OGH 22.02.2016, 10Ob6/16d
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj E*****, geboren am *****, vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, Bezirke 14, 15, 16, 1150 Wien, Gasgasse 8-10), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge des Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 569/15t-76, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 4 Pu 167/14d-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, jeweils eine Ausfertigung der Rekursentscheidung und eine Gleichschrift des Revisionsrekurses dem Vater M***** zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zuzustellen sowie die Akten nach Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung oder nach fruchtlosem Verstreichen der Frist erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies den Antrag des Kindes auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG ab.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Kindes nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wurde an das Kind, vertreten durch den Träger der Kinder- und Jugendhilfe, an die Mutter des Kindes und an den Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, zugestellt, nicht aber an den Vater.
Das Kind erhob gegen den Beschluss des Rekursgerichts den ordentlichen Revisionsrekurs.
Eine Gleichschrift des Revisionsrekurses wurde an die Mutter und den Bund, nicht aber an den Vater zugestellt. Der Bund erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage ist verfrüht.
Über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen hat das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 10 UVG). Wird ein Revisionsrekurs gegen einen Beschluss erhoben, bei dem über die Sache entschieden worden ist, und findet das Gericht erster Instanz keinen Grund zur Zurückweisung, so ist jeder anderen aktenkundigen Partei eine Gleichschrift zuzustellen (§ 68 Abs 1 AußStrG). Unter einem Beschluss „über die Sache“ wird jede Entscheidung über den Verfahrensgegenstand verstanden (RIS-Justiz RS0120860 ua). Den anderen Parteien steht es frei, eine Revisionsrekursbeantwortung (§ 68 AußStrG) einzubringen. Auch der Vater als Unterhaltsschuldner ist Partei iSd § 14 UVG iVm § 2 Abs 1 Z 2 AußStrG (Neumayr in Schwimann/Kodek 14 § 14 UVG Rz 1; 9 Ob 129/06w; RIS-Justiz RS0120860 [T12, T13]). Es steht ihm gemäß § 68 Abs 1 und Abs 3 Z 1 AußStrG frei, eine Revisionsrekursbeantwortung einzubringen. Das Erstgericht wird daher eine Ausfertigung des Beschlusses des Rekursgerichts und eine Gleichschrift des Revisionsrekurses des Kindes auch dem Vater zuzustellen haben. Erst nach Einlangen einer Revisionsrekursbeantwortung des Vaters oder nach fruchtlosem Ablauf der Frist für die Beantwortung des Revisionsrekurses ist der Akt wieder vorzulegen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj E*, geboren am * 2007, vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger (*), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge des Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 569/15t-76, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 4 Pu 167/14d-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Das Kind befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter in Österreich. Das Kind und seine Mutter sind Staatsbürger der Mongolei.
Der Vater ist Staatsbürger der Republik Kroatien. Er ist aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom (ON 53) derzeit verpflichtet, dem Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 100 EUR zu bezahlen. Der Vater lebt in Kroatien und geht keiner beruflichen Tätigkeit nach.
Die Asylanträge des Kindes und der Mutter wurden rechtskräftig abgewiesen. Der Status als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 kommt weder dem Kind noch der Mutter zu. Die Ausweisung der Mutter und des Kindes aus dem Bundesgebiet ist auf Dauer unzulässig, weil deren persönliche Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen überwiegen und eine Ausweisung gegen Art 8 EMRK verstoßen würde.
Die Mutter und das Kind sind in Österreich nicht krankenversichert.
