OGH 22.10.2013, 10ObS151/13y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-
Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 83/13d-63, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Revisionswerber macht in seinen umfangreichen Ausführungen zur Zulassungsbeschwerde im Wesentlichen geltend, das Erstgericht habe bei seinen Feststellungen den Befund des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. S***** vom (Beilage ./P) nicht berücksichtigt. Diese Ausführungen waren bereits Gegenstand der Mängelrüge der Berufung. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen inhaltlich auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, dass der gerügte Mangel nicht vorliege. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, dass der erwähnte Befundbericht vom der vom Erstgericht beigezogenen neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen vorgelegt wurde, die im Rahmen der Erörterung ihres Gutachtens in der Tagsatzung am inhaltlich dazu Stellung genommen hat (vgl 10 ObS 84/10s). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats können auch im sozialgerichtlichen Verfahren angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74m ua). Es liegt insoweit auch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor, weil sich das Berufungsgericht mit der diesbezüglichen Mängelrüge in der Berufung inhaltlich ausreichend auseinandergesetzt hat. Dem Obersten Gerichtshof ist daher ein Eingehen auf diese in der Revision wiederholten Ausführungen zu einer angeblichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz verwehrt.
2. Der weitere Vorwurf des Revisionswerbers, der erwähnte Befundbericht vom sei von den Vorinstanzen nicht ausreichend berücksichtigt worden, betrifft die vom Obersten Gerichtshof ebenfalls nicht zu überprüfende Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Die Entscheidung über eine Beweisrüge, mit der sich das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - inhaltlich auseinandergesetzt hat, ist im Rahmen der Revision nicht mehr bekämpfbar (RIS-Justiz RS0043371 [T21] mwN ua). Ob unter Berücksichtigung anderer Beweisergebnisse, insbesondere vorliegender widersprechender Befundberichte, ein Sachverständigengutachten eine ausreichende Grundlage für die Feststellungen bildet, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die ausschließlich von den Tatsacheninstanzen zu beurteilen ist. Im Übrigen entspricht es nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Berufungsgerichts, sondern auch jener des Obersten Gerichtshofs, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, allfällige Widersprüche zwischen einem Privatgutachten, auch wenn dieser Gutachter generell gerichtlich beeidet ist, und dem Gutachten eines vom Gericht zur Erstattung eines Gutachtens in einer bestimmten Rechtssache herangezogenen Sachverständigen aufzuklären. Es kann sich vielmehr - insbesondere wenn, wie hier, der Sachverständige zu dem vorgelegten ärztlichen Befundbericht des behandelnden Facharztes Stellung genommen hat - ohne Verfahrensverstoß dem ihm als verlässlich erscheinenden Sachverständigengutachten anschließen (10 ObS 19/02w mwN; RIS-Justiz RS0040592).
3. Auch die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Vorlage der der Berufung angeschlossenen (weiteren) ärztlichen Befundberichte vom und , die beide nach Schluss der Verhandlung erster Instanz () ausgestellt wurden, gegen das im sozialgerichtlichen Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot verstieß, steht ebenfalls im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 10 ObS 151/10v; 10 ObS 78/04z; 10 ObS 417/02z mwN). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung. Auf die weitere Entwicklung des Gesundheitszustands des Klägers nach Schluss der möglichen Verhandlung in erster Instanz wird gegebenenfalls bei einem Verfahren über die Weitergewährung der von den Vorinstanzen dem Kläger bis zuerkannten Berufsunfähigkeitspension Bedacht zu nehmen sein.
4. Ausgehend von den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen liegt auch die vom Revisionswerber im Zusammenhang mit der von den Vorinstanzen nur befristet gewährten Berufsunfähigkeitspension geltend gemachte unrichtige rechtliche Beurteilung nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung muss für die vom Kläger angestrebte Zuerkennung einer unbefristeten Pension eine die gesetzliche Befristung übersteigende Dauer der Invalidität (Berufsunfähigkeit) bestehen. Bestehen Chancen auf eine Besserung des Leidenszustands kann von dauernder Invalidität (Berufsunfähigkeit) keine Rede sein. Auf den mehr oder minder hohen Grad der Besserungsaussicht kommt es nicht an. Der Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine unbefristete Invaliditätspension (Berufsunfähigkeitspension) ist nur erbracht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Arbeitsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden kann (vgl Sonntag in Sonntag, ASVG4 § 256 Rz 21 mwN; RIS-Justiz RS0115354).
4.1. Im vorliegenden Fall steht zwar eine die gesetzliche Befristung (24 Monate) übersteigende Dauer der Berufsunfähigkeit des Klägers (28 Monate) fest, es steht aber auch fest, dass eine Besserung des Gesundheitszustands des Klägers innerhalb von sechs Monaten möglich ist, wenn er eine intensive Psychotherapie, die seine psychopharmakologische Medikation ergänzt und der Krankheitsverarbeitung dient, durchführt. Nach einer solchen beschriebenen kalkülsrelevanten Besserung des Gesundheitszustands liegt eine Invalidität bzw Berufsunfähigkeit des Klägers nicht mehr vor, weil er dann wieder in der Lage ist, eine qualifizierte Verweisungstätigkeit in seinem Berufsfeld auszuüben. Die Gewährung einer befristeten Berufsunfähigkeitspension durch die Vorinstanzen steht daher im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Auch aus der Entscheidung 10 ObS 42/11s (SSV-NF 25/67) lässt sich für den Prozessstandpunkt des Revisionswerbers nichts gewinnen, weil diese Entscheidung die Frage der Beweislast für eine Besserung des Gesundheitszustands eines Versicherten betraf, dessen Invalidität (Berufsunfähigkeit) länger als sechs Monate, jedoch kürzer als 24 Monate dauerte. Die Beweislast für das Vorliegen der die dauernde Invalidität (Berufsunfähigkeit) begründenden Tatsachen trifft aber nach ständiger Rechtsprechung den Versicherten (vgl 10 ObS 42/11s, SSV-NF 25/67 mwN).
Die außerordentliche Revision war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-
Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 83/13d-63, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Schriftsatz des Klägers vom erklärte Einschränkung des Klagebegehrens auf Kostenersatz wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit Beschluss vom wies der Oberste Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung die außerordentliche Revision des Klägers zurück. Noch am selben Tag, also noch vor der am erfolgten Übergabe des Akts an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung des Beschlusses, langte beim Obersten Gerichtshof der im Elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Schriftsatz des Klägers ein, in welchem er bekannt gab, dass er von der beklagten Partei mit Bescheid vom klaglos gestellt worden sei und er daher sein Urteilsbegehren auf Ersatz der Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens einschränke.
Nach ständiger Rechtsprechung ist zwar eine Klagseinschränkung im Rechtsmittelverfahren, solange eine gänzliche Klagsrücknahme zulässig ist, unter denselben Voraussetzungen wie im Verfahren erster Instanz möglich (vgl RIS-Justiz RS0039644). Eine Einschränkung des Klagebegehrens auf Kostenersatz ist im Revisionsstadium jedoch schon deshalb ausgeschlossen, weil das Rechtsmittel sonst nur mehr den Kostenpunkt beträfe (vgl Zechner in Fasching/Konecny² § 504 ZPO Rz 30 f; Pimmer in Fasching/Konecny² § 483 ZPO Rz 22; 7 Ob 200/99h; RIS-Justiz RS0039247).
Die vom Kläger erklärte Einschränkung des Klagebegehrens auf Kostenersatz war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Sozialrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00151.13Y.1022.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAD-87986