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OGH vom 20.07.1995, 10ObS151/95

OGH vom 20.07.1995, 10ObS151/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Dr.Pipin Henzl und Dr.Heinz Paul in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elke K*****, vertreten durch die Sachwalterin Magdalena B*****, ebendort, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflege in einer öffentlichen Krankenanstalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Rs 162/94-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 17 Cgs 186/93t-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom (zugestellt an die Sachwalterin) wies die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern unter Berufung auf § 89 Abs 3 iVm § 85 Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) die Kostenübernahme für die Anstaltspflege der Klägerin im Pflege- und Therapiezentrum der Stadt Wien, Ybbs an der Donau ab ab, weil kein Behandlungs-, sondern ein Asylierungsfall vorliege.

Das auf Übernahme der Kosten für die Anstaltsaufenthalte im Pflege und Therapiezentrum der Stadt Wien in Ybbs an der Donau auch ab "bis zur Heilung" (gemeint Entlassung []) gerichtete Klagebegehren stützt sich darauf, daß sich der Gesundheitszustand der Klägerin durch die Aufenthalte im genannten Zentrum immer wesentlich bessere.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei am davon informiert worden, daß ab eine weitere Anstaltspflege begonnen habe. Nach Einsicht in die Krankengeschichte sei sie zur Auffassung gekommen, daß der stationäre Aufenthalt vom 25.1. bis der Asylierung gedient habe. Deshalb habe sie der genannten Anstalt mit Schreiben vom mitgeteilt, daß einer weiteren Kostenübernahme nicht zugestimmt werden könne. Es handle sich um keinen Behandlungs-, sondern um einen Pflegefall.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, die Kosten für die Anstaltspflege der Klägerin im Pflege- und Therapiezentrum der Stadt Wien Ybbs an der Donau ab zu übernehmen.

Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Bei der am geborenen Klägerin liegt das Bild einer neurotisch strukturierten Persönlichkeit mit (richtig) Konversionstendenz, depressiver bis dysphorischer Verstimmung und passagerer anorektischer Syptomatik (Magersucht) vor. Die Klägerin wurde im Jahr 1991 das erste Mal in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien (nunmehr Pflege- und Therapiezentrum der Stadt Wien) Ybbs an der Donau aufgenommen. Sie wurde in einem besonders schlechten Zustand eingeliefert, war abgemagert, saß im Rollstuhl, sprach nichts und war inkontinent. Nach einigen Wochen begann sie zu sprechen, sehr langsam wurde eine Besserung sichtbar. Nach einem weiteren stationären Aufenthalt in der genannten Krankenanstalt wurde die Klägerin dort im Jänner 1993 ein drittes Mal aufgenommen. Damals befand sie sich nicht in einem so schlechten Zustand wie bei der Erstaufnahme. Das Milieu war ihr vertraut, und sie knüpfte nach kurzer Zeit Kontakte. Ein besonders inniger Kontakt bestand zur Krankenschwester G.H. Die Behandlung während dieses Aufenthaltes umfaßte eine Stunde Psychotherapie wöchentlich, etwa vier Stunden Beschäftigungstherapie täglich, eine sehr niedrig gehaltene medikamentöse Behandlung von Serupram und Flutine (oral) und eine besonders innige Beziehung und Betreuung durch das Pflegepersonal und die Ärzte. Während des Aufenthaltes wurde eine deutliche Steigerung der Stimmung der Patientin merkbar, sie aß, ging und verbrachte den Tag - anders als daheim - nicht mehr im Bett. Aufgrund des festgestellten Therapieerfolges, über den Schwester G.H. Tagebuchaufzeichnungen führte, wurde auf Initiative dieser Schwester ein Nachbetreuungsheim für psychisch Kranke ins Leben gerufen, das vom Land Niederösterreich finanziert wird.

Nach der rechtlichen Beurteilung lag bei der Klägerin ein Behandlungsfall vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten, in der diese nur eine Rechtsrüge erhob, nicht Folge, weil ein Behandlungsfall vorgelegen sei. Unter Zitierung damals nicht mehr geltender Fassungen von Bestimmungen des ASGG (§ 45 Abs 1 Z 1 und § 46 Abs 1 Z 1) sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S nicht übersteige und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In der "außerordentlichen" Revision macht die Beklagte unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; sie beantragt, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Das Revisionsgericht stellte der Klägerin die Beantwortung der Revision frei; eine solche wurde jedoch nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG idF ASGGNov 1994 BGBl 624 auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig:

Nach § 45 Abs 1 ASGG idF ASGGNov 1994 hat das Berufungsgericht in seinem Urteil auszusprechen, ob die Revision nach § 46 Abs 1 zulässig ist. Die Unrichtigkeit des Ausspruchs kann nur in einer außerordentlichen Revision (§ 505 Abs 3 ZPO) geltend gemacht werden. Gem § 45 Abs 3 ASGG hat in Verfahren nach § 46 Abs 3 leg cit ein Ausspruch nach Abs 1 zu unterbleiben. Nach § 46 Abs 3 Z 3 leg cit ist die Revision auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 in Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen zulässig.