Das Erstgericht wies den Antrag des Kindes auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 117,30 EUR ab. Das Kind sei mongolische Staatsangehörige, sodass es an der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 2 Abs 1 UVG fehle. Aufgrund der Verordnung (EU) Nr 1231/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr 987/2009 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Verordnungen fallen (in weiterer Folge: VO 1231/2010) bestehe seit für drittstaatsangehörige Kinder von ebenfalls drittstaatsangehörigen Eltern kein Vorschussanspruch, es sei denn, sie fielen in den Anwendungsbereich eines speziellen Gleichbehandlungsgebots. Anspruch auf österreichische Unterhaltsvorschüsse könne bestehen, wenn der betreuende Elternteil, der selbst Angehöriger eines Drittstaats sei, in das österreichische Sozialversicherungssystem eingebunden sei und ein Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bestehe, etwa durch Zuzug aus einem solchen Staat. Auch subsidiär Schutzberechtigte, deren Situation im Wesentlichen jener von Konventionsflüchtlingen entspreche, hätten bei Erfüllung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen einen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen. Keine dieser Ausnahmeregelungen treffe jedoch im vorliegenden Fall zu. Es bestehe auch kein bilaterales Abkommen mit der Mongolei.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Kindes nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und führte ergänzend aus, dass mit die Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern („WanderarbeitnehmerVO“), von der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (in weiterer Folge: VO 883/2004) abgelöst worden sei. Ebenso sei die Verordnung (EWG) Nr 574/72 des Rates vom über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 von der Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit abgelöst worden. Österreichische Unterhaltsvorschüsse, die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Familienleistungen qualifiziert worden seien, seien gemäß Anhang I zur VO 883/2004 vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausdrücklich ausgenommen worden. Die Frage, ob bei Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug österreichische Unterhaltsvorschüsse gebühren, sei seit (wieder) auf Grundlage des § 2 UVG zu lösen.
Auch die Anspruchsberechtigung von Flüchtlingen ergebe sich unmittelbar aus § 2 UVG. Die Bestimmungen der Art 12 Z 1, 23 und 24 der Genfer Flüchtlingskonvention gebieten eine Gleichstellung der Konventionsflüchtlinge mit österreichischen Staatsangehörigen. Dies gelte auch für sogenannte „subsidiär Schutzberechtigte“ gemäß § 8 AsylG 2005, deren Situation im Wesentlichen jener von Konventionsflüchtlingen entspreche.
Im Anlassfall sei das Kind aber weder Konventionsflüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch subsidiär schutzberechtigt gemäß § 8 AsylG 2005. Ihm sei vielmehr - wie auch der Mutter - ein humanitäres Bleiberecht gewährt worden. Menschen mit humanitärem Bleiberecht seien jedoch von den Leistungen nach dem UVG ausgeschlossen. Darin liege keine gleichheitswidrige, unsachliche Ungleichbehandlung, weil es bei Konventionsflüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten allein auf die Verfolgung oder Bedrohung im Heimatland ankomme, während ein humanitäres Bleiberecht aufgrund des jahrelangen Aufenthalts in Österreich und der guten Integration gewährt werde. Das Kind habe daher keinen Anspruch auf die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob auch Personen mit einem humanitären Bleiberecht in Österreich Ansprüche nach dem UVG zustehen, bisher noch nicht Stellung genommen habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes, mit dem es die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen anstrebt.
Der Bund beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung die Zurück-, hilfsweise die Abweisung des Revisionsrekurses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.
Die Revisionsrekurswerberin stellt in ihrem Rechtsmittel nicht in Frage, dass sie weder Konventionsflüchtling noch subsidiär Schutzberechtigte iSd § 8 AsylG 2005 ist, sondern sich aufgrund eines so genannten „humanitären Bleiberechts“ in Österreich aufhält. Die Situation von Menschen, denen wie ihr ein humanitäres Bleiberecht eingeräumt wurde, weil sie sich jahrelang bei guter Integration in Österreich aufgehalten haben, sei jedoch mit jener von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten inhaltlich vergleichbar. Alle diese Personengruppen hielten sich erlaubterweise in Österreich auf. Eine Differenzierung von Fremden, die sich auf Grund ihrer guten Integration in Österreich aufhalten und am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen, gegenüber Menschen, die sich auf Grund der Fluchtgründe der Genfer Flüchtlingskonvention oder wegen drohender Gefahr in ihrem Heimatland in Österreich aufhalten, sei im Unterhaltsvorschussrecht sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße gegen Art I des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung rassischer Diskriminierung, BGBl 1973/390. Auch der Revisionsrekurswerberin, die sich aufgrund eines humanitären Bleiberechts in Österreich aufhalte, sei daher der gleiche Zugang zu Unterhaltsvorschussleistungen zu gewähren wie Konventionsflüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten.
