OGH vom 30.10.2018, 9Ob60/18s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J***** K***** und 2. M***** K*****, beide *****, beide vertreten durch LIKAR Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei J***** B*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 15.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 51/18h-38, mit dem der Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom , GZ 6 C 551/16h-34, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.205,96 EUR (darin 200,99 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Revision der Kläger ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO unzulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft samt darauf befindlichem Einfamilienhaus, ua bestehend aus dem Grundstück *****/5. Der Beklagte ist seit 2014 Eigentümer einer Nachbarliegenschaft, der ua das Grundstück *****/2 zugehörig ist.
Mit Dienstbarkeitsvertrag vom hatte der Erstkläger seiner Schwester, der damaligen Eigentümerin des Grundstücks *****/2, auf immerwährende Zeiten die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit allen Fahrzeugen über das Grundstück *****/5 eingeräumt. Diese Dienstbarkeit ist auch im Grundbuch eingetragen. Über den genauen Umfang bzw eine allfällige Beschränkung der Dienstbarkeit wurde vor Vertragsabschluss nicht gesprochen.
Auf dem Grundstück *****/2 hat sich schon zum Zeitpunkt der Dienstbarkeitseinräumung ein Wohn- und Gasthaus befunden. Das Gasthaus verfügte zum einen über einen Gästeparkplatz südlich des Gebäudes an der K. Straße, der für etwa 25 bis 35 Autos eine Parkmöglichkeit bot. Zum anderen gab es im geschotterten Innenhof des damaligen Gasthauses eine Parkmöglichkeit für bis zu 15 PKWs, wobei für deren Zu- und Abfahrt ein kurzer, etwa 20 m langer Teil des gegenständlichen Servitutsweges benützt werden musste. Auf diese Parkmöglichkeit im Innenhof des Gasthauses wurden die Gäste mit einer Beschilderung schon auf der K. Straße hingewiesen.
Jedenfalls seit etwa Ende der 1980er Jahre betrieb das ehemalige Gasthaus eine Gästezimmervermietung mit 18 Zimmern mit 28 Betten. Übernachtungsgäste stellten ihre Fahrzeuge in der Regel im Innenhof ab, zumal diese dort bei längeren Aufenthalten geschützter waren, als unmittelbar an der öffentlichen K. Straße.
Im Jahr 2000 übergab die Schwester des Erstklägers das Grundstück *****/2 samt Gasthaus ihrem Sohn. Dieser führte den Gasthausbetrieb fort. Er stellte ebenso wie seine Mitarbeiter die Fahrzeuge, von der K. Straße kommend über den verfahrensgegenständlichen Teil des Servitutsweges zufahrend, stets im Innenhof ab. Ebenso benützten Lieferanten und auch die Müllabfuhr diese Zufahrt zum Innenhof. Tagesgäste des ehemaligen Gasthauses stellten ihre Fahrzeuge sowohl (überwiegend) am Parkplatz neben der K. Straße, aber auch im Innenhof ab. Vor allem in den Spitzenzeiten, also zum Mittags- und Abendgeschäft, resultierte daraus eine nicht unerhebliche Fluktuation, welche ein dementsprechendes Verkehrsaufkommen auf dem verfahrensgegenständlichen Teil des Servitutsweges zur Folge hatte.
Im Jahr 2002 bzw 2004 wurden im Zuge der Sanierung des Gasthauses und des Innenhofes im Nebengebäude Wohnungen errichtet und vermietet. Die Mieter parkten ihre PKWs ebenfalls im Innenhof und fuhren daher ebenfalls über den gegenständlichen Teil des Servitutsweges zu bzw ab. Die grundsätzliche Benützung des verfahrensgegenständlichen Teiles des Servitutsweges *****/5 als Zufahrt zum Innenhof wurde von den Klägern nie beanstandet.
Auf dem Grundstück *****/2 plant der Beklagte nun die Errichtung einer Wohnanlage mit 16 Wohneinheiten sowie einem Untergeschoss mit 20 PKW-Abstellplätzen, Kellerabteilen und einem Technikraum. Zu diesen Wohneinheiten soll von der K. Straße über einen Teil des Grundstücks *****/5 zu- bzw abgefahren werden. Durch die Errichtung der Wohnanlage ergibt sich keine häufigere Nutzung des gegenständlichen Teils des Servitutsweges *****/5 im Vergleich mit der bisherigen Nutzung im Zuge der Betreibung des ehemaligen Gasthauses. Die Frequenz der Fahrten am Servitutsweg wird sich nicht erhöhen, sondern infolge des Wegfalls der kurzzeitigen Zu- und Abfahrten der (seinerzeitigen) Tagesgäste sogar verringern.
Die Kläger begehrten die Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung der Ausübung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit allen Fahrzeugen über das Grundstück *****/5, sofern die Ausübung dieser Dienstbarkeit das gemäß Dienstbarkeitsvertrag vom eingeräumte Ausmaß einer Mitarbeiter- und Lieferantenzufahrt zu einem Gastronomiebetrieb von zwei bis sechs Fahrten täglich übersteigt. Bei dem Bauvorhaben des Beklagten handle es sich um eine wesentliche Änderung der Betriebsform des herrschenden Grundstücks, die eine unangemessene Belastung des dienenden Grundstücks der Kläger bewirken würde. Durch die unzulässige Ausweitung der Servitut sei die Gefahr künftiger Rechtsverletzungen gegeben.