Der Begriff "wiederkehrende Leistungen" wird im ASGG nicht näher erläutert. Er findet sich im § 58 Abs 1 JN wieder. Dort ist als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei immerwährender Dauer das Zwanzigfache, bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache, sofern es sich um Ansprüche auf Unterhalts- oder Versorgungsbeträge und auf Zahlung von Renten wegen Körperbeschädigung oder Tötung eines Menschen handelt, das Dreifache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen.

Ähnlich wie bei den im § 58 Abs 1 JN genannten anderen wiederkehrenden Leistungen geht es auch bei der Gewährung der Pflege in einer öffentlichen Krankenanstalt gemäß § 89 Abs 1 BSVG um das (behauptete) Recht (des Versicherten) auf den Bezug von wiederkehrenden Leistungen, nämlich die (vom Versicherungsträger bereitzustellende) Sachleistung der Pflege in der allgemeinen Gebührenklasse einer öffentlichen Krankenanstalt. Ein Anspruch auf Gewährung der Anstaltspflege ist somit als Anspruch auf eine laufende Leistung anzusehen, zumal darunter Leistungen zu verstehen sind, die auf bestimmte und unbestimmte Dauer gewährt und in regelmäßig wiederkehrenden Zeiträumen "flüssig gemacht" (erbracht) werden (SSV-NF 5/134). Das daraus abgeleitete Begehren auf Übernahme von Pflegekosten hiefür ist daher ebenfalls eines auf "wiederkehrende Leistungen".

Hingegen wäre der Anspruch des Versicherten auf Kostenersatz bei Anstaltspflege (§ 150 ASVG) bzw Kostenzuschuß bei Anstaltspflege in einer nichtöffentlichen Krankenanstalt (§ 93 BSVG) kein Anspruch auf wiederkehrende Leistungen (SSV-NF 3/153; 7/67).

Die zulässige Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Ob die Anstaltspflege der Klägerin in der öffentlichen Krankenanstalt in Ybbs an der Donau in der Zeit vom 25.1. bis durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt (Behandlungsfall) oder nicht bedingt war (Asylierung), kann dahingestellt bleiben.

Sobald der Asylierungsfall eingetreten ist, erlischt der Anspruch des Versicherten auf Gewährung der Anstaltspflege durch den Versicherungsträger gemäß § 64 Abs 1 lit a BSVG ohne weiteres Verfahren. Dem Versicherten muß jedoch in eindeutiger Form, wenn auch nicht durch Bescheid, bekanntgegeben werden, daß der Versicherungsträger die Weitergewährung der Anstaltspflege ablehnt. Bis zu dieser Mitteilung hat der Versicherungsträger die Kosten der Anstaltsunterbringung auch nach Eintritt des Asylierungsfalles zu tragen (zB die zu dem mit § 64 BSVG wortgleichen § 100 Abs 1 lit a ASVG ergangenen E , 10 Ob S 311/91; SSV-NF 5/134 jeweils mwN; , 10 ObS 49/92).

Daß die Beklagte der Klägerin oder deren Sachwalterin bis zum in eindeutiger Form mitgeteilt hätte, daß sie die Weitergewährung der Anstaltspflege ablehne, wurde weder behauptet, noch ergibt sich dafür aus den Akten ein Hinweis. Im Gegenteil: Die Beklagte hat selbst vorgetragen, sie sei nach Einsichtnahme in die Krankengeschichte zur Auffassung gelangt, daß die Anstaltspflege nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt sei, und habe dem Krankenhaus Ybbs mit Schreiben vom mitgeteilt, daß einer weiteren Kostenübernahme für die Anstaltspflege nicht zugestimmt werden könne. Gleichzeitig ersuchte sie die Anstalt um Verständigung der Angehörigen der Patientin. Die Beklagte kann daher keinesfalls die Bezahlung der Kosten der Anstaltsunterbringung der Klägerin ablehnen.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.