Diesen Ausführungen kommt keine Berechtigung zu.
1. Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 UVG haben Anspruch auf Vorschüsse minderjährige Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und entweder österreichische Staatsbürger oder staatenlos sind. Der österreichischen Staatsbürgerschaft sind die Staatsbürgerschaften bestimmter Länder - insbesondere jene der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - gleichzuhalten (RIS-Justiz RS0125925 ua). Diese Voraussetzungen erfüllt das Kind unstrittig nicht.
2.1 Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass auch das Unionsrecht dem Kind im konkreten Fall nicht zu einem Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse verhilft, ist zutreffend und wird von der Revisionsrekurswerberin nicht in Frage gestellt. Da Unterhaltsvorschussleistungen von der VO 883/2004 ausdrücklich ausgenommen sind und in der seit anwendbaren VO 1231/2010 ein allgemeines Diskriminierungsverbot fehlt (10 Ob 60/12i), ist für drittstaatsangehörige Kinder die Erlangung von Unterhaltsvorschüssen in der Regel nur mehr nach Maßgabe des primärrechtlichen Diskriminierungsverbots des Art 18 AEUV möglich, wenn der von Art 1 VO 1231/2010 geforderte unionsrechtliche Bezug vorliegt (vgl ausführlich 10 Ob 1/13i ua; RIS-Justiz RS0128665). Neben einem - hier gegebenen - rechtmäßigen Wohnsitz des drittstaatsangehörigen Kindes in einem Mitgliedstaat der Union (Erwägungsgrund 11 und Art 1 VO 1231/2010) ist für die Bejahung eines Anspruchs auf Unterhaltsvorschüsse daher Voraussetzung, dass sich das Kind in einer Lage befindet, die nicht ausschließlich einen einzigen Mitgliedstaat betrifft (Art 1 VO 1231/2010). Die VO 1231/2010 gilt nicht für Drittstaatsangehörige, die ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat haben (Erwägungsgrund 12; Felten/Neumayr, Unterhaltsvorschuss und Drittstaatsangehörige, iFamZ 2011, 174; 10 Ob 51/12s mwH).
2.2 Der nach Art 1 VO 1231/2010 als Grundvoraussetzung für die Anwendung des Unionsrechts zu fordernde Unionsbezug setzt voraus, dass Personen, Sachverhalte oder Begehren eine rechtliche Beziehung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen. Diese Umstände sind in der Staatsangehörigkeit, dem Wohn- oder Beschäftigungsort, dem Ort eines die Leistungspflicht auslösenden Ereignisses, vormaliger Arbeitstätigkeit unter dem Recht eines anderen Mitgliedstaats oder ähnlichen Merkmalen zu sehen (3 Ob 203/04f; RIS-Justiz RS0119548; Spiegel in Fuchs, Europäisches Sozialrecht6 Art 2 VO (EG) 883/2004 Rz 15 mwN). Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass es an einem solchen grenzüberschreitenden Bezug im Anlassfall fehlt (insbesondere etwa an einem Zuzug aus einem anderen Mitgliedstaat der Union), ist zutreffend und wird von der Revisionsrekurswerberin nicht in Frage gestellt. Auch der Umstand, dass der Unterhaltsschuldner kroatischer Staatsbürger ist, kann den erforderlichen unionsrechtlichen Anknüpfungspunkt iSd Art 1 VO 1231/2010 hier nicht schaffen. Denn es kommt für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 UVG auf die Staatsbürgerschaft des Unterhaltsschuldners ebenso wenig an, wie auf dessen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB I4 § 2 UVG Rz 10 mH auf 10 Ob 107/08w noch zur früheren Rechtslage nach der VO 1408/71).
