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VfGH vom 19.06.1989, B1837/88

VfGH vom 19.06.1989, B1837/88

Sammlungsnummer

12072

Leitsatz

Änderung eines in einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren ausgestellten Hausdurchsuchungsbefehles im Sinn einer Berichtigung der Anschrift des zu durchsuchenden Hauses durch ein Exekutivorgan an Ort und Stelle; Hausdurchsuchung und Beschlagnahme ohne bescheidmäßige Deckung; als Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt anfechtbar; Verletzung des Hausrechtes und des Eigentumsrechtes

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist dadurch, daß Organe des Zollamtes Salzburg am in Schärding, Schmiedweg Nr. 221, eine Hausdurchsuchung durchführten, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht und dadurch, daß die Beamten 35 Teppiche, die hiebei gefunden wurden, beschlagnahmten, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin, zu Handen des Beschwerdevertreters, die mit 11.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende, offenkundig auf Art 144 Abs 1 zweiter Satz B-VG gestützte Beschwerde wendet sich gegen die von Organen des Zollamtes Salzburg am in dem der Beschwerdeführerin gehörenden und von ihr bewohnten Haus durchgeführte Hausdurchsuchung und die Beschlagnahme von hiebei gefundenen 35 Teppichen. Diese Maßnahmen seien durch den auf § 93 Abs 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) idF der Novelle BGBl. 571/1985 gestützten, vom Vorsitzenden des Spruchsenates ausgestellten schriftlichen Hausdurchsuchungsbefehl vom nicht gedeckt gewesen.

Die Beschwerdeführerin beantragt die kostenpflichtige Feststellung, daß sie durch diese Maßnahmen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht und im verfassungsgesetzlich garantierten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde.

2.a) Das Zollamt Salzburg als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde begehrt wird. Die Hausdurchsuchung sei durch den Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt gewesen, auch wenn die Hausnummer verschrieben war. In eventu wird geltend gemacht, es habe Gefahr im Verzug vorgelegen (§93 Abs 4 FinStrG). Im übrigen habe die Beschwerdeführerin der Durchführung der Hausdurchsuchung nicht widersprochen.

b) Hierauf replizierte die Beschwerdeführerin, die Eventualbehauptung werde erstmals in der im verfassungsgerichtlichen Verfahren abgegebenen Gegenschrift aufgestellt.

II. Aufgrund des in den meisten, hier wesentlichen Punkten übereinstimmenden Parteienvorbringens und des Inhaltes des vorgelegten Aktes des Zollamtes Salzburg, Zl. 600/H 102/1-1988, geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

1. Der Vorsitzende des Spruchsenates beim Zollamt Salzburg erließ am folgenden an die Beschwerdeführerin adressierten, auf § 93 Abs 1 FinStrG gestützten Hausdurchsuchungsbefehl:

"Es ergeht an Beamte des Zollamtes Salzburg als Finanzstrafbehörde I. Instanz, ausgewiesen mit Dienstausweis, der Befehl, in der Wohnung und sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten der E P, in 4780 Schärding, Schmiedweg 199 eine Hausdurchsuchung vorzunehmen.

Gründe:

Es besteht der begründete Verdacht, daß sich in den oben angeführten Räumlichkeiten Gegenstände, insbesondere Teppiche, befinden, die Gegenstand eines Finanzvergehens sind und daher voraussichtlich dem Verfall unterliegen oder im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen."

2. Am gegen 10,00 Uhr erschienen Gruppeninspektor M (als Leiter der Amtshandlung) und weitere Beamte des Zollamtes Salzburg in dem der Beschwerdeführerin gehörenden und von ihr bewohnten Haus Schmiedweg 221 in Schärding. GrInsp. M folgte der Beschwerdeführerin den erwähnten Hausdurchsuchungsbefehl aus. Die Beschwerdeführerin stellte fest, daß der Befehl sich auf das ebenfalls ihr gehörende Haus Schmiedweg Nr. 199 (nicht Nr. 221) beziehe und bot an, dieses durchsuchen zu lassen. GrInsp. M erklärte ihr, daß die Anführung der Hausnummer 199 auf einem Irrtum beruhe und änderte in dem (ihm über sein Ersuchen wieder ausgefolgten) Hausdurchsuchungsbefehl handschriftlich die Hausnummer von 199 auf 221 ab. Daraufhin führten die Beamten - ohne daß weitere Erörterungen erfolgten - in den Räumen des Hauses Schmiedweg Nr. 221 eine Hausdurchsuchung durch; sie beschlagnahmten 35 Teppiche, die hiebei gefunden wurden und nahmen sie in amtliche Verwahrung. Über die Amtshandlung wurde eine "Niederschrift gemäß § 93 Abs 6 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Hausdurchsuchung auf Grund eines Hausdurchsuchungsbefehles" (nämlich jenes vom - siehe den vorstehenden Pkt. 1) aufgenommen.

Die Amtshandlung wurde gegen 13,00 Uhr beendet.

