OGH vom 23.01.2018, 10ObS150/17g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Christian StanglBrachnik, MA BA und Mag. Claudia Gründel (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 37/17s11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 43 Cgs 113/17p7, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung der Vorinstanzen wird dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten hat wie folgt:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei von bis eine monatliche Ausgleichszulage in Höhe von 85,34 EUR und ab eine monatliche Ausgleichszulage in Höhe von 85,40 EUR zu gewähren.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.“
Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei einen Kostenbeitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 304,83 EUR (darin enthalten 50,80 EUR USt) sowie einen Kostenbeitrag zu den Kosten des Revisionsverfahrens in Höhe von 209,38 EUR (darin enthalten 34,90 EUR USt) binnen 14 Tagen zu leisten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger bezieht von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern eine Erwerbsunfähigkeitspension samt Ausgleichszulage. Die Ausgleichszulage betrug im August 2016 367,40 EUR. Für ihn ist ein Sachwalter bestellt, der seit 2011 alle Angelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 3 ABGB) zu besorgen hat (siehe den Beschluss des Bezirksgericht V***** vom , 13 P 32/01p-233).
Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom wurde die vorläufige Anhaltung des Klägers nach § 429 Abs 4 StPO in einer Landesnervenklinik angeordnet, weil er in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand versucht hatte, in einem Gebäude eine Feuersbrunst zu verursachen. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom , 222 Hv 68/16m, wurde er gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, wo er seit untergebracht ist.
Am ersuchte die Justizanstalt Graz-Jakomini die beklagte Partei die „nach dem Anspruchsübergang gemäß § 324 Abs 4 ASVG erfassten Beträge“ des gemäß § 21 Abs 1 StGB untergebrachten Klägers auf ein bestimmtes Konto zu überweisen.
Aus Anlass dieses Schreibens stellte die Beklagte mit Bescheid vom die zuvor mit brutto 367,40 EUR festgestellte Ausgleichszulage des Klägers ab mit 85,34 EUR und ab mit 85,40 EUR mit der Begründung neu fest, dass im Hinblick auf die volle freie Station des Klägers in der Landesnervenklinik und in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ein Sachbezug von 284,43 EUR auf die Ausgleichszulage anzurechnen sei.
Mit (rechtskräftigem) Bescheid vom sprach die beklagte Partei im Übrigen aus, dass ab bis zu 80 % des Pensionsanspruchs des Klägers auf die Justizanstalt Graz-Jakomini übergehen und der Anspruch auf Pflegegeld ruht.
Mit der – ausdrücklich – ausschließlich gegen den Bescheid vom gerichteten Klage begehrt der Kläger die Weitergewährung der Ausgleichszulage in Höhe von 369,72 EUR, somit ohne Anrechnung eines Sachbezugs für die freie Station. Dem Umstand, dass durch die Anstaltsunterbringung sein Lebensbedarf weitgehend gedeckt sei, werde dadurch Rechnung getragen, dass gemäß § 173 Abs 3 und Abs 4 BSVG 80 % seiner Pension inklusive Zuschlägen und Zulagen zur teilweisen Kostendeckung des Anstaltsaufenthalts herangezogen würden. Dem § 140 Abs 3 BSVG werde durch die Spezialregelung des § 173 Abs 3 und 4 BSVG derogiert und die Bestimmung komme daher im Fall einer Anstaltsunterbringung gemäß § 21 Abs 1 StGB nicht zur Anwendung. Mit der sogenannten „80 %/20 % Teilung“ sei dem Umstand einer Heim- oder Anstaltsunterbringung und der damit verbundenen Deckung des Lebensbedarfs abschließend Rechnung getragen. Weitere Anrechnungen oder Abzüge sehe der Gesetzgeber nicht vor. Würde zugleich die bisher gewährte Ausgleichszulage um den Sachbezug des Werts der freien Station reduziert (§ 140 Abs 3 BSVG), käme es bei einer Anstaltseinweisung zu einer „doppelten“ Reduktion der Ausgleichszulage.
