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OGH vom 29.05.2019, 15Os43/19s

OGH vom 29.05.2019, 15Os43/19s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Dezsö V***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § 127, 131 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 73 Hv 161/18g-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dezsö V***** des Vergehens des Diebstahls nach § 127 „Abs 1“ StGB (I./), der Vergehen der Nötigung nach § 15, 105 Abs 1 StGB (II./) und der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er am in W*****

I./ fremde bewegliche Sachen in nicht mehr feststellbarem Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Gegenstände an sich nahm und einsteckte, nämlich

1./ das Handy und die Geldbörse des Mirza T*****;

2./ das Handy des Enver T*****;

II./ versucht, andere mit Gewalt zur Abstandnahme seiner (des Angeklagten) weiteren Anhaltung sowie dem Ermöglichen seiner Flucht zu nötigen, nämlich

1./ Mirza T***** durch Wegstoßen sowie Versetzen mehrerer Schläge und Tritte gegen den Körper;

2./ Enver T***** durch mehrere Schläge und Tritte gegen den Körper;

III./ andere durch die unter II./ genannten Handlungen am Körper verletzt, sodass die Genannten folgende Verletzungen erlitten:

1./ Mirza T***** eine Prellung des Kopfes und der rechten Hand;

2./ Enver T***** einen Rippenbruch, eine Prellung beider Knie, der rechten Brustkorbhalbseite sowie des linken Schlüsselbeins.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 (lit) a, 9 (lit) b, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter zu II./ ohnehin berücksichtigt (US 9, 13), dass sich Enver T***** tätlich gegen die Angriffe des Angeklagten wehrte und dass (auch) Letzterer im Zuge des Vorfalls Verletzungen davontrug. Weshalb der Umstand, dass Mirza T***** den am Boden „herumzappelnden“ Angeklagten bis zum Eintreffen der Polizei ca 10 Minuten festgehalten haben soll, einer besonderen Erörterung bedurft hätte, macht die Beschwerde nicht klar.

Ebensowenig zeigt sie deutlich und bestimmt auf, in Bezug auf welche entscheidenden Tatsachen die Entscheidungsgründe undeutlich (Z 5 erster Fall; RISJustiz RS0089983) geblieben sein sollen.

Den gegen die (weitere) Anhaltung gerichteten Nötigungsvorsatz zu II./ leiteten die Tatrichter aus dem äußeren Tatgeschehen ab, auf welches sie auf Grund von Angaben der Zeugen T***** und des Verhaltens des Angeklagten gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten schlossen (US 13). Entgegen der Beschwerdekritik (Z 5 vierter Fall) wurden die Feststellungen zur subjektiven Tatseite damit mängelfrei begründet.

Insgesamt versucht der Nichtigkeitswerber bloß, aus den Beweisergebnissen andere Schlüsse zum objektiven Tathergang und – darauf aufbauend – zur subjektiven Tatseite herzuleiten. Damit bekämpft er die Beweiswürdigung des Schöffengerichts unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Mit eigenständigen Erwägungen zum Vorgehen der Zeugen T***** bei der Anhaltung gelingt es der Beschwerde auch nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen zu erwecken.

Die Rechtsrüge (nominell teils Z 9 lit a, der Sache nach nur Z 9 lit b) behauptet, die Nötigung eines anderen mit dem Ziel der Vereitlung der von diesem angestrebten Anhaltung des Täters sei nicht rechtswidrig, leitet aber nicht aus dem Gesetz ab, warum Privaten im Fall der Betretung eines anderen bei der Begehung einer strafbaren Handlung (hier: zu I./) kein Anhalterecht zukommen sollte (vgl § 80 Abs 2 StPO). Ebensowenig erklärt sie, weshalb die Anwendung von Gewalt (hier: Faustschläge ua ins Gesicht, Schläge und Fußtritte gegen den Körper – US 9 f), um eine solche Anhaltung zu verhindern, nicht den guten Sitten widersprechen sollte.

Gleiches gilt für die Behauptung (nominell teils Z 9 lit a, der Sache nach nur Z 10), die (versuchte) gewaltsame Durchsetzung einer Flucht sei nicht gesondert strafbar, wenn zugleich eine Verurteilung wegen (idealkonkurrierend) verwirklichter Vergehen nach § 83 StGB (III./) erfolge (vgl dagegen RISJustiz RS0092599).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermeint weiters, mangels (erfolgreicher) Beugung des Willens der Anhaltenden (II./) sei das Tatbild des § 105 Abs 1 StGB nicht erfüllt und auch kein Versuch gegeben, lässt aber offen, weshalb das Gesetz im Fall von – wie hier – mit entsprechendem Vorsatz gesetzten Ausführungshandlungen Straflosigkeit vorsehen sollte (vgl § 15 Abs 2 StGB).

Im Zusammenhang mit der Behauptung, die Nötigung des Bestohlenen zur Unterlassung der Anhaltung stelle bloß eine straflose Nachtat zum Diebstahl dar, lässt der Beschwerdeführer jegliche Argumentation vermissen, weshalb der Unwertgehalt einer (mit höherer Strafdrohung bewehrten) Nötigung des Bestohlenen bereits von jenem eines (ohne Nötigungsmittel begangenen) Diebstahls nach § 127 StGB abgedeckt sein soll (vgl RISJustiz RS0090880 zur Konsumtion im Allgemeinen und RISJustiz RS0093485, RS0113271 zur Konsumtion von Nötigung im Fall eines ).

Die erschwerende Wertung des „Zusammentreffens mehrerer Vergehen nach § 28 StGB“ (US 17) verstößt im Hinblick auf die Strafzumessungsbestimmung des § 33 Z 1 StGB, die gerade dem § 28 Abs 1 StGB zugrunde liegenden Absorptionsprinzip Rechnung trägt, dem Beschwerdestandpunkt zuwider nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB; RISJustiz RS0090928). Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) ist somit gleichfalls nicht berechtigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt § 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00043.19S.0529.000

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