OGH vom 26.02.2013, 10Ob64/12b

OGH vom 26.02.2013, 10Ob64/12b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des K*****, geboren am , wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des K*****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, Bezirke 12, 13 und 23, 1230 Wien, Rößlergasse 15) gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 457/12t 92, womit infolge Rekurses des damals Minderjährigen der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 40 Pu 9/10x 80, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Vater hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom wurden die Unterhaltsvorschüsse für den am geborenen (damals) Minderjährigen unter Bedachtnahme auf ein Eigeneinkommen ab auf 300 EUR monatlich herabgesetzt.

Am teilte der Jugendwohlfahrtsträger mit, dass der Minderjährige seit in Untersuchungshaft sei.

Das Erstgericht fasste in der Folge über Antrag des Vaters den Beschluss auf gänzliche Innehaltung der Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des Juli 2012, weil bei der Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren gegen den Minderjährigen wegen eines Tötungsverfahrens anhängig sei. Es sei davon auszugehen, dass der Minderjährige eine mehrjährige Haftstrafe zu verbüßen haben werde, jedenfalls aber vor Vollendung seines 18. Lebensjahres nicht enthaftet werden würde.

Das Rekursgericht änderte über den Rekurs des Minderjährigen diesen Beschluss dahin ab, dass lediglich eine teilweise Innehaltung der Unterhaltsvorschüsse im Ausmaß von 200 EUR monatlich mit Ablauf des Juli 2012 zu erfolgen habe. Das Mehrbegehren auf gänzliche Innehaltung wies es unbekämpft ab. Es verwies auf die bisher vorliegende Rechtsprechung, wonach bei einer mehr als zwei Monate dauernden Untersuchungshaft keine Enthebung von der Unterhaltspflicht, sondern bloß eine Herabsetzung der Unterhaltspflicht gerechtfertigt sei. Unter den hier gegebenen Umständen, dem bisher festgesetzten Unterhaltsbetrag, dem Alter des Minderjährigen und dem absehbaren Zeitraum, für den noch Vorschussbeträge dem Grunde nach wegen des Alters des Minderjährigen zu leisten seien, halte das Rekursgericht im Rahmen des § 7 UVG noch einen restlichen Unterhaltsanspruch des Minderjährigen von 100 EUR monatlich für angemessen. Damit sei ihm unter den gegebenen Umständen ein (nach den Bedingungen des konkreten Falls eingeschränktes) Teilhaben an den Lebensverhältnissen des Vaters möglich. Der Einwand des Vaters, die Mutter würde Unterhaltsleistungen den Minderjährigen gar nicht zuwenden, sondern selbst verwenden, könne im Unterhaltsverfahren nicht geprüft werden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege, die Grundsätze für die (eher seltene) Fragestellung des Restunterhaltsbedarfs bei Haft des Kindes erkennen lasse und insoweit ein Grenzfall der Unterhaltsbemessung vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des nunmehr volljährig gewordenen Antragstellers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass mit Ablauf des Juli 2012 nur mit 100 EUR monatlich innezuhalten sei.

Der Vater beantragte in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen bzw ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Der Antragsteller bringt vor, nach ständiger Rechtsprechung werden in der Untersuchungshaft nicht alle Bedürfnisse des Kindes, zu deren Deckung der Unterhaltsschuldner Unterhalt zu leisten habe, befriedigt. Wenn auch in der Untersuchungshaft für die Unterbringung und die Verköstigung gesorgt sei und allenfalls auch Haftbekleidung zur Verfügung gestellt werde, blieben doch nicht gedeckte Restbedürfnisse aufrecht, vor allem für die Anschaffung von Kleidung, aber auch der Anspruch auf sinnvolle Gestaltung der Untersuchungshaft.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

Die Verhängung der Untersuchungshaft über den Unterhaltsberechtigten bildet nach herrschender Rechtsprechung (vgl RIS Justiz RS0076033, RS0047429) in der Regel keinen Grund, die gewährten Vorschüsse sofort ganz oder zum Teil zu versagen, zumal gerade bei einer nur kurz dauernden Untersuchungshaft die Fixkosten wie etwa für die Wohnung weiterlaufen, während in der Anstalt nur für die notwendigsten Lebensbedürfnisse gesorgt wird. Es wurde aber auch bereits ausgesprochen, dass bei einer längeren Dauer der Untersuchungshaft (vgl 3 Ob 544/91: bei einer Untersuchungshaft in einer Dauer von mehr als zwei Monaten) im Hinblick auf die Deckung der notwendigsten Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten jedenfalls eine Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse in Betracht zu ziehen ist (vgl Neumayr in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 2 UVG Rz 30 und § 7 UVG Rz 26 jeweils mwN).

Die Richtigkeit dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze wird auch vom Revisionsrekurswerber nicht in Zweifel gezogen. Er meint allerdings, dass die Unterhaltsvorschüsse in seinem Fall im Ergebnis nicht auf den Betrag von 100 EUR monatlich, sondern lediglich auf den Betrag von 200 EUR monatlich herabzusetzen seien. Die Beurteilung dieser Frage hat jedoch aufgrund der dem Antragsteller nach den Verhältnissen des Einzelfalls zuzubilligenden restlichen Unterhaltsbedürfnisse, die während der Untersuchungshaft nicht gedeckt sind, zu erfolgen (vgl 1 Ob 352/98s; 3 Ob 544/91) und stellt daher wegen ihrer Einzelfallbezogenheit in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG dar. Die vom Rekursgericht unter sinngemäßer Anwendung des § 34 AußStrG (vgl 1 Ob 212/10y) vorgenommene Herabsetzung des Unterhaltsvorschusses auf 100 EUR monatlich stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, zumal darüber hinausgehende konkrete Bedürfnisse des Antragstellers auch im Rechtsmittel nicht ins Treffen geführt werden und auch nicht aktenkundig sind.

Da im Unterhaltsvorschussverfahren kein Kostenersatz stattfindet (vgl § 10a UVG), hat der Vater die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.