3.1 Die Gründe, die zu einer Anspruchsberechtigung iSd § 2 Abs 1 UVG von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl 1955/55, GFK) und dem Flüchtlingsprotokoll (BGBl 1974/78) führen, hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen dargelegt (10 Ob 46/10b; 10 Ob 35/12p; 10 Ob 4/13f). Die Anspruchsberechtigung von Konventionsflüchtlingen ergibt sich entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts nicht unmittelbar aus § 2 Abs 1 UVG (10 Ob 46/10b). Sie ergibt sich vielmehr einerseits daraus, dass diesen das für den familienrechtlichen Bereich maßgebliche Personalstatut zukommt (vgl insbesondere Art 12 Z 1 GFK) und ein enger Zusammenhang des Vorschussrechts mit dem Unterhaltsrecht besteht, was durch die ausdrückliche Einbeziehung der Staatenlosen in den Kreis der gemäß § 2 Abs 1 UVG Anspruchsberechtigten zum Ausdruck kommt (10 Ob 35/12p; Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB I4 § 2 UVG Rz 14). Auch Konventionsflüchtlinge sind jedoch nur so lange iSd § 2 Abs 1 UVG einem inländischen Staatsbürger gleichgestellt, als sie sich im Inland aufhalten (10 Ob 35/12p).
3.2 Ebenso hat der Oberste Gerichtshof bereits dargelegt, dass die tatsächliche Situation von subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs 1 AsylG 2005 im Wesentlichen derjenigen von Asylberechtigten entspricht, sodass auch diese Personen anspruchsberechtigt iSd § 2 Abs 1 UVG bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen sind (RIS-Justiz RS0126325). Subsidiär Schutzberechtigte sind beispielsweise im Bereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes Asylberechtigten rechtlich gleichgestellt und dürfen ebenfalls sofort nach Zuerkennung dieses Status bewilligungsfrei eine Beschäftigung aufnehmen (vgl § 1 Abs 2 lit a AuslBG). Auch im Bereich der Familienleistungen sind subsidiär Schutzberechtigte den Konventionsflüchtlingen weitgehend gleichgestellt. So haben sie nach § 3 Abs 4 FamLAG bei Vorliegen der weiters normierten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen haben subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 2 Abs 1 Z 5 lit c KBGG auch Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld.
3.3 Gemeinsam ist beiden Gruppen der Konventionsflüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten, dass der Grund für die Unzulässigkeit der Rückführung in ihr Heimatland darin liegt, dass sie dort der realen Gefahr einer Menschenrechtsverletzung (vgl Art 1 A Z 2 GFK; § 8 Abs 1 letzter Satz AsylG 2005) oder einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen von Konflikten ausgesetzt sind (10 Ob 46/10b).