Die Beklagte wendete dagegen zusammengefasst ein, sowohl im Fall der Untersuchungshaft als auch im Fall der Anhaltung bzw der späteren Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher komme es zu keinem Ruhen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche. Allerdings erhalte der Kläger als eine in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebrachte Person Sachbezüge, die der vollen freien Station gleichzuhalten und bei Berechnung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen seien. Regelungsgegenstand des § 173 BSVG sei ein Anspruchsübergang, weshalb es sich nicht um eine lex specialis zu den Bestimmungen betreffend die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage gemäß den §§ 140 ff BSVG handle.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Sowohl dem Häftling in der Untersuchungshaft als auch dem Maßnahmepatienten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher fließen Sachbezüge zu, die als freie Station zu werten und als augsleichszulagenmindernd zu berücksichtigen seien. Der Zweck der Ausgleichszulage liege in der Sicherung des Existenzminimums, nicht aber darin, die Ansparung eines Vermögens zu ermöglichen. Zur behaupteten Doppelberücksichtigung sei auf § 324 ASVG zu verweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es änderte das Ersturteil dahin ab, dass dem Kläger vom 1. bis (Zeitraum der Anhaltung nach § 429 Abs 4 StPO) eine monatliche Ausgleichszulage von 85,34 EUR und ab (Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB) die Ausgleichszulage in Höhe von 369,72 EUR monatlich zuerkannt wurde. Das Mehrbegehren auf Gewährung einer 85,34 EUR monatlich übersteigenden Ausgleichszulage für den Zeitraum 1. 9. bis wurde abgewiesen. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, der Erhalt von Kost und Logis auf Kosten des Bundes im Rahmen einer Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB vermindere nicht die Leistungspflicht der beklagten Partei. Vielmehr habe diese gemäß § 173 Abs 3 BSVG 80 % der Pension zuzüglich Zulagen und Zuschlägen
– somit auch zuzüglich der Ausgleichszulage – zur teilweisen Deckung der Verpflegskosten derjenigen Anstalt auszuzahlen, in der der Kläger untergebracht sei. § 173 Abs 4 iVm 3 BSVG stehe zu den Vorschriften über den Anspruch auf Ausgleichszulage (§ 140 Abs 3 ASVG) im Verhältnis der Spezialität. Ab dem Zeitpunkt seiner Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher am habe der Kläger demnach Anspruch auf Pension und Ausgleichszulage ohne Anrechnung des Sachbezugs der vollen freien Station. Für den davor gelegenen Zeitraum der Unterbringung nach § 429 Abs 4 StPO in einer Krankenanstalt von bis bestehe hingegen keine gesetzliche Grundlage für eine Legalzession, sodass eine Anrechnung der vollen freien Station gerechtfertigt sei.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob auf die Ausgleichszulage eines nach § 21 Abs 1 StGB untergebrachten Pensionsberechtigten ungeachtet der Legalzession des § 173 Abs 4 BSVG der Sachbezug der vollen freien Station anzurechnen ist, noch nicht befasst habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei, soweit damit das erstinstanzliche Urteil abgeändert wurde (somit gegen den Zuspruch einer monatlichen Ausgleichszulage ab in monatlicher Höhe von 369,72 EUR).
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist (im Ergebnis – siehe unter Pkt 6) auch berechtigt.
1.1 Gemäß § 54 Abs 1 Z 1 BSVG (§ 89 Abs 1 Z 1 ASVG) ruhen die Leistungsansprüche unter anderem in der Pensionsversicherung, solange der Anspruchsberechtigte eine Freiheitsstrafe verbüßt. Begründet wird diese Rechtsfolge vor allem damit, dass für die Dauer einer Strafhaft die Versorgung des Anspruchsberechtigten aus öffentlichen Mitteln in anderer Weise sichergestellt ist (10 ObS 83/13y, SSV-NF 27/53 mwN ua; RIS-Justiz RS0083756).
1.2 § 54 Abs 1 Z 1 BSVG und § 89 Abs 1 Z 1 ASVG normieren das Ruhen der Leistungsansprüche auch für den Fall der Anhaltung in den Fällen der §§ 21 Abs 2, 22 und 23 StGB in einer der dort genannten Anstalten. Für den Fall der Unterbringung einer Person in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ist das Ruhen der Leistungsansprüche nicht vorgesehen, weil es sich um einen Maßnahmevollzug bei Straflosigkeit der Anlasstat aufgrund eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands handelt, dieser Anhaltung also der Strafcharakter fehlt (10 ObS 96/13k, SSV-NF 27/56).
2.1 Im Fall der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB gilt § 173 Abs 3 und 4 BSVG, nach dem es zur Legalzession einer Rente oder Pension einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge kommt (siehe auch die gleichlautenden Bestimmungen in § 324 Abs 3 und 4 ASVG sowie in § 185 Abs 3 und 4 GSVG; RIS-Justiz RS0084938).
Nach § 173 Abs 3 BSVG geht dann, wenn ein Renten-(Pensions-)Berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in bestimmten, näher bezeichneten Einrichtungen untergebracht ist, für die Zeit der Pflege der Anspruch auf Rente bzw Pension einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge bis zur Höhe der Verpflegungskosten, höchstens jedoch bis zu 80 % dieses Anspruchs auf den Träger der Sozialhilfe über. Ist ein Pensionsberechtigter – wie der Kläger – auf Kosten des Bundes in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB untergebracht, ist § 173 Abs 3 BSVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der vom Anspruchsübergang erfasste Betrag dem Bund gebührt und dem Kläger jedenfalls 20 % der Leistung zu verbleiben haben (§ 173 Abs 4 BSVG).
