstand in Anspruch genommen werden, als auch Nichtkaufleute zusammen mit einem Kaufmann vor dem Kausalgericht. Hingegen kann der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Abs 1 ebenso wie nach Abs 2 des § 93 JN nur mit der Beschränkung des § 14 Abs 1 KSchG begründet werden (Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 3 und 5 zu § 93 JN mit Hinweisen auf unterinstanzliche Rechtsprechung; aM Jelinek, in Krejci (Hrsg), Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz 885f; Roth, Beitr ZPR II 233 f; näheres dazu siehe Rechberger aaO Rz 3 ff vor § 83a JN).

Durch diese Konsumentenschutzbestimmung, auf die sich der Zweitbeklagte berufen hat, wurde das Verfahren gegen diesen an das Gericht seines allgemeinen Gerichtsstandes überwiesen und dadurch das Wechselverfahren gegen den Wechselakzeptanten und dessen Wechselbürgen zerrissen.

Zwar wäre es der klagenden Partei freigestanden, den Zweitbeklagten im Hinblick auf § 14 KSchG sofort an seinem allgemeinen Gerichtsstand zu klagen und auf Grund der materiellen Streitgenossenschaft (§ 11 Z 1 ZPO) auch den Erstbeklagten gemäß § 93 Abs 1 JN beim Gerichtsstand des Zweitbeklagten in Anspruch zu nehmen. Dass sie dies nicht getan hat, kann aber nicht dazu führen, dass nun nicht mehr die Delegation des gegen den Erstbeklagten geführten Verfahrens zum Gericht, an dem das Verfahren gegen den Zweitbeklagten läuft, erfolgen dürfte. Schon die Bestimmung des § 93 Abs 1 und 2 JN macht deutlich, dass das Gesetz davon ausgeht, dass eine solche Verbindung in der Regel zweckmäßig ist, weil nur die Führung eines Verfahrens notwendig ist, welches insgesamt - gesehen aus dem Gesichtspunkt der sonst nötigen Führung zweier Verfahren - diese beschleunigt, die Amtstätigkeit der Gerichte verringert und die Kosten senkt.

Das gilt auch im vorliegenden Fall. Anderenfalls müsste damit gerechnet werden, dass alle beantragten Zeugen und Parteien doppelt vernommen (noch dazu einmal als Partei und im anderen Verfahren als Zeuge) werden müssen, was zu einer ganz beträchtlichen Kostenvermehrung (Verdoppelung anstatt 10 %iger Streitgenossenzuschlag) führen würde.

Dem Argument des Erstgerichts, dass die Beklagten aus verschiedenen Rechtsgründen belangt wurden, womit es zu unterstellen scheint, dass sich der Aufwand bei Führung als verbundene Verfahren vor einem Gericht nicht wesentlich verringern würde, ist entgegenzuhalten, dass der Erstbeklagte als Wechselakzeptant und der Zweitbeklagte als Wechselbürge in Anspruch genommen werden, woraus sich mit größter Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Teil des Verfahrens den gleichen Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag gewidmet sein wird, was bei Verbindung beider Verfahren jedenfalls zu der oben dargestellten Prozessökonomie beiträgt und überdies widerspruchsfreie Feststellungen des Sachverhalts, soweit er ident ist, erwarten lässt.

Der erkennende Senat hält daher eine Verbindung des Verfahrens gegen den Wechselakzeptanten und den Wechselbürgen im Sinn des § 31 JN für zweckmäßig und ändert infolgedessen den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass auch das Verfahren gegen den Wechselakzeptanten an das Gericht delegiert wird, an dem bereits gemäß § 14 KSchG das Verfahren gegen dessen Wechselbürgen geführt wird.