OGH 21.01.2020, 10Ob62/19v
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj L*, geboren * 2003, vertreten durch das Land Vorarlberg (Bezirkshauptmannschaft Bregenz, 6901 Bregenz, Bahnhofstraße 41) als Kinder- und Jugendhilfeträger, wegen Unterhaltsverpflichtung des Vaters T*, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 2 R 158/19d-62, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 9 Pu 236/19m-56, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Kind, vertreten durch das Land Vorarlberg als Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT), beantragte am die Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbetrags von 380 auf 450 EUR ab (ON 39). Der Vater verfüge inklusive des halben Familienbonus Plus in Höhe von 62,50 EUR über ein monatliches Durchschnittseinkommen von 2.250 EUR.
Der Vater sprach sich gegen die Unterhaltserhöhung aus und beantragte, seine monatliche Unterhaltspflicht bis einschließlich März 2019 auf 320 EUR und aufgrund weiterer Sorgepflichten für seine Ehegattin und den am * 2019 geborenen Sohn ab auf 260 EUR herabzusetzen (ON 43).
Das Erstgericht erhöhte den monatlichen Unterhaltsbetrag von 1. 1. bis auf 450 EUR sowie ab auf 420 EUR, und wies das Mehrbegehren des Kindes sowie den Herabsetzungsantrag des Vaters ab (ON 56). Es ging von einem anrechenbaren monatlichen Nettoeinkommen des Vaters von 2.187 EUR zuzüglich des halben Familienbonus Plus von 62,50 EUR aus. Bei der Ermittlung des Unterhalts nach der Prozentkomponente berücksichtigte es weitere Sorgepflichten für zwei Kinder (geboren * 2003 und * 2019).
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und verpflichtete den Unterhaltsschuldner zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 425 EUR von 1. 1. bis und von 405 EUR ab (ON 62). Es bezog den halben Familienbonus Plus für das unterhaltsberechtigte Kind (62,50 EUR) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage ein und berücksichtigte diesen bei der steuerlichen Entlastung nicht noch zusätzlich.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass es zur Berücksichtigung des Familienbonus Plus keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.
Rechtliche Beurteilung
Der – beantwortete – Revisionsrekurs des Kindes ist entgegen diesem nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1.1 Der Oberste Gerichtshof hat sich in der erst nach Beschlussfassung in zweiter Instanz ergangenen Entscheidung 4 Ob 150/19s ausführlich mit der Frage der Behandlung des Familienbonus Plus im Unterhaltsrecht auseinandergesetzt. Mit dieser Entscheidung erfolgte aus Anlass der neuen gesetzlichen Regelung zum Familienbonus Plus mit dem Jahressteuergesetz 2018, BGBl I 2018/62, eine Neuausrichtung der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung:
1.2 Der Familienbonus Plus ist – so wie der Unterhaltsabsetzbetrag – ein echter Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch steuergesetzliche Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhaltsrecht und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerrechtliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.
1.3 Dieser Rechtsansicht hat sich der Oberste Gerichtshof mittlerweile in mehreren Entscheidungen angeschlossen (ua 10 Ob 71/19t; 10 Ob 65/19k). Damit liegt bereits eine gefestigte Rechtsprechung vor, die den Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessung nicht berücksichtigt. Eine erhebliche Rechtsfrage ist somit nicht mehr zu beantworten. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht um den Familienbonus Plus zu erhöhen, entspricht dieser neuen unterhaltsrechtlichen Judikatur. Eine Kürzung des nach der angewendeten Prozentmethode (1. 1. bis 20 % und ab 19 % von 2.187 EUR) ermittelten Unterhaltsbetrags hat zwar nicht mehr zu erfolgen. Die sich daraus ergebende Differenz zu den in zweiter Instanz zugesprochenen monatlichen Unterhaltsbeträgen bewegt sich jedoch im Sinn der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 4 Ob 142/19i mwN) in einem Rundungsbereich, der im Einzelfall nicht zu einer Abänderung führen muss. Der Revisionsrekurs des Kindes ist daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2020:E127393 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAD-88075