2.2 Der Zweck der Legalzession nach § 173 Abs 4 BSVG liegt darin, zu vermeiden, dass der untergebrachte Bezieher einer Pension oder Rente seinen Unterhalt doppelt, nämlich einmal auf Kosten des Bundes in natura und ein zweites Mal in Form einer Pension (Rente) auf Kosten des Sozialversicherungsträgers erhält. Dem Bundesgesetzgeber soll deshalb ein unmittelbarer Zugriff auf bestimmte Geldleistungen eröffnet werden, die der Deckung eines gewissen Bedarfs dienen, wenn dieser Bedarf ohnedies in einer Anstalt gedeckt wird (10 ObS 96/13k, SSV-NF 27/56; ErläutRV 1084 BlgNR 14. GP 49; Pfeil in SV-Komm [108. Lfg] § 324 ASVG Rz 12).
2.3 Der Anspruchsübergang nach § 173 Abs 3 und 4 BSVG ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft, er tritt „eo ipso“ ein und bedarf also insbesondere keiner Anzeige oder einer sonstigen Erklärung eines der beteiligten Träger (Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm [108. Lfg] § 324 ASVG Rz 27).
3. Dass zu den vom Anspruchsübergang erfassten Zulagen auch die Ausgleichszulage zu zählen ist, wird in der Revision nicht in Frage gestellt. Strittig ist aber, ob die Formulierung „einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge“ so zu verstehen ist, dass es zu einem Übergang auch der Ausgleichszulage (im Ausmaß von 80 %) in der zum Zeitpunkt der Legalzession aktuell gegebenen Höhe, also ohne Reduktion infolge Anrechnung der in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gewährten „freien Station“ als Sachleistung kommt oder nicht.
3.1 Aus den Gesetzesmaterialien zum BSVG lässt sich dazu nichts ableiten; auch nicht aus den Gesetzesmaterialien zu den im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen des ASVG (§ 292 Abs 3 und § 324 Abs 3 und 4 ASVG).
3.2 Die Beklagte stützt ihren Standpunkt vor allem darauf, dass der Ausgleichszulage im Hinblick auf ihre fürsorgeähnlichen Züge nur subsidiärer Charakter zukommt. Sie soll nur so weit gewährt werden, als nicht andere gesetzliche Versorgungsansprüche bestehen (RIS-Justiz RS0009523). In das Nettoeinkommen sind daher sämtliche Einkünfte in Geld und Geldeswert einzubeziehen (siehe § 140 Abs 3 BSVG). Der – § 140 Abs 4 BSVG fast zur Gänze wörtlich entsprechende – Ausnahmenkatalog des § 292 Abs 4 ASVG zählt die bei der Ermittlung des Nettoeinkommens außer Betracht zu lassenden Einkünfte taxativ auf (RIS-Justiz RS0086707, RS0085360 [T3]), weshalb alle darin nicht genannten Bezüge in Geld oder Geldeswert zum Einkommen zählen, soweit nicht anderswo diesbezüglich etwas anderes bestimmt wird.
3.3 Im Hinblick auf diesen umfassenden Einkommensbegriff sind auch Sachbezüge mit Versorgungscharakter bei der Berechnung der Ausgleichszulage anzurechnen (§ 140 Abs 3 Satz 2 BSVG). Auch derjenige, der über eine freie Station verfügt, spart den dafür notwendigen Geldaufwand und wäre bei Nichtberücksichtigung im Gesamteinkommen wirtschaftlich besser gestellt, als eine andere Person, die über keinen solchen Sachbezug verfügt (10 ObS 36/12k).
4. Der im Rahmen einer Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB tatsächlich gewährte – einem Sachbezug für Unterkunft und Verpflegung jedenfalls gleich zuhaltende – Sachbezug ist in § 140 Abs 4 BSVG nicht enthalten.
Zu beurteilen ist, ob dieser Sachbezug aus diesem Grund als sonstiges Einkommen gilt, das von vornherein bei der Bemessung der Höhe der Ausgleichszulage – vor der Legalzession – zu berücksichtigen ist (Standpunkt der Beklagten), oder ob diese Vorwegberücksichtigung durch die in § 173 Abs 3 und 4 BSVG angeordnete Legalzession verhindert wird (Standpunkt des Klägers).
