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OGH vom 30.05.2007, 15Os41/07d

OGH vom 30.05.2007, 15Os41/07d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jürgen I***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB, AZ 31 U 78/05x des Bezirksgerichtes Linz, über die vom Generalprokurator gegen 1. das Urteil vom , 2. das den Inhalt des am verkündeten Urteils nicht wiedergebende Hauptverhandlungsprotokoll erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren zu AZ 31 U 78/05x des Bezirksgerichtes Linz verletzen

1. das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom , GZ 31 U 78/05x-23, im Schuldspruch des Jürgen I***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB auch für den Tatzeitraum ab § 459 StPO iVm Art 6 MRK und

2. die Unterlassung der Aufnahme des Spruches des am verkündeten Urteils mit den in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO bezeichneten Angaben in das Hauptverhandlungsprotokoll § 271 Abs 1 Z 7 StPO.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem den Zeitraum ab betreffenden Teil des Schuldspruchs, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und dem Bezirksgericht Linz im Umfang der Aufhebung die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Bestrafungsantrag vom (ON 3) legte die Bezirksanwältin beim Bezirksgericht Linz-Land Jürgen I***** das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB gegenüber seinem minderjährigen Sohn Marcel K***** „im Zeitraum bis laufend (die Ausdehnung des DZ in der HV bleibt vorbehalten)" zur Last.

In der Hauptverhandlung vom bestritt der Beschuldigte im Rahmen seiner Verantwortung zum schriftlichen Bestrafungsantrag seine Unterhaltspflicht (S 46), was zur Vertagung der Hauptverhandlung führte. Da der Beschwerdeführer ungeachtet der ihm persönlich am ausgefolgten (RS nach S 81) Ladung zur Hauptverhandlung am nicht erschien (S 87), wurde diese gemäß § 459 StPO in seiner Abwesenheit durchgeführt. In dieser Hauptverhandlung dehnte die Bezirksanwältin in ihrem Schlussantrag „den Deliktszeitraum aus bis auf den " (S 89). Jürgen I***** wurde daraufhin in Abwesenheit mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom , GZ 31 U 78/05x-23, im Sinne des ausgedehnten Strafantrages schuldig erkannt. Dies ist allerdings nur der Urteilsausfertigung zu entnehmen; der Inhalt des mündlich verkündeten Urteiles ist im Hauptverhandlungsprotokoll nicht festgehalten (S 89).

Dem Einspruch gegen dieses Abwesenheitsurteil, den der Beschuldigte mit seiner Verpflichtung, am Nachmittag des Tages der Hauptverhandlung arbeiten zu müssen und mit fehlendem Geld für die Anreisekosten von Vöcklabruck nach Linz begründete (ON 25), gab das Bezirksgericht Linz mit Beschluss vom (ON 26) nicht Folge.

Über eine dagegen rechtzeitig erhobene Beschwerde (ON 28), mit der Jürgen I***** „auf Grund der Fakten eine Neuaufrollung des Falles K***** gegen I*****" begehrt, wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend darlegt, stehen der Schuldspruch des Jürgen I***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht auch für die Zeit nach dem (Tag der Verfassung des Bestrafungsantrages) bis zum (Tag der Urteilsfällung) sowie das den Inhalt des am verkündeten Urteils nicht wiedergebende Hauptverhandlungsprotokoll mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Wird der (schriftliche) Bestrafungsantrag in der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten vom Ankläger ausgedehnt (hier in der Hauptverhandlung vom durch Erweiterung des Tatzeitraumes der Unterhaltsverletzung vom Tag des Bestrafungsantrages bis zum Tag der Hauptverhandlung), so darf über den ausgedehnten Teil kein Abwesenheitsurteil gefällt werden. Ungeachtet des vorliegend erfolgten Hinweises im Bestrafungsantrag auf eine beabsichtigte, jedoch nicht näher präzisierte Ausdehnung des Deliktszeitraumes war eine Urteilsfällung unzulässig, weil der Beschuldigte im Verfahren niemals Gelegenheit hatte, zum erweiterten Anklagevorwurf Stellung zu nehmen, und der Schuldspruch im Umfang der Ausdehnung daher gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 6 MRK) verstößt (RIS-Justiz RS0111828; Rainer, WK-StPO § 459 Rz 15).

§ 271 Abs 1 Z 7 StPO sieht vor, dass das über die Hauptverhandlung aufzunehmende Protokoll auch den Spruch des Urteils mit den in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO bezeichneten Angaben zu enthalten hat. Der Vermerk im Hauptverhandlungsprotokoll vom , wonach „die Richterin das Urteil samt den wesentlichen Entscheidungsgründen" verkündet, genügt diesen Anforderungen nicht und verstößt damit gegen

§ 271 Abs 1 Z 7 StPO.

Da sich die zu 1. aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, war das bezeichnete Urteil in diesem Umfang aufzuheben und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen. Zuvor wird das Landesgericht Linz über die Beschwerde gegen den den Einspruch abweisenden Beschluss zu entscheiden haben.

Fundstelle(n):
RAAAD-87690