III. Der Verfassungsgerichtshof würdigt diesen Sachverhalt rechtlich wie folgt:

1.a) Gemäß Art 144 Abs 1 zweiter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Hausdurchsuchungen in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren, die nicht aufgrund eines - sie anordnenden - verwaltungsbehördlichen Bescheides stattfinden. Ein schriftlicher Hausdurchsuchungsbefehl nach § 93 Abs 1 FinStrG - weil die Rechtslage des Betroffenen der Finanzbehörde gegenüber bindend gestaltend - ist als solcher Bescheid anzusehen (vgl. zB VfSlg. 7067/1973, 9346/1982 und 9917/1984). Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Rechtsauffassung fest.

Gleiches gilt für die Beschlagnahme von Gegenständen, die im Zuge einer solchen Hausdurchsuchung durchgeführt wird (vgl. zB VfSlg. 9917/1984).

Daraus folgt, daß die bekämpften Verwaltungsakte vom nur dann einer selbständigen Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof unterliegen, wenn sie nicht durch einen bescheidmäßig verfügten Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt waren.

b) Einer solchen Deckung ermangelten die bekämpften Maßnahmen:

Mit dem vom Vorsitzenden des Spruchsenates ausgestellten Hausdurchsuchungsbefehl (§93 Abs 1 FinStrG) wurde eindeutig und unmißverständlich ausschließlich die Durchsuchung des Hauses Schärding, Schmiedweg Nr. 199, angeordnet. Wenn es sich hiebei tatsächlich um ein Versehen oder um einen bloßen Schreibfehler gehandelt haben sollte und richtig das Haus Nr. 221 gemeint war (beide Häuser gehören der Beschwerdeführerin), so war doch das einschreitende Exekutivorgan nicht zur Änderung oder Berichtigung des Hausdurchsuchungsbefehles berechtigt; dies wäre nur der bescheiderlassenden Behörde zugestanden. Die bekämpften Maßnahmen sind demnach durch den Hausdurchsuchungsbefehl vom nicht gedeckt.

Auch der Eventualeinwand der belangten Behörde ist unzutreffend, daß die Beschwerdeführerin der Durchführung der Hausdurchsuchung nicht widersprochen habe. Der Sache nach wird damit geltend gemacht, es sei nicht Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt worden. Dies wäre aber nur der Fall, wenn die Beschwerdeführerin der Hausdurchsuchung zugestimmt hätte. Davon kann aber keine Rede sein. Die Beamten waren erkennbar bereit, die Hausdurchsuchung (für die sie - wenngleich verfehlt - annahmen, einen Befehl zu haben) erforderlichenfalls mit Gewalt durchzusetzen.

Die angefochtenen Maßnahmen sind daher als Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art 144 Abs 1 zweiter Satz B-VG zu qualifizieren, gegen die ein Rechtsmittel nicht zusteht.

c) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Sie ist auch berechtigt:

a) Die Hausdurchsuchung und die Beschlagnahme finden - wie oben zu III.1.b dargetan wurde - im Hausdurchsuchungsbefehl keine Deckung. Ohne solchen Befehl ist aber, wie sich aus § 93 Abs 1 iVm Abs 4 FinStrG ergibt, eine Hausdurchsuchung grundsätzlich unzulässig, also gesetzwidrig. Eine entgegen dem Gesetz (hier das FinStrG) durchgeführte Hausdurchsuchung verletzt das verfassungsgesetzlich verbürgte Hausrecht (vgl. zB VfSlg. 9766/1983).

b) § 93 Abs 4 FinStrG ermächtigt ausnahmsweise, nämlich bei Gefahr im Verzug, auch ohne Hausdurchsuchungsbefehl eine Hausdurchsuchung vorzunehmen. Auf diese Ausnahmebestimmung haben sich die einschreitenden Organe nicht berufen, sondern ausschließlich auf den ihnen (angeblich) erteilten Hausdurchsuchungsbefehl (s.o. I.2.b). Es ist der Behörde aber verwehrt, im verfassungsgerichtlichen Verfahren einen anderen als den ursprünglich herangezogenen Hausdurchsuchungsgrund zur Deckung des bekämpften, in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangenen Verwaltungsaktes heranzuziehen (vgl. zB und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

c) Gleiches gilt für die angefochtene Beschlagnahme der, anläßlich der - sohin verfassungswidrigen - Hausdurchsuchung, gefundenen Teppiche: Ein Beschlagnahmebescheid nach § 89 Abs 1 FinStrG wurde nicht ausgestellt. Auf § 89 Abs 2 leg.cit. kann sich die Behörde nach dem Gesagten nicht mit Erfolg berufen. Der Hausdurchsuchungsbefehl vom deckte weder die Hausdurchsuchung noch die in ihrem Verlauf vorgenommene Beschlagnahme.

d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Beschwerdeführerin durch die Hausdurchsuchung im verfassungsgesetzlich garantierten Hausrecht und durch die Beschlagnahme im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG.

In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 1.000 S enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG getroffen werden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen.