OGH vom 05.07.1988, 10ObS150/88
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso (Arbeitgeber) und Walter Hartl (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria R***, ohne Beruf, 5020 Salzburg, Schmidingerstraße 8, vertreten durch Dr. Alfred Ebner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 1108/87-16, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 40 Cgs 33/87-12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Ehegatte der Klägerin verstarb am . Mit Bescheid vom wies die beklagte Partei den am gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung der Witwenpension mit der Begründung ab, daß weder gemäß § 233 noch gemäß § 532 Abs. 2 ASVG Versicherungsmonate anrechenbar seien und demnach auch die Wartezeit gemäß § 236 ASVG nicht erfüllt und die Dritteldeckung gemäß § 237 ASVG nicht gegeben sei.
Am stellte die Klägerin einen neuen Antrag auf Gewährung der Witwenpension, den die beklagte Partei mit Bescheid vom im wesentlichen mit derselben Begründung wie im ersten Bescheid und mit dem zusätzlichen Hinweis, daß die durch die
40. ASVGNov. geschaffene Rechtslage nicht anzuwenden sei, abwies. Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Witwenpension gerichtete Klagebegehren ebenfalls ab. Die Bestimmungen der
40. ASVGNov. seien nicht anzuwenden, weil der Stichtag gemäß § 223 Abs. 2 ASVG unverändert der dem Todestag folgende Monatserste sei und daher nicht nach dem liege. Dies wäre aber gemäß Art. IV Abs. 2 der 40. ASVGNov. Voraussetzung dafür, daß die hiedurch geschaffene Rechtslage berücksichtigt werden könnte. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes infolge Berufung der Klägerin mit Rechtskraftvorbehalt auf. Die Klägerin habe aufgrund des Art. IV Abs. 5 der 40. ASVGNov. das Recht, neuerlich die Gewährung der Witwenpension zu beantragen. Aufgrund eines solchen Antrags müsse geprüft werden, ob zu dem für den Stichtag maßgebenden Zeitpunkt des Todes des Ehegatten der Klägerin die in der 40. ASVGNov. neu geregelten Voraussetzungen der Wartezeit erfüllt gewesen seien. Hiezu seien aber Feststellungen über die vom Ehegatten der Klägerin erworbenen Versicherungs- und Beitragsmonate notwendig.
Rechtliche Beurteilung
Der von der beklagten Partei gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist berechtigt.
Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung auf Art. IV Abs. 5 der 40. ASVGNov., BGBl. 1984/484. Nach dieser Bestimmung gebührt Personen, die erst aufgrund der Bestimmungen der §§ 235 und 236 ASVG idF der Novelle Anspruch auf eine Leistung aus der Pensionsversicherung erhalten, diese Leistung ab , wenn der Versicherungsfall und die besonderen Anspruchsvoraussetzungen vor dem eingetreten sind und der Antrag bis gestellt wird, sonst ab dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten.
Die Anwendung der angeführten Bestimmung setzt also voraus, daß die in Betracht kommenden Personen aufgrund der §§ 235 und 236 ASVG idF der 40. ASVGNov. Anspruch auf eine Leistung aus der Pensionsversicherung haben. Hiezu wird aber im Art. IV Abs. 2 der
40. ASVGNov. bestimmt, daß die durch die Novelle geschaffene Fassung der §§ 235 und 236 ASVG nur auf Versicherungsfälle anzuwenden ist, in denen der Stichtag nach dem liegt. Nur in solchen Fällen kommt daher die angeführte Übergangsregelung zum Tragen. Liegt hingegen der Stichtag vor dem , so kann ein Anspruch nach den §§ 235 und 236 ASVG idF der 40. ASVGNov. nicht entstehen und es ist daher in solchen Fällen für die Anwendung des Art. IV Abs. 5 der 40. ASVGNov. kein Raum.