3.4 Demgegenüber ist das sogenannte „humanitäre Bleiberecht“ iSd § 9 Abs 3 bis 6 BFA-VG, BGBl I 2012/87 (früher: § 10 Abs 5 AsylG idF BGBl I 2009/29 in der bis zum geltenden Fassung BGBl I 2011/38; § 61 FPG idF BGBl I 2011/38, vormals § 66 FPG idF BGBl I 2009/29) zur Achtung und Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechts auf Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK zu gewähren. Ein Bleiberecht kann im Allgemeinen nur bestehen, wenn ein Fremder sich zunächst rechtmäßig - etwa auch als Asylwerber - im Inland aufgehalten hat (Heller, Das sogenannte Bleiberecht, AnwBl 2011, 9). Nach der Rechtsprechung des EGMR sind die öffentlichen Interessen an der „Außerlandesschaffung“ gegen die Interessen des Betroffenen am Verbleib im Inland abzuwägen (vgl nur EGMR Bsw 50435/99, Rodrigues da Silva; Bsw 12738/10 uva). Die vom EGMR für diese Interessenabwägung entwickelten Kriterien (Art und Dauer des - rechtmäßigen - Aufenthalts im Inland; tatsächliches Bestehen eines Familienlebens; Schutzwürdigkeit des Privatlebens; Grad der Integration etc; vgl VfGH B 328/07, VfSlg 18.223) hat der Gesetzgeber zunächst in § 10 AsylG 2005 und nunmehr in § 9 Abs 2 BFA-VG übernommen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs enthält Art 8 EMRK zwar kein Recht von Fremden auf Entfaltung des Privat- und Familienlebens in einem bestimmten Aufenthaltsstaat ihrer Wahl. Dennoch kann sich - in einem System, das die Erteilung von Aufenthaltstiteln vorsieht - aus Art 8 EMRK unter besonderen Umständen eine Verpflichtung des Staates ergeben, den Aufenthalt eines Fremden zu ermöglichen, mit der Folge, dass die Verweigerung der Erteilung eines Aufenthaltstitels einen Eingriff in dieses Grundrecht bildet (VfGH G 246/07 ua, VfSlg 18.517 mwH).
3.5 Es bestehen daher zwischen Konventionsflüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten einerseits und Drittstaatsangehörigen, denen ein „humanitäres Bleiberecht“ eingeräumt wurde, andererseits wesentliche Unterschiede schon in der Grundlage ihres dauernden Aufenthalts im Inland. Während dieser bei Konventionsflüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten seine Ursache darin hat, dass ihnen bei einer Rückkehr in ihr Heimatland die Gefahr droht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, bzw sie bei einer Rückkehr in ihr Heimatland einer realen Gefahr einer Menschenrechtsverletzung oder einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen von Konflikten ausgesetzt sind, beruht die Gewährung eines „humanitären Bleiberechts“ auf der Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechts durch Drittstaatsangehörige, die vergleichbaren Gefahren nicht ausgesetzt sind. Der Gedanke des Schutzes von Konventionsflüchtlingen kommt etwa in Art 12 Z 1 GFK zum Ausdruck, der anordnet, dass die personenrechtliche Stellung auch des minderjährigen Konventionsflüchtlings sich durch die Gesetze des Wohnsitz- und Aufenthaltslandes bestimmt (Veiter, Die Flüchtlingskonvention in der österreichischen Rechtsprechung, JBl 1972, 349 [352]). Gerade durch diese Bestimmung kommt Konventionsflüchtlingen - wie ausgeführt - das für die Anspruchsberechtigung gemäß § 2 Abs 1 UVG maßgebliche inländische Personalstatut zu. Eine vergleichbare Bestimmung fehlt für drittstaatsangehörige minderjährige Kinder, denen zwar ein „humanitäres Bleiberecht“ gewährt wurde, die aber deshalb weder österreichische Staatsbürger werden noch als Staatenlose anzusehen sind.
4.1 Personen mit „humanitärem Bleiberecht“ sind Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten im Bereich der Familienleistungen auch nicht vollkommen, sondern nur weitgehend gleichgestellt. So ist gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des § 55 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 vor, ist (nur) eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen. In beiden Fällen sind Drittstaatsangehörige zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt (§ 54 Abs 1 Z 1 und 2 AsylG 2005). Drittstaatsangehörige, die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhalten, haben gemäß § 3 Abs 1 FamLAG Anspruch auf Familienbeihilfe (ebenso drittstaatsangehörige Kinder unter denselben Voraussetzungen, § 3 Abs 2 FamLAG). Halten sich drittstaatsangehörige Elternteile und Kinder gemäß § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich auf, besteht bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gemäß § 2 Abs 1 Z 5 KBGG auch ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld.