5. Die Legalzession nach § 173 Abs 3 und 4 BSVG steht aber aus folgenden Überlegungen einer Vorwegberücksichtigung des Sachbezugs der „freien Station“ in der Anstalt nach § 21 Abs 1 StGB entgegen:
Die Wirkung der Legalzession besteht – wie bei jeder Vollzession – im Wechsel der Rechtszuständigkeit hinsichtlich des betroffenen Teils des Pensionsanspruchs vom Zedenten (dem Pensionsberechtigten) auf den Zessionar (Sozialhilfeträger bzw Bund), der insoweit an die Stelle des bisherigen Berechtigten tritt, wobei der übergegangene Anspruchsteil inhaltlich unberührt bleibt (10 ObS 298/89). Der Anspruchsübergang nach § 173 Abs 3 und 4 BSVG ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft, tritt also „eo ipso“ ab dem Zeitpunkt des Beginns der Unterbringung für die Zeit der Unterbringung ein. Dadurch ist die Gewährung der Sachbezüge aber nicht mehr „frei“, denn der Bund erhält ex lege einen Großteil der Pensionsleistung samt Zulagen. Dies spricht dafür, die Formulierung „einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge“ nach dem Willen des Gesetzgebers so zu verstehen, dass es zu einem Übergang der Ausgleichszulage in der zum Zeitpunkt der Wirkungen der Legalzession aktuellen Höhe kommt, ohne dass vorweg ein Sachbezug für die während der Unterbringung in der Anstalt gewährte Unterkunft und Verpflegung angerechnet wird. Mit anderen Worten erhält der Bund dafür, dass er im Rahmen der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB Leistungen (unter anderem für Unterkunft, Verpflegung) erbringt, als Ausgleich im Wege der Legalzession sofort 80 % der dem Untergebrachten zustehenden Pension samt Zuschlägen und Zulagen.
Mit diesem Verständnis steht die Vorgangsweise der Beklagten, nach Kenntniserlangung von der Unterbringung des Klägers in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, die Höhe der Ausgleichszulage infolge des Sachbezugs für freie Station neu festzusetzen, nicht in Einklang.
6.1 Zum Urteilsspruch ist Folgendes auszuführen:
Infolge der von § 173 Abs 3 und 4 BSVG angeordneten Zession tritt ein Wechsel der Rechtszuständigkeit hinsichtlich des davon betroffenen Teils von 80% des Renten-(Pensions-)bezugs samt Zulagen vom Kläger auf den Bund ein, der insoweit an die Stelle des Klägers tritt (10 ObS 298/89, SSV-NF 4/89).
Der Bund ist damit in die Rechte des Klägers eingetreten und könnte die Zuerkennung (Erhöhung) von Leistungen im Verfahren in Leistungssachen beantragen (RIS-Justiz RS0109546). Der Kläger hat ab Eintritt der Wirkungen der Legalzession nur mehr Anspruch auf 20 % der Ausgleichszulage. Soweit sein Klagebegehren auf einen 20 vH übersteigenden Prozentsatz gerichtet ist, mangelt es ihm an der Aktivlegitimation und war sein Klagebegehren abzuweisen.
6.2 In dem angefochtenen Bescheid ist diese, sich aus der Legalzession ergebende Situation unberücksichtigt geblieben.
Nach § 71 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 ASGG ist dem Versicherungsträger im gerichtlichen Verfahren aber die Bestreitung des von ihm im bekämpften Bescheid zuerkannten Anspruchs bzw Anspruchsteils verwehrt, indem das Gesetz die zwingende und nicht ausschließbare Fiktion eines unwiderruflichen Anerkenntnisses vorsieht. Im Hinblick darauf, dass der urteilsmäßige Zuspruch insgesamt im gerichtlichen Verfahren nicht schlechter sein darf, als der im Bescheid festgelegte, war dem Kläger daher nicht nur der 20%ige Anteil der Ausgleichszulage (73,48 EUR) zuzusprechen, sondern die im Bescheid als unwiderruflich anerkannt anzusehende Leistungsverpflichtung in Höhe von 85,40 EUR von Amts wegen in den Urteilsspruch aufzunehmen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Obzwar der Kläger mit der Klage letztlich nicht mehr erreicht hat, als die beklagte Partei in ihrem Bescheid zugesprochen hatte, entspricht es der Billigkeit ihm im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls und den Umstand, dass seine Einkommensverhältnisse einen Kostenersatz nach Billigkeit nahelegen, die Hälfte der Kosten der Berufungsschrift und der Revisionsbeantwortung zuzusprechen (RISJustiz RS0085871). Der verzeichnete Streitgenossenzuschlag gebührt nicht.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00150.17G.0123.000 |
Schlagworte: | ;Sozialrecht; |
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