OGH vom 20.12.2017, 10Ob61/17v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Hon.-Prof. Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 127.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 17/17k-27, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist das Berufungsgericht nicht vom festgestellten Sachverhalt abgewichen. Es führte aus, aus den Feststellungen des Erstgerichts ergebe sich implizit, dass der Klägerin das Währungsrisiko (ihres Fremdwährungskredits) spätestens Ende 2012 bewusst wurde. Auch aus der (vom Erstgericht festgestellten) Mitteilung des Beklagten, sie könne das Risiko durch Konvertierung in den Euro bzw durch Sondertilgungen reduzieren, habe die Klägerin erkennen können, dass das Gesamtkonzept ihren Vorstellungen und allenfalls den Zusagen des Beklagten nicht entspreche.
1.2. Das Berufungsgericht hat also aus den Feststellungen des Erstgerichts den Schluss auf eine Tatsache, nämlich auf den Zeitpunkt, in dem der Klägerin das Währungsrisiko spätestens bewusst war, gezogen und keine rechtliche Beurteilung getroffen (RIS-Justiz RS0043418). Selbst dann, wenn das Berufungsgericht aus den erstgerichtlichen Feststellungen andere tatsächliche (und nicht nur andere rechtliche) Schlüsse zieht als das Erstgericht, wäre eine Beweiswiederholung oder Beweisergänzung nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0118191 [T1]).
1.3. Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen sind mit Revision nicht bekämpfbar (§ 503 ZPO; RIS-Justiz RS0042903 [T2]; RS0069246 [T2]).
Im Hinblick auf den vom Berufungsgericht aus den Feststellungen des Erstgerichts gezogenen Tatsachenschluss sind Feststellungen zum Bildungsstand der Klägerin nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen bekämpfen die Ausführungen zu angeblichen Feststellungsmängeln aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung in Wahrheit die nicht revisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen.
2.1. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt nach dem Wortlaut des Gesetzes mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RISJustiz RS0034366 [T3, T 6]). In gewissem Umfang wird aber dann eine Erkundigungsobliegenheit angenommen (RISJustiz RS0034686 [T12]), wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RISJustiz RS0034524 [T21]; RS0034366 [T20]). Diese Erkundigungspflicht darf nicht überspannt werden (2 Ob 41/13p; RISJustiz RS0034327). Sie setzt regelmäßig deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt voraus. Es bedarf konkreter Verdachtsmomente, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RISJustiz RS0034327 [T21]).
2.2. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich mit der Kenntnis des Primärschadens, auch wenn die Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann und ihr nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind, sodass nur eine Feststellungsklage möglich ist (RIS-Justiz RS0087615).
2.3. Nach gefestigter Rechtsprechung liegt der Primärschaden im Fall einer fehlerhaften Anlageberatung bereits darin, dass sich das Vermögen des Anlegers wegen einer Fehlinformation des Schädigers anders zusammensetzt als es bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters der Fall wäre. Ein Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung ist also schon durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten (RIS-Justiz RS0022537 [T22, T 24]; RS0129706 [T3]).
Demnach liegt der Primärschaden im vorliegenden Fall bereits im Abschluss der Fremdwährungskredite samt den dazugehörigen Verträgen über die Tilgungsträger (vgl 6 Ob 153/15s).
2.4. Für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB bei Beratungsfehlern in Bezug auf Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepte, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsehen, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entscheidend, zu welchem Zeitpunkt die Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept den Zusagen nicht entspricht (RISJustiz RS0034951 [T38]). Die Risikoträchtigkeit eines Gesamtkonzepts liegt jedenfalls dann vor, wenn sich dieses rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensminderung im Vergleich zur (herkömmlichen) Tilgung des Darlehens entwickeln konnte (7 Ob 56/15h mwN).
2.5. Zu welchem Zeitpunkt die Klägerin konkret Kenntnis vom Primärschaden erlangte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0113916 [T1]). Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klägerin nach der Lage des Falls Ende 2012, als ihr spätestens das Währungsrisiko bewusst wurde, hätte erkennen müssen, dass das Gesamtkonzept nicht ihren Vorstellungen und allenfalls den Zusagen des Beklagten entsprach, ist jedenfalls vertretbar.
2.6. Insofern die Revisionswerberin Arglist und Beschwichtigungsversuche des Beklagten geltend macht, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab. Der Beklagte hat die Klägerin gerade nicht beschwichtigt, sondern ihr wegen des Währungsrisikos eine Konvertierung vorgeschlagen. Eine Konvertierung oder Sondertilgungen lehnte die Klägerin aber ab, weil es ihr um die Erhaltung der Liquidität ging.
2.7. Abgesehen davon, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 249/01w die schadenersatzrechtliche Haftung eines Sachverständigen betrifft, ist aus ihr für die Klägerin nichts zu gewinnen. Stört den Anleger das ungewollte – und nunmehr erkannte – Risiko, so soll er nach der Rechtsprechung seine Ansprüche umgehend geltend machen (6 Ob 153/15s = RIS-Justiz RS0087615 [T7]).
Der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die dreijährige Verjährungsfrist bei Klagseinbringung am abgelaufen war, ist deshalb nicht entgegenzutreten.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00061.17V.1220.000 |
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