OGH vom 11.10.2016, 10Ob61/16t

OGH vom 11.10.2016, 10Ob61/16t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Tarmann Prentner sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Jürgen Zouplna, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Stolitzka Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen (restlich) 175.000 EUR, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 38 R 82/14m 48, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Nach den Feststellungen sollten für die Aufgabe von Mietrechten an – in einem Wiener Palais gelegenen – Bestandobjekten zwei Zahlungen der beklagten Gesellschaft fließen und zwar eine Zahlung von 175.000 EUR an den damaligen Geschäftsführer der (nunmehr) klagenden Gesellschaft persönlich für den Fall, dass er namens der klagenden Gesellschaft einen Vertrag über die Auflösung der Bestandverhältnisse mit der beklagten Gesellschaft abschließen sollte, und ein zweiter Betrag von (weiteren) 175.000 EUR an die klagende Gesellschaft für ihren Aufwand durch Übersiedlung und Adaption, wenn die Mietobjekte tatsächlich geräumt übergeben worden sind. Die Zahlung der „ersten“ 175.000 EUR wurde erbracht. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die „zweiten“ 175.000 EUR, die an die nunmehr klagende Gesellschaft zu leisten sind, sowie die compensando eingewendete Gegenforderung für Mietentgang und Schadenersatzansprüche infolge behaupteter Mängel am Bestandobjekt. (Das verbundene Verfahren 10 C 382/12a betreffend die Rückzahlung des von der beklagten Partei einbehaltenen Anteils an der Kaution in Höhe von 20.856,36 EUR ist mittlerweile rechtskräftig erledigt.)

Die Vorinstanzen stellten fest, dass das Klagebegehren mit 175.000 EUR zu Recht sowie die Gegenforderung nicht zu Recht besteht, und gaben dem Klagebegehren statt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist unzulässig:

1. Die geltend gemachten

Mängel des Berufungsverfahrens wurden

geprüft; sie liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner näheren Begründung. Den Revisionsausführungen ist nur kurz entgegenzuhalten, dass sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge zur Frage, ob den Repräsentanten der beklagten Partei vor Abschluss der Rückstellungsvereinbarung über die Bestandobjekte der Zustand der Verkabelung am Dachboden („fliegend“ verlegte Datenleitungen ohne ordentliche Befestigung und ohne Zugentlastungen, Fehlen der Abdeckungen an den Kabeltassen etc) bekannt war, sehr wohl befasst und dazu nachvollziehbare Überlegungen festgehalten hat. Ein Mangel des Berufungsverfahrens läge nur vor, wenn das Berufungsgericht auf die Beweisfrage überhaupt nicht eingegangen wäre (RIS Justiz RS0043162 [T2, T 3, T 4]); eine – nach Ansicht der Revisionswerberin – mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren aber nicht angefochten werden (RIS Justiz RS0043371).

2. Die auf den Gesamtumständen des Einzelfalls beruhende Auslegung der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung über die vorzeitige Auflösung der Mietverträge stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS Justiz RS0042936; RS0044358). Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, die Vereinbarung der „ordnungsgemäßen Rückgabe des Mietobjekts im bekannten und besichtigten Zustand“ gegen Zahlung von 175.000 EUR im Zusammenhang mit der Einschränkung der Kautionsverwendung auf „nach der Besichtigung hinzugekommene Mängel“ sei dahin auszulegen, dass der (mangelhafte, nicht dem Stand der Technik entsprechende) Zustand der Elektro- und Datenleitungen im Zeitpunkt der Besichtigung als von der beklagten Partei genehmigt gelte und die beklagte Partei auf Ansprüche nach den §§ 1109 und 1111 ABGB verzichtet habe, stellt dies jedenfalls kein unvertretbares Auslegungsergebnis dar. Dass das Berufungsgericht von den allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen abgewichen wäre und ihm ein grober Auslegungsfehler oder eine sonstige krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Eine „Besichtigungsklausel“ deckt jene Mängel ab, die durch ordnungsgemäße Untersuchung erkennbar sind (RIS Justiz RS0108027), was auf den festgestellten Zustand der Verkabelung zutrifft. Der Begriff „ordnungsgemäß“ muss nicht bedeuten, dass das Bestandobjekt mit mängelfreien elektrischen Anlagen zurückzustellen ist, sondern ist von den Vertragsparteien dahin konkretisiert worden, dass die Übergabe im bekannten und besichtigten Zustand als „ordnungsgemäß“ anzusehen sei. Soweit den Revisionsausführungen zugrunde gelegt wird, dass an der Elektroanlage lediglich verdeckte Mängel gegeben waren, wird vom festgestellten Sachverhalt abgewichen.

3. Auch indem die Revisionswerberin an ihrem (erstmals in der Berufung erstatteten) Vorbringen festhält, die Vereinbarung über die Zahlung von 175.000 EUR an den Geschäftsführer persönlich sei infolge Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr (§§ 82 f GmbHG) nichtig, weil dieser sich als „indirekter Alleingesellschafter“ der klagenden Gesellschaft für eine Leistung dieser Gesellschaft eine persönliche Zahlung versprechen habe lassen, zeigt sie keine für das vorliegende Verfahren relevante Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Wie eingangs bereits festgehalten, ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ausschließlich die Vereinbarung über die an die klagende Gesellschaft zu leistenden („zweiten“) 175.000 EUR. Von Amts wegen – somit bereits im erstinstanzlichen Verfahren – wäre eine Nichtigkeit der mit dem Geschäftsführer persönlich abgeschlossenen Vereinbarung infolge Verstoßes gegen § 82 GmbHG nur wahrzunehmen gewesen, wenn Anzeichen für einen derartigen Verstoß vorgelegen wären (RIS Justiz RS0117033) und sich daraus Auswirkungen auf das Bestehen des verfahrensgegenständlichen (gegen die beklagte Gesellschaft gerichteten) Anspruchs auf 175.000 EUR ergeben hätten. Unter der Annahme, die Vereinbarung über die an den Geschäftsführer persönlich zu leistenden 175.000 EUR hätte gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, hätte die Gesellschaft einen Rückgewährungsanspruch gegen den Gesellschafter (§ 83 Abs 1 GmbHG) und wären Dritte bei Kollusion und grober Fahrlässigkeit rückgabepflichtig (RIS Justiz RS0105536). Wenn das Berufungsgericht im Hinblick auf diese Rechtslage davon ausging, selbst unter der Annahme des behaupteten Verstoßes gegen § 82 GmbHG wäre nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der verfahrensgegenständlichen Vereinbarung über die an die klagende Partei nach Räumung des Bestandobjekts zu leistenden 175.000 EUR keine Geltung mehr zukommen sollte, ist dies nicht zu beanstanden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.

Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00061.16T.1011.000