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OGH vom 14.03.2018, 10ObS15/18f

OGH vom 14.03.2018, 10ObS15/18f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Mairhofer und Gradl Rechtsanwälte Partnerschaft in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, FriedrichHillegeistStraße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Alterspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 81/17m9, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 10 Cgs 132/17k5, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am geborene Kläger bezog im Zeitraum von bis eine Korridorpension. In den Monaten Mai, Juni und Juli 2015 sowie Februar, März und September 2016 übte er jeweils im gesamten Kalendermonat eine Tätigkeit mit einem über die Geringfügigkeitsgrenze hinausgehenden Entgelt aus, weshalb die Korridorpension zur Gänze wegfiel. Im restlichen Zeitraum arbeitete der Kläger nur tageweise (insgesamt 126 Tage) über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus, weshalb die Korridorpension nur anteilig wegfiel. Für den bezog der Kläger Urlaubsersatzleistung. Seit hat er Anspruch auf Alterspension.

Es ist umstritten, ob bei Berechnung des Erhöhungsbetrags nach § 9 Abs 2 Allgemeines Pensionsgesetz (APG) nur die sechs vollen Monate oder auch die 126 Tage tageweiser Beschäftigung zu berücksichtigen sind.

Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch des Klägers auf Alterspension ab und setzte die monatliche Pensionshöhe mit 3.028,55 EUR brutto zuzüglich eines Höherversicherungsbetrags von 63,34 EUR, insgesamt daher mit 3.091,89 EUR fest. Sie sprach aus, dass gemäß § 100 ASVG der Anspruch auf die mit Bescheid vom zuerkannte Korridorpension mit erlischt. Der Berechnung des Erhöhungsbetrags nach § 9 Abs 2 APG wurden nur die sechs vollen Kalendermonate der Erwerbstätigkeit zugrunde gelegt.

Der Kläger vertritt in seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage den gegenteiligen Standpunkt. Die „Rumpfmonate“, in denen er nur tageweise gearbeitet habe, müssten zusammengerechnet werden und so lange den nachfolgenden Monaten, die nicht schon Versicherungsmonate seien, zugeschlagen werden, bis ein Versicherungsmonat vorliege.

Die Beklagte hielt ihre im Bescheid vertretene Auffassung aufrecht.

Das Erstgericht wies das auf eine höhere Leistung als im Bescheid gerichtete Klagebegehren ab und wiederholte den Bescheid. Für Zeiträume, in denen der Kläger tageweise ein Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze bezogen habe, sei die Korridorpension nicht gänzlich, sondern nur anteilig weggefallen. Diese 126 Tage könnten nicht zu einer Erhöhung der Alterspension führen, weil das Gesetz keine Aufsummierung einzelner Tage auf einen Monat vorsehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision zu. Der Oberste Gerichtshof habe bereits zu § 261b ASVG, der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs 2 APG ausgesprochen, dass für die Berechnung des erhöhten Steigerungsbetrags nur volle Kalendermonate des Wegfalls der Pension zu berücksichtigen seien und eine Gesetzeslücke, die durch eine analoge Anwendung der Regelungen über den Begriff des Versicherungsmonats in § 231 ASVG geschlossen werden müsste, nicht vorliege. Den Berechnungsregeln des § 261b ASVG seien nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut „Kalendermonate“ und nicht Versicherungsmonate iSd § 231 ASVG zugrunde gelegen. Die Nachfolgebestimmung des § 9 Abs 2 APG verwende lediglich das Wort Monat und nicht Versicherungsmonat. Bei einer Wortinterpretation sei daher nicht von einem Versicherungsmonat iSd § 231 ASVG auszugehen, der durch Versicherungszeiten von mindestens 15 Tagen oder zwei Wochen im Kalendermonat oder durch Zusammenrechnung einzelner Tage zustande komme. Hätte der Gesetzgeber unter den Wegfallsmonaten nach § 9 Abs 2 APG Versicherungsmonate verstanden, hätte er dies in Kenntnis der bereits ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs auch verbal zum Ausdruck gebracht.