4.2 Während allerdings Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte vom Anwendungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl 1975/218 (AuslBG), gemäß § 1 Abs 2 lit a AuslBG überhaupt ausgenommen sind, bleibt dieses auf Personen, denen eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ oder eine „Aufenthaltsberechtigung“ aufgrund eines „humanitären Bleiberechts“ eingeräumt wurde, grundsätzlich anwendbar. § 17 Z 3 AuslBG gewährt zwar Personen mit „humanitärem Bleiberecht“, denen eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zuerkannt wurde, unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Dies gilt jedoch nicht für Personen, denen aufgrund eines „humanitären Bleiberechts“ mangels Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG lediglich eine „Aufenthaltsberechtigung“ erteilt wurde. Diese berechtigt gemäß § 54 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 lediglich zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz Voraussetzung ist.
4.3 Auch im Hinblick darauf ist die Situation von Personen, denen ein „humanitäres Bleiberecht“ gewährt wurde, nicht mit der Situation von Konventionsflüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten vergleichbar, sondern vielmehr mit jener von sonstigen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig auf Dauer in Österreich aufhalten und, weil sie den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes unterliegen, ähnlichen Einschränkungen am inländischen Arbeitsmarkt unterliegen wie Personen mit „humanitärem Bleiberecht“.
5.1 In den nicht vom Anwendungsbereich des Unionsrechts erfassten Fällen ist der nationale Gesetzgeber grundsätzlich frei, an welche Tatbestände er die Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen knüpft (4 Ob 260/02t; 10 Ob 60/03a; 6 Ob 151/04f ua). Die Voraussetzung, dass der Unterhaltsberechtigte österreichischer Staatsbürger oder Staatenloser sein und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben muss, wird in den Gesetzesmaterialien (vgl RV 5 BlgNR 14.GP 10) damit begründet, dass mit dem Gesetzesentwurf, auch international gesehen, weitgehend Neuland beschritten werde, durch die Vorschussleistungen dem Unterhaltsberechtigten vielfach nicht unbeträchtliche Beträge über einen längeren Zeitraum zugewendet werden und der Gesamtaufwand aufgrund des Gesetzesentwurfs nicht uferlos sein solle. Der Kreis der Anspruchsberechtigten müsse daher beschränkt werden.
5.2 Die Berechtigung des Gesetzgebers, den Kreis der Anspruchsberechtigten gemäß § 2 Abs 1 UVG einzuschränken, wurde auch vom Verfassungsgerichtshof anerkannt. Dieser sprach zu § 2 Abs 1 UVG aus, dass es nicht unsachlich ist, wenn der Gesetzgeber, um einerseits rasche Abhilfe bei einer finanziellen Notlage eines unterhaltsberechtigten Minderjährigen zu schaffen und andererseits den Missbrauch der von der öffentlichen Hand gewährten Mittel wirksam zu verhindern, ein straffes, unbürokratisches und schnell durchführbares Verfahren vorsieht und die Gewährung des Unterhaltsvorschusses auf Minderjährige beschränkt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (VfGH G 112/99, VfSlg 16.542).
6.1 Auch im Revisionsrekurs hält das Kind den Einwand aufrecht, dass das Bundesverfassungsgesetz BGBl 1973/390 einer unsachlichen Ungleichbehandlung im Unterhaltsvorschussrecht von Menschen, die sich aufgrund ihrer Integration in Österreich aufhalten, gegenüber solchen, die sich als Konventionsflüchtling oder subsidiär Schutzberechtigte in Österreich aufhalten, entgegenstehe.