Die Vorinstanzen wiesen das Unterlassungsbegehren ab. Eine unzulässige Servitutsausweitung sei nicht zu befürchten, weil die für den Gasthausbetrieb noch vor der Zimmervermietung festgestellte Zufahrts- und Parksituation im Innenhof des Gasthauses verglichen mit der künftigen, nicht häufigeren Nutzung des Servitutsweges durch die Mieter der geplanten Wohnanlage, keine unzumutbare Mehrbelastung für die Kläger als Eigentümer des dienenden Grundstücks darstelle.
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich zugelassen, (§ 508 Abs 3 ZPO) weil die Feststellungen des Erstgerichts zur Verwendung des belasteten Grundstücks zum Zeitpunkt der Einräumung der Dienstbarkeit möglicherweise nicht ausreichen, um beurteilen zu können, ob das dienende Grundstück durch die konkrete Änderung der Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstücks erheblich schwerer belastet werde.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen gerichtete Revision der Kläger zeigt keine entscheidungsrelevante Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Nach § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben. Servituten dürfen aber nicht erweitert, sondern müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden.
Richtig ist, dass es sich hier um eine „ungemessene“ Servitut handelt (vgl RIS-Justiz RS0011752 [T1, T 2]). Für deren Inhalt ist nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis innerhalb der Schranken des ursprünglichen Bestands und der ursprünglichen bzw zumindest vorhersehbaren Bewirtschaftungsart maßgebend (RIS-Justiz RS0097856; RS0016368 [T13]; 5 Ob 22/18y Pkt 4.2 mwN). Richtig ist auch, dass eine unzulässige Erweiterung einer Wegeservitut dann vorliegt, wenn der Weg zu anderen Zwecken als ursprünglich vereinbart benutzt wird oder wenn sich die Belastung des dienenden Gutes erheblich erhöht (7 Ob 149/17p Pkt 4). Nur eine die Belastung des dienenden Gutes erheblich erschwerende Änderung der Benützungsart des herrschenden Gutes stellt eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar (RIS-Justiz RS0097856 [T9, T 12]; RS0016370; 6 Ob 175/14z Pkt 2.2).
Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit erfordert eine Interessenabwägung (vgl RIS-Justiz RS0011733), wobei der Eigentümer des dienenden Grundstücks erhebliche oder gar unzumutbare Erschwernisse nicht hinnehmen muss (RIS-Justiz RS0011733 [T2, T 5]). Aber auch bei einer Änderung der Bewirtschaftungsart kann nur die dadurch verursachte Mehrbelastung des dienenden Gutes untersagt werden (RIS-Justiz RS0016370 [T6]; vgl 10 Ob 27/11k Pkt 1.1; 2 Ob 13/11t Pkt 2.2). Soweit die neue Bewirtschaftungsart hingegen zu keiner erhöhten Belastung des dienenden Gutes führt, ist kein Grund erkennbar, weshalb der Verpflichtete dessen Inanspruchnahme nicht mehr dulden muss (4 Ob 25/14a Pkt 3.1; 7 Ob 149/17p Pkt 4).
Die Frage des Ausmaßes bzw Umfangs einer Dienstbarkeit und die Fragen der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind grundsätzlich einzelfallbezogen zu lösen und erfüllen daher in der Regel – von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen – nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 13/11t Pkt 1; 4 Ob 189/16x Pkt 1 ua).
Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist den Vorinstanzen nicht unterlaufen. Im vorliegenden Fall wurde der Servitutsweg zum Zeitpunkt innerhalb der ursprünglichen Bewirtschaftungsart als Zu- und Abfahrt zum Gasthaus nicht nur von den Liegenschaftseigentümern, Mitarbeitern und Lieferanten des Gasthauses, sowie der Müllabfuhr, sondern insbesondere auch von den (Tages-)Gästen benötigt und verwendet. Nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichts, die auch das Berufungsgericht – nach Behandlung der Beweisrüge der Kläger – als unbedenklich seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ergibt sich durch die geplante Errichtung der Wohnanlage auf dem Grundstück des Beklagten keine häufigere Nutzung des gegenständlichen Teils des Servitutsweges *****/5 im Vergleich mit der bisherigen Nutzung im Zuge des Betriebs des ehemaligen Gasthauses. Die Frequenz der Fahrten am Servitutsweg wird sich nicht erhöhen, sondern infolge des Wegfalls der kurzzeitigen Zu- und Abfahrten der (seinerzeitigen) Tagesgäste sogar verringern. Soweit die Revisionswerber ihren Rechtsausführungen zugrunde legen, dass es durch die Wohnanlage zu einer erhöhten Intensität der Servitutsnutzung im Vergleich zur ursprünglichen Bewirtschaftungsart kommen werde, weichen sie in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt ab. Eine unzulässige Ausdehnung des im Jahr 1971 für private und betriebliche Zwecke eingeräumten Geh- und Fahrtrechts auf dem Grundstück *****/2 liegt somit nicht vor. Dass die Dienstbarkeit im Dienstbarkeitsvertrag vom nur für das Ausmaß einer Mitarbeiter- und Lieferantenzufahrt zu einem Gastronomiebetrieb von zwei bis sechs Fahrten täglich eingeräumt war, war nicht erweislich. Auf die Überlegungen der Revisionswerber, schon die Ende der 80er Jahre begonnene Gästezimmervermietung habe eine erhebliche Erweiterung des Gasthausbetriebs dargestellt, muss daher nicht mehr eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00060.18S.1030.000 |
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