Die Revision sei zulässig, weil zum Verständnis des § 9 Abs 2 APG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Die – beantwortete – Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. § 9 APG (Wegfall der Alterspension) lautet idF BGBl I 2010/62:

(1) Die Korridorpension (§ 4 Abs. 2) und die Schwerarbeitspension (§ 4 Abs. 3) fallen in dem Zeitraum weg, in dem die leistungsbeziehende Person vor dem Monatsersten nach der Erreichung des Regelpensionsalters eine Erwerbstätigkeit ausübt, die eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründet oder aus der sie ein Erwerbseinkommen bezieht, welches das nach § 5 Abs. 2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt. Dies gilt nicht für Zeiträume, in denen eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 6 Z 1 bis 4 besteht. Als Zeiten einer Erwerbstätigkeit im Sinne des ersten Satzes gelten auch Zeiten des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt. Fällt der Zeitpunkt der Erreichung des Regelpensionsalters selbst auf einen Monatsersten, so gilt dieser Tag als Monatserster im Sinne des ersten Satzes.

(2) Zum Monatsersten nach der Erreichung des Regelpensionsalters ist die Leistung – mit Ausnahme eines besonderen Steigerungsbetrages nach den §§ 248 Abs. 1 ASVG, 141 Abs. 1 GSVG und 132 Abs. 1 BSVG – von Amts wegen neu festzustellen und dabei für jeden Monat, in dem die Korridorpension (§ 4 Abs. 2) weggefallen ist, um 0,55 % und für jeden Monat, in dem die Schwerarbeitspension (§ 4 Abs. 3) weggefallen ist, um 0,312 % zu erhöhen. Fällt der Zeitpunkt der Erreichung des Regelpensionsalters selbst auf einen Monatsersten, so gilt dieser Tag als Monatserster im Sinne des ersten Satzes.

2. Es ist unstrittig, dass diese Bestimmungen auf die Berechnung der Alterspension des Klägers anzuwenden sind.

3. § 9 Abs 1 APG 2005 (eingeführt mit dem PensionsharmonisierungsG, BGBl I 2004/142) entsprach weitestgehend dem durch das Budgetbegleitgesetz (BBG) 2003, BGBl I 2003/71, aufgehobenen § 253b Abs 2 ASVG, der den Wegfall der vorzeitigen Alterspension bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit regelte. § 9 Abs 2 APG ersetzte in seinem Anwendungsbereich die in § 261b ASVG vorgesehene Erhöhung der Pension nach Wegfall einer vorzeitigen Alterspension bei Erreichung des Regelpensionsalters (vgl Pinggera/Pöltner/Stefanits, Das neue Pensionsrecht [2005] Rz 170 f).

4. Nach der Rechtsprechung zu § 261b ASVG waren für die Berechnung des Prozentsatzes des erhöhten Steigerungsbetrags gemäß § 261b Abs 5 nur volle Kalendermonate des Wegfalls der Pension zu berücksichtigen. Aufgrund der ausdrücklichen Verwendung des Begriffs „Kalendermonate“ sah der Oberste Gerichtshof keine Gesetzeslücke, die durch eine analoge Anwendung der Regelung über den Begriff des Versicherungsmonats in § 231 ASVG geschlossen werden müsste (10 ObS 407/01b, RIS-Justiz RS0116065).

5. § 9 Abs 2 APG verwendet zwar anders als die früheren Bestimmungen des ASVG bei der Regelung des Erhöhungsprozentsatzes nicht mehr den Begriff „Kalendermonat“, sondern die Wortfolge „für jeden Monat“. Dies rechtfertigt aber – wie schon vom Berufungsgericht zutreffend erkannt (§ 510 Abs 3 ZPO) – nicht das vom Kläger gewünschte Ergebnis der Zusammenrechnung von Tagen seiner Erwerbstätigkeit in den „Rumpfmonaten“.