6.2 Nach der Rechtsprechung erstreckt sich der Gleichheitsgrundsatz sowohl gemäß Art 2 StGG als auch gemäß Art 7 B-VG nur auf österreichische Staatsbürger und inländische juristische Personen (RIS-Justiz RS0053598). Durch das BVG 1973/390 wurde der Gleichheitssatz auch auf das Verhältnis der Ausländer untereinander ausgedehnt. Der Verfassungsgerichtshof leitet aus Art I Abs 1 BVG 1973/390 in ständiger Rechtsprechung das (auch an den Gesetzgeber gerichtete) Verbot ab, sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Regelungen für Staatsangehörige verschiedener Staaten zu treffen, und führt aus, dass diese Regelung das an die Gesetzgebung und Vollziehung gerichtete Verbot enthalte, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Die Ungleichbehandlung von Fremden ist daher nur insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist (VfGH WI-10/04, VfSlg 17.672 mwN).
6.3 Eine unterschiedliche Behandlung von Ausländern, die aus dem Beitritt zur Europäischen Union resultiert, ist nach der Rechtsprechung sachlich gerechtfertigt (VfSlg 17.672 mH auf VfSlg 13.836; 10 ObS 185/03h, SSV-NF 18/45 mwN; 6 Ob 315/04y; RIS-Justiz RS0119107). Wie ausgeführt, kann im Hinblick auf die dargestellten erheblichen Unterschiede von Drittstaatsangehörigen, denen ein „humanitäres Bleiberecht“ eingeräumt wurde, diese Gruppe nicht mit Konventionsflüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten verglichen werden. Ihre Lebensbedingungen - auf die die Revisionsrekurswerberin für die von ihr angestrebte Gleichsetzung insbesondere Bezug nimmt - gleichen gerade nicht jenen von Konventionsflüchtlingen, denen das Personalstatut von Inländern zugestanden wird und die dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (daher) nicht unterliegen. Sie gleichen vielmehr sonstigen Drittstaatsangehörigen, die sich - ohne vom Heimatland ausgehenden Zwang - berechtigt dauerhaft im Inland aufhalten und dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegen. Die Einbeziehung von Drittstaatsangehörigen in Unterhaltsvorschussleistungen kann in einem Fall wie dem der Klägerin, in dem kein (bilaterales) sonstiges Abkommen existiert, daher nur im Weg der Anwendbarkeit der VO 1231/2010 erfolgen, der hier aber aus den angegebenen Gründen nicht offen steht. Die insofern unionsrechtlich bedingte Differenzierung stellt wie ausgeführt keine verpönte Diskriminierung nach dem BVG 1973/390 dar.
6.4 Infolge der erheblichen Unterschiede der Situation von Konventionsflüchtlingen zu jener von Personen, denen infolge einer gewissen Aufenthaltsverfestigung ein „humanitäres Bleiberecht“ gewährt wird, kommt auch eine analoge Anwendung der (einfachgesetzlichen, Veiter, JBl 1972, 349) Bestimmung des Art 12 Z 1 GFK auf die Revisionsrekurswerberin nicht in Betracht. Analogie iSd § 7 ABGB ist zwar grundsätzlich auch im Bereich des Verwaltungsrechts zulässig. Im Bereich des öffentlichen Rechts ist im Zweifel jedoch davon auszugehen, dass das Fehlen einer bestimmten Regelung beabsichtigt war (8 Ob 126/11d mwH; RIS-Justiz RS0008912). Es besteht vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs 1 UVG und der dargestellten unionsrechtlichen Entwicklung kein Anhaltspunkt dafür, dass dem Gesetzgeber bei der Erlassung (oder anlässlich der mehrfach erfolgten Novellierung des § 2 Abs 1 UVG, zuletzt mit BGBl I 2003/112) dieser Bestimmung nicht bewusst gewesen wäre, dass bestimmte Personengruppen vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen sein können.
Die Vorinstanzen haben den Anspruch der Revisionsrekurswerberin auf Unterhaltsvorschuss daher zu Recht verneint, weshalb dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben war.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Unterhaltsrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00006.16D.0222.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAD-87611