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VfGH vom 27.09.1994, B1855/93

VfGH vom 27.09.1994, B1855/93

Sammlungsnummer

13857

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung des Antrags einer Gesellschaft mbH auf Ausstellung einer Negativbestätigung gemäß § 3 Abs 1 lita Tir GVG 1983; verfassungskonforme Annahme des Vorliegens eines nichtigen Umgehungsgeschäftes; keine Bedenken gegen die Zusammensetzung der Grundverkehrsbehörden (Hinweise auf die Vorjudikatur)

(Ebenso: B167/94 ua und B233/94, beide E v ).

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Leutasch; laut Gesellschaftsvertrag vom stehen 51% dieser Gesellschaft im Eigentum einer im Jahre 1921 geborenen österreichischen Staatsbürgerin, 49% wurden von einer im Jahre 1923 geborenen deutschen Staatsangehörigen übernommen. Am erging ein bis befristetes Anbot der österreichischen Staatsbürgerin, ihren Geschäftsanteil der deutschen Gesellschafterin abzutreten.

Mit Kaufverträgen vom erwarb die beschwerdeführende Gesellschaft zwei Grundstücke in Leutasch im Ausmaß von insgesamt rund 3.600 m2. Mit Bescheid vom stellte die Grundverkehrsbehörde Leutasch über Antrag gemäß § 2 Abs 1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), fest, daß diese Rechtserwerbe nicht den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen, weil sich die Grundstücke im Bauland befänden und es sich bei der beschwerdeführenden Gesellschaft um eine österreichische Gesellschaft iS des GVG 1983 handle.

2. Auf Grund der dagegen vom Landesgrundverkehrsreferenten fristgerecht erhobenen Berufung behob die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung nach einem ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren sowie einer mündlichen Berufungsverhandlung mit Bescheid vom den Bescheid der Grundverkehrsbehörde I. Instanz wegen Unzuständigkeit und wies den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß § 6 Abs 1 AVG iVm. § 3 Abs 1 GVG 1983 zurück. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß von einer Umgehung des GVG 1983 auszugehen sei. Die von der Grundverkehrsbehörde iS des § 38 AVG zu beurteilende Vorfrage, ob der zur grundverkehrsbehördlichen Genehmigung vorgelegte Rechtsvorgang überhaupt geeignet sei, einen Rechtserwerb nach § 3 Abs 1 GVG 1983 zu bewirken, sei unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände zu verneinen, vielmehr lägen iS des § 879 ABGB nichtige Umgehungsgeschäfte vor. Die beteiligten Parteien hätten im Wissen, daß auf Grund der Anzahl von rund 15% ausländischer Grundeigentümer in der Gemeinde Leutasch ein weiterer Grunderwerb durch Ausländer nicht mehr hätte genehmigt werden können, die beschwerdeführende Gesellschaft gegründet, um der als Geschäftsführerin agierenden deutschen Gesellschafterin die Verfügungsgewalt über die beiden Grundstücke in Leutasch zu verschaffen. Auch mit dem Vorbringen des Rechtsfreundes der beschwerdeführenden Gesellschaft in der Berufungsverhandlung, beide Gesellschafterinnen hätten ihre Geschäftsanteile mit Ausnahme von insgesamt 5% mit Abtretungsvertrag vom einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - die eben diesem Rechtsfreund und seiner Ehegattin gehöre -, abgegeben, sei nichts gewonnen. Vielmehr handle es sich geradezu um einen klassischen Fall der Umgehung des GVG 1983 im Wege des sogenannten "Ges.m.b.H.-Modells".

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung gesetzwidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde (s. §§28 und 40 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993) hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft trägt Bedenken gegen § 1 Abs 1 Z 2 GVG 1983 vor, weil diese Bestimmung "dem Entscheidungsträger offensichtlich einen Entscheidungsspielraum einräumt, der gegen das Legalitätsprinzip verstößt".

Ungeachtet der Frage, ob diese Bestimmung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Anwendung gelangte, teilt der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken nicht (vgl. VfSlg. 10993/1986, 13032/1992).

1.1.2. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Rechtsvorschriften trägt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden (vgl. insbesondere zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 3 Abs 1 lita GVG 1983 zB VfSlg. 13164/1992, , , B517/93, uva.).

1.2.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet weiters, die Zusammensetzung der belangten Behörde entspreche nicht den Erfordernissen eines Tribunals iS des Art 6 Abs 1 EMRK. Auch wenn deren Mitglieder weisungsfrei gestellt worden seien, sei eine persönliche Unabhängigkeit auf Grund der organisationsrechtlichen Beziehung zum Amt der Tiroler Landesregierung nicht gegeben, welche die Mitglieder ernenne und weiterbestelle.

1.2.2. Hiezu genügt es, auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10639/1985 und 12126/1989 zu verweisen; in diesen Erkenntnissen wurden die Bestimmungen des GVG 1983 betreffend die Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch angesichts des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, ein Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art 140 B-VG einzuleiten (vgl. auch zB ).

1.3. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird zum einen dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg. 8731/1980, 10022/1984, 11350/1987). Darüberhinaus wird dieses Recht durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).

2.2. Die Behauptung, die belangte Behörde sei nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt gewesen, wird von der beschwerdeführenden Gesellschaft gar nicht weiter begründet. Auch das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren hat nicht ergeben, daß - anders als etwa im Fall VfSlg. 10634/1985 - an der Entscheidung der belangten Behörde ein Mitglied mitgewirkt hätte, dessen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im Hinblick auf ein dienstliches Unterstellungsverhältnis gegenüber einer der Prozeßparteien in Frage stehen würde (vgl. VfSlg. 12126/1989).

2.3. Der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde hätte bei richtiger Würdigung des Sachverhaltes nicht ein Umgehungsgeschäft annehmen dürfen und wäre selbst bei Vorliegen einer mehrheitlich ausländischen Gesellschaft verpflichtet gewesen, dem Rechtserwerb gemäß § 4 Abs 2 GVG 1983 ihre Zustimmung zu erteilen, da dieser nachweislich staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen und kulturellen Interessen nicht widerspreche, ist ebenfalls nicht berechtigt.

Der belangten Behörde ist im Rahmen ihrer Vorfragenbeurteilung (ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt) kein Fehler unterlaufen. Sie hat auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und des auf dessen Grundlage ermittelten - und unbestritten gebliebenen - Sachverhaltes den nicht zu beanstandenden Schluß gezogen, die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Kauf der beiden Grundstücke seien iS des § 879 ABGB als nichtige Umgehungsgeschäfte zu werten. Diese Vorfragenbeurteilung ist im einzelnen sorgfältig - insbesondere auch unter Stützung auf die Rechtsprechung des OGH zu Umgehungsgeschäften - begründet.

Durfte die belangte Behörde jedoch annehmen, daß ein nichtiges Umgehungsgeschäft vorliegt, so bleibt ihr, entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Gesellschaft, kein Raum für Feststellungen welcher Art auch immer in bezug auf die vorgelegten Vereinbarungen.

2.4. Unter diesen Voraussetzungen wurde aber die beschwerdeführende Gesellschaft nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. zB VfSlg. 13290/1992, , , B517/93).

3. Eine Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ist unter diesen Voraussetzungen aber ausgeschlossen (vgl. zB 10.374/1985).

4. Die behaupteten Rechtsverletzungen haben daher insgesamt nicht stattgefunden.

Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.