6. Der Wegfall (auch) einer Korridorpension setzt nach § 9 Abs 1 Satz 1 APG voraus, dass die leistungsbeziehende Person eine Erwerbstätigkeit ausübt, die (bestimmte Fälle ausgenommen) eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründet oder aus der sie (hier relevant) ein Erwerbseinkommen bezieht, welches das nach § 5 Abs 2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt. Die Bestimmung stellt damit nach ihrem klaren Wortlaut auf den Zeitraum ab, in dem jemand tatsächlich erwerbstätig ist und sei es (theoretisch) auch nur einen Tag. Nur für diesen Zeitraum fällt die Pension weg, wie es auch beim Kläger in den „Rumpfmonaten“ (im Revisionsverfahren unstrittig) der Fall war. Gleichgestellt ist lediglich die Zeit einer Urlaubsersatzleistung (§ 9 Abs 1 Satz 3 APG). Der Begriff Erwerbseinkommen wird durch den Verweis auf das Monatseinkommen in § 5 Abs 2 ASVG definiert. Die Regelungen über die monatliche Geringfügigkeitsgrenze in § 5 ASVG stellen ausdrücklich auf den „Kalendermonat“ ab.

7. Dieses Verständnis des Begriffs „Monat“ im Sinn von „Kalendermonat“ zeigt sich auch in der Rechtsprechung zu § 9 Abs 1 APG. Zu 10 ObS 26/09k (RIS-Justiz RS0123448 [T1]) sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass § 9 Abs 1 Satz 1 APG für die Frage des Wegfalls der Korridorpension ausdrücklich auf das jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen abstelle. Den verwendeten Begriff „Erwerbseinkommen“ verstand er bei unselbständiger Tätigkeit als die nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung in einem Kalendermonat berechneten Einkünfte, um eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen unselbständigen und selbständigen Erwerbstätigen zu vermeiden.

8. Bei Einführung der Korridorpension mit dem APG war sich der Gesetzgeber der Bedeutung der Unterscheidung zwischen „Versicherungsmonat“ und „Kalendermonat“ offenbar nach wie vor bewusst und wollte die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Kalendermonat verstandene Bezeichnung „Monat“ nicht im Sinn des in § 231 ASVG detailliert definierten Versicherungsmonats interpretiert wissen. Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 653 BlgNR 22. GP 7 f) verweisen auf die ausdrücklich in § 4 Abs 2 Z 1 APG geforderte Voraussetzung des Vorliegens von mindestens 450 Versicherungsmonaten, während sich im Zusammenhang mit der Regelung des Abschlags die Wortfolge „für jeden Monat des früheren Pensionsantritts“ findet. Es wäre auch schwer verständlich, dass der Bezieher einer Korridorpension begünstigt werden sollte, indem er zwar die Pension nur kurzfristig (beispielsweise jeweils für einige Tage pro Kalendermonat) verliert und dennoch bei Neufestsetzung der Pension nach Erreichung der Altersgrenze vom Steigerungsbetrag voll profitiert. Die Absicht des Gesetzgebers bei Novellierung des § 9 Abs 2 APG mit dem SozRÄG 2010, BGBl I 2010/62, das bisherige Begriffsverständnis zu ändern, ist den Materialien (ErläutRV 785 BlgNR 24. GP 9) nicht zu entnehmen, wird doch die Erhöhung für Zeiten des Wegfalls einer vorzeitigen Pension als nicht gerechtfertigt angesehen.

9. Der erkennende Senat teilt deshalb die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen § 9 Abs 2 APG nicht und sieht sich nicht veranlasst, ein Gesetzprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten. In jenen Zeiträumen, in denen der Versicherte nicht einen vollen Kalendermonat lang erwerbstätig ist, fällt die Korridorpension ohnehin nur anteilig weg.

10. Ergebnis: Der Steigerungsbetrag nach § 9 Abs 2 APG gebührt nur für einen Kalendermonat, in dem die leistungsbeziehende Person durchgehend erwerbstätig iSd § 9 Abs 1 APG war und die Korridorpension deshalb zur Gänze wegfiel.

11. Anhaltspunkte für einen Kostenersatz nach Billigkeit (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG) werden weder geltend gemacht noch ergeben sie sich aus dem Akteninhalt.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00015.18F.0314.000

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