Diese Ansicht findet eine eindeutige Stütze in den Gesetzesmaterialien. Art. IV Abs. 5 erhielt die geltende Fassung im Ausschuß für soziale Verwaltung, wo gegenüber der Regierungsvorlage (s. 327 BlgNR 16.GP) die Wörter "(wenn) der Versicherungsfall und die besonderen Anspruchsvoraussetzungen vor dem eingetreten sind und" eingeführt wurden. Hiezu heißt es im Ausschußbericht (390 BlgNR 16.GP 6): "Die vorgeschlagene Änderung dient der Klarstellung, daß sich das Übergangsrecht auf Fälle bezieht, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Pensionsreform eingetreten sind, und bei denen der Stichtag nach diesem Zeitpunkt liegt. Bei Versicherungsfällen des Todes, die vor dem Wirksamkeitsbeginn des ASVG liegen, wird hiebei von der Stichtagsregelung des ASVG auszugehen sein." Die Absicht des Gesetzgebers ging also eindeutig dahin, die Übergangsregelung nur für Versicherungsfälle zu schaffen, bei denen der Stichtag nach dem Wirksamkeitsbeginn der Pensionsreform ( gemäß Art. IX Abs. 1 der 40. ASVGNov.; genauer: nach dem ) liegt, wobei aus dem Ausschußbericht auch hervorgeht, daß für Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes nichts anderes gilt.
Die von der Klägerin in der Berufung und in der Rekursbeantwortung vertretene und vom Berufungsgericht geteilte Auffassung, daß aus Art. IV Abs. 5 der 40. ASVGNov. ein Anspruch auf Hinterbliebenenpension auch für Fälle abgeleitet werden könne, in denen der Stichtag vor dem liegt, entspricht daher weder dem Wortlaut des Gesetzes noch der aus dem Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung hervorgehenden Absicht des Gesetzgebers. Es kann ihr deshalb nicht gefolgt werden.
Ist der Versicherungsfall vor dem eingetreten, so führt die dargestellte Rechtslage allerdings dazu, daß nur für Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit ein Anspruch aufgrund der 40. ASVGNov. entstehen kann, während dies bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes nicht möglich ist. Der Oberste Gerichtshof vermag jedoch nicht zu erkennen, warum es sachfremd sein sollte, daß der Gesetzgeber nur für die dem Versicherten selbst und nicht auch für die seinen Hinterbliebenen gebührenden Leistungen die Möglichkeit eröffnete, den Anspruch aufgrund der Bestimmungen der 40. ASVGNov. zu erwerben. Es handelt sich dabei um rechtspolitische Gesichtspunkte, die den Rahmen der dem einfachen Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit (vgl. hiezu VfSlg. 9583 mwN) nicht übersteigen. Der von der Klägerin behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt daher nicht vor. Noch weniger kommt eine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter in Betracht, dessen Inhalt die Klägerin mißversteht. Es ist nämlich in erster Linie nur für den Bereich der Vollziehung von Bedeutung, eine gesetzliche Regelung macht es hingegen nur in Ausnahmefällen verfassungswidrig (vgl. hiezu Adamovich-Funk, Verfassungsrecht3 398 und Walter-Mayer, Verfassungsrecht6 Rz 1406 f je mN aus der Rechtsprechung des VfGH). Ein einem solchen Ausnahmefall vergleichbarer Sachverhalt liegt hier aber nicht vor. Der Oberste Gerichtshof teilt daher die von der Klägerin in der Rekursbeantwortung gegen die Verfassungsmäßigkeit des Art. IV Abs. 2 der 40. ASVGNov. geäußerten Bedenken nicht und sieht sich deshalb nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag zu stellen, auf Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung zu erkennen. Hier ist zwischen den Parteien nicht strittig, daß sich der Stichtag für den Anspruch der Klägerin nach dem Tag des Todes ihres Ehegatten richtet und daher vor dem liegt. Dies entspricht auch dem eindeutigen Wortlaut des § 223 Abs. 2 ASVG. Damit kann ihr aber nach dem Gesagten aufgrund der durch die 40. ASVGNov. geschaffenen Rechtslage ein Anspruch auf Witwenpension nicht zustehen. Da schon rechtskräftig darüber entschieden wurde, daß nach der früheren Rechtslage ein Anspruch nicht besteht, bedarf es somit nicht der dem Erstgericht vom Berufungsgericht aufgetragenen Feststellungen über die vom Ehegatten der Klägerin erworbenen Versicherungszeiten. Die Sache ist vielmehr schon im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens zur Entscheidung reif, weshalb gemäß § 2 Abs. 1 ASGG iVm § 519 Abs. 2 letzter Satz ZPO das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen war.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG. Da der Klägerin der Rechtsanwalt, der sie vertrat, im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegeben wurde, erfordert die Billigkeit den Zuspruch von Kosten nicht (SSV-